Risse

POV: Patrick

Ich verlasse Hannahs Haus in den selben Klamotten, in denen ich geschlafen habe. Sie riechen nach Müdigkeit und Hannahs Backwaren. Die kalte Novemberluft legt sich wie eine zweite Haut um meinen Körper und verscheucht jeden gemütlichen Gedanken. .

Moms Auto steht wieder vor der Tür.

Das Türschloss ist zickig als wolle es mich nicht hereinlassen, und mein Kampf mit dem Schlüssel lenkt mich hervorragend von der Tatsache ab, dass ich auch gar nicht da rein will. Sie haben ohne mich gestritten. Es kann nicht gut geendet haben.

Die Luft in der Küche ist so dick, dass ich den Atem anhalten will. Niemand spricht. Der Streit ist nicht abgekühlt.

Ich will mich nach oben in mein Zimmer verziehen, aber Moms Blick brennt mir vorwurfsvoll im Nacken. Ich drehe mich zu ihnen. "Guten Morgen. Habt ihr schon gefrühstückt?"

"Warum bist du gestern Abend abgehauen?"

Meine Brauen ziehen sich zusammen. "Abgehauen?" Wenn irgendwer abgehauen ist, dann sie.

"Ja, abgehauen. Wir hatten einen Deal."

Mir stehen die Fragezeichen auf der Stirn. "Deal?"

"Der Keller?"

Fuck.

Dad und ich waren verabredet gewesen, um den Keller zu renovieren. Die unterste Etage unseres Hauses hat einen seperaten Eingang, also könnten wir sie vermieten, falls wir jemanden finden, der dort wohnen will. Sie ist hell und freundlich, aber im Moment ein ungepflegtes Lager für Klamotten die wir nicht mehr tragen. Wir wollten tapezieren, streichen und Parkett legen, oder zumindest damit anfangen.

"Es tut mir leid, wirklich. Ich hab einfach nicht dran gedacht. Gestern Abend war dein Auto nicht da, deshalb dachte ich, hier wird eh nur gestritten, also-"

"Und du glaubst, du sorgst für weniger Streit, indem du dich nicht an Abmachungen hälst? Ich verbringe den ganzen Tag hier damit, Leuten hinterherzulaufen, die ihren Scheiß nicht erledigen. Du hast dich als ganz schön unzuverlässig erwiesen" Ich weiß, dass Mom die Wahrheit sagt. Den ganzen Tag hier verbringt sie damit. Aber wenn sie nicht mehr kann, ist sie halt einfach nicht mehr hier.

Etwas drückt von unten auf meine Stimmbänder. Meine Miene ist eisern. Ich weine nicht. "Wenn du bei deinem Bruder pennst, dachte ich, ich kann bei Manu pennen. Ich hätte es nie gemacht, wenn ich an unsere Verabredung gedacht hätte, aber ich habs wie gesa-"

"Bei Manu?" Ihre Stimme zerschneidet alles, was ich aufgebaut habe. "Du hast geschrieben, du wärst bei Robin gewesen"

Fuck. Fuck, fuck, fuck.

Seit Jahren habe ich mich nicht mehr beim Lügen erwischen lassen. Und jetzt wegen so einer Kleinigkeit... Mom hatte heute Morgen per Text gefragt, wo ich war, und um mir die Erklärungen zu ersparen, habe ich behauptet, ich hätte bei Robin übernachtet.

Kurz überlege ich, ob ich noch behaupten kann, doch bei Robin gewesen zu sein, und mich nur versprochen zu haben. Doch es ist zu spät.

"Es tut mir leid. Ich hab das irgendwie aus Reflex-"

"Du lügst uns aus Reflex an?"

Autsch. "Nein, ich meine nur, weil ich ja meistens bei Robin übernachte, hab ich den Satz irgendwie automatisch so beendet"

"Wind dich nicht raus, Patrick." Dads Stimme boxt mir in den Magen. "Ich hab alleine angefangen, Parkett zu legen. Du kannst das alleine fertig machen."

Ich bin heiser. "Okay. Kann ich jetzt gehen?"

Er nickt. Ich steige die Treppe hoch als wäre ich auf der Flucht. Sie sehen nur diese kleine Lüge, aber in mir stürzen sie alle zusammen.


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