Moral
POV: Patrick
Ich heule schon wieder. Die Arme meines Vaters stützen meine Schultern, und das macht es schlimmer. Ich merke, wie verwirrt er ist, von diesem plötzlichen Rollentausch. Weil ich sonst der bin, der tröstet. Der ruhig bleibt, und erwachsen. Der sich verformt wie weiches Wachs, um genau die Stellen abfedern zu können, wo Mom und er zusammenprallen.
Aber das bin ich nicht mehr.
"Du-" er räuspert sich, als wäre er nicht sicher, ob ich menschliche Sprache in meinem Zustand verstehe. "Du, Paddy... wir streiten doch oft. Du weißt doch, dass das nichts bedeutet. Mom ist nur bei ihrem Bruder, wir sind doch immer noch eine Familie. Ich hätte früher-" er betrachtet mich. "Geht es überhaupt darum?"
Das Schluchzen rüttelt mich durch und schleudert meinen Kopf gegen seine Brust. Er streicht mir über den Rücken, mit einer Sorge, die mir fremd geworden ist, in den letzten Jahren.
Kurz steht er auf und kommt mit meiner Bettdecke zu mir zurück. Ich kralle mich hinein wie in einen Rettungsring, als er sie mir um die Schultern legt. "Patrick, sprich doch bitte mit mir", flüstert er.
Ich kann nicht.
Er zieht mich an sich.
Sein Pullover teilt sich die gefangenen Tränen mit der Decke. Seine Stirn berührt meinen Scheitel. Minuten vergehen, in denen ich an meinem Schluchzen ersticke bis ich wieder sehen kann. Meine Stimme geht an und aus wie ein Barcode, hoch oben, in einer fremden Oktave. "Ich habs verschissen", bringe ich hervor.
Er ist erleichtert, dass ich die Worte wiederfinde, und besorgt über den Inhalt. "Erzähl es mir."
Ich drücke mich enger an ihn, weil ich weiß, dass er mich wegstoßen wird, wenn es erst ausgesprochen ist. "Ich habe mich verliebt. In jemand Anderen. Und ich habe Robin nichts erzählt."
Er ist still. Ganz still, bis ich den Kopf hebe, und seinen Blick suche. Da schiebt er mich sanft von sich weg, so dass wir uns gegenüber sitzen, und schaut mir in die Augen. "Und du und dieses andere Mädchen... ihr habt geflirtet?"
Ich zittere noch immer. "Wir waren zusammen. Irgendwie. Wir haben nie darüber gesprochen."
Er nickt so seltsam neutral. Schaut mich an, schweigend, mit einer Leere im Blick, bei der ich schreien will. "In wen hast du dich denn verliebt?", fragt er.
Da muss er jetzt hin. Dieser Teil der Wahrheit. Der eine ganz andere Kiste aufmacht, der Dad vor eine ganz andere Frage stellt. Der ihn auf dem falschen Fuß erwischen wird, und vielleicht für noch mehr Tränen sorgt. Aber er wird es verkraften. Jetzt, zum ersten Mal seit Ewigkeiten, will er wissen, was in mir vorgeht. Das Letzte, was ich will, ist noch eine Lüge.
"In Manu"
Keine Rührung in seinem Gesicht. Nur eine Pause.
"Der Manu? Von Hannah?"
Ich kauere mich zusammen und nicke.
"Okay."
"Okay?"
Er sieht mich streng an. "Nur dass das klar ist, es ist nicht okay, dass du fremdgegangen bist. Aber es ist okay, dass es mit Manu war. Das ändert nichts."
Mein Blick irrt über seine Hände. Ich komme mir so dumm vor.
"Und du und Manuel... ihr hattet Sex miteinander?"
Ich nicke.
Er schaut hilflos und perplex, als sei das nun die Information, die ihn entwaffnet hat. Die Pause kommt mir viel zu lang vor.
"Und hast du mit Robin Schluss gemacht?"
Ich schüttele den Kopf. "Sie mit mir. Sie hat es rausgefunden."
Er wird leiser. "Willst du sie zurück?"
"Nein. Ich kann keine Frau lieben."
Er denkt, lange und still, mit tiefen Furchen in der Stirn. Atmet tief und langsam, ein und wieder aus, in einem unterdrückten Seufzen. "Es ist okay. Das ist nicht deine Schuld", sagt er schließlich. "Aber sie muss wissen, dass es auch nicht ihre Schuld ist. Du hättest es ihr viel früher sagen müssen."
"Ich weiß."
Er sieht mich an, in diesem diffusen Strudel aus Mitleid, Enttäuschung und Reue. "Vielleicht haben wir dir einfach antrainiert, nie über Probleme zu reden."
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