Angst

POV: Mänü

Ich sehe die Zärtlichkeit, mit der Patrick Robin zur Begrüßung in die Arme schließt. Sie legt sich wie ein Gewicht auf meine Seele und quetscht das Glück aus mir raus, Milliliter für Milliliter.

Er bleibt den ganzen Tag bei ihr. Weist mich nicht ab, behandelt mich nur wie einen seiner Kumpels. Kopft mir auf die Schulter statt die Hand auf meine Hüfte zu legen, fordert mich im Gespräch zu seinen verbalen Kräftemessen heraus statt mich zu stützen wie sonst. Lässt nicht einmal zu, dass der Sex, den wir miteinander hatten, die Sache komisch macht. Bis das letzte Schlückchen Glück entwichen ist, bis ich leer und durchsichtig bin.

Ich hab Angst.

Es ist Dienstag, und wir sind in der Schule. Wir sind Jungs. Klassenkameraden. Ich sehe Robin Lippen an Patricks Ohr, als ich im Pausenraum auf ihren Tisch zusteuere, und wende mich in eine andere Richtung. Er hat seine Hand auf ihrem Oberschenkel. Heute Abend werde ich ihnen wieder beim Sex zuschauen müssen.

Ich weiß nicht, ob ich das aushalten würde, und habe keine Ahnung, wie ich es verhindern soll. "Verhindern". Meine Brust zieht sich zusammen.

Den Rest des Schultages verbringe ich mit Greg. Er ist und bleibt ungehobelt wie sonst etwas, und stellt seine Neugierde über alles, aber er hat einen guten Literaturgeschmack. Ich kann mich mit ihm unterhalten, auch wenn ich die Grenze, die ich zu meiner Familiengeschichte gezogen habe, hart verteidigen muss.

Patrick wirft mir nur fragende Blicke zu, als ich ihn so abweise. Als erwarte er, dass ich Teil dieser Freundesgruppe bin, mit ihm und seiner festen Freundin.

Am Nachmittag sitze ich zuhause und starre in sein noch robinloses Zimmer. Hannah hat versucht, vorsichtig nachzufragen, aber ich habe abgeblockt. Was hätte ich auch sagen sollen? Ich will nicht, dass der Nachbar seine Freundin fickt, weil ich ihm dann durchs Fenster zugucken muss und mich ungerecht behandelt fühle? Schwachsinn.

Meine Hände finden mein Handy. Patricks Kontakt.

Manu B: Wann kommt sie?

Patrick M: Woher willst du wissen, dass sie kommt? :)

Fassungslos starre ich auf den Smiley, doch bevor ich reagieren kann, kommt eine zweite Nachricht hinterher.

Patrick M: Spaß. In 2,5 Stunden. Willst du noch herkommen?

Manu B: Unterwegs.

Am liebsten würde ich mir selbst ins Gesicht schlagen, während ich meine Schuhe schnüre. Mein verfickter Mangel an Selbstrespekt. Ich lasse mich zum Spielzeug machen, und das weiß ich. Aber ich muss da jetzt rüber, und ich muss mit ihm schlafen, weil die Angst in mir rast, dass er sonst mit ihr schläft.

Ich klingele und fühle mich nackt, als er öffnet.

"Na, Manu?"

Seine Stimme klingt genauso, wie sie im Zug geklungen hat. Oder im Haus meiner Eltern. Oder an allen Tagen davor.

"Hey. Kann ich hochkommen?"

"Klar."

Während er mich an sich vorbei die Treppe hochleitet, fragt er: "Bist du sauer auf mich oder sowas?"

Ich reagiere nicht. Jede Antwort wäre eine Lüge. Setze mich auf sein Bett und verschränke mich in mir selbst. Er kniet sich vor mir hin und legt die Hände auf meine Hüften. "Manu?", fragt er besorgt.

Ich unterdrücke das Zittern. Er versteht nicht, warum ich Robin nicht mehr so ignorieren kann wie ich es bisher getan habe. Ich verstehe es ja selbst nicht. Und ich kann ihm nicht verbieten, wieder mit ihr zu schlafen. Jetzt zu bleiben solange ich kann ist meine einzige Chance.

Grob ziehe ich mir mein Shirt über den Kopf. "Ich will Sex."

Irritiert sieht er zu mir hoch. "Manu, ich werde jetzt ni-"

"Doch, wirklich. Im Zug wars doch schön, oder? Warum nicht jetzt?"

Er hält meinen Blick und meine Unterarme. "Weil du aussiehst, als würdest du gleich in Tränen ausbrechen."

Ich muss schlucken und die Zähne zusammenbeißen und kann ihn nicht ansehen, aber es fließen keine Tränen. "Hab mich mit Hannah gestritten", lüge ich. "Mach dir keine Sorgen."

Er sieht nicht besänftigt aus, als ich mich an seine Brust lehne und die Hände unter sein Shirt fahren lasse. Aber er hält mich nicht auf.


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