III


gewidmet AllanRexword, der im Herbst falsche Götter entlarvt und dessen Story nach einer Fortsetzung schreit

Gratulation zu einem sehr verdienten zweiten Platz!

Beide Mädchen starren sie entsetzt an. „Aber warum ...", setzt Sanna an, merkt dann, dass ihr die Tränen kommen und stockt. Eleni fährt für sie fort: „... denn nicht?"

Im Geiste sieht Thesa prompt wieder Rubens braune Locken, sein verschmitztes Grinsen und die strahlendblauen Augen vor sich. Als sie die Mädchen anblickt, sieht sie das schmale Gesicht, die leicht gekrümmte Nase, das spitze Kinn noch immer – in Sanna, die ihrem Bruder so frappierend ähnlich sieht, dass es Thesa immer wieder erschreckt. Und die jetzt gerade so alt ist wie Ruben damals.

„Also?" Eleni lässt nicht locker. „Sag's uns, Tante Thesa, bitte. Es wird nicht besser, wenn du's in dich reinfrisst." Worte und Tonfall erinnern stark an Kathrin, wenn sie ihren Töchtern, aber auch schon mal Schwägerin und Nichte zu entlocken versucht, was diese bedrückt.

Thesa gibt sich einen Ruck. Auch wenn die Kleine nur ihre Mutter nachahmt; sie hat im Grunde recht.

„Also gut. Eleni, du weißt ja, dass ich geschieden bin?"

„Natürlich! Ist doch nix bei. Sind doch viele Leut!"

„Nun, das Sorgerecht für Ruben wurde damals zwischen Achim und mir geteilt. Im Sommer war er hier und ging mit mir auf die Alm. Den Winter verlebte er bei Achim in der Stadt. Das ging sechs Jahre lang gut."

„Und was ist mit Sanna?", fragt Eleni folgerichtig.

„Sanna – nun, sie wurde genau neun Monate nach unserer Scheidung geboren. Achim glaubt nicht, dass sie von ihm ist." Achim hat Sanna nie gesehen, sonst hätte er es vielleicht begriffen. Wie Ruben ist Sanna fast völlig nach dem Vater geschlagen, nur die blauen Augen haben beide Kinder von Thesa.

„So'n Arsch!", rutscht es Eleni raus. „Oh, sorry, Sanna ... "

„Wieso sorry? Hast ja recht!" Sanna hält von Achim ebenso wenig wie er von ihr.

Thesa redet hastig weiter. „Mit zehn Jahren malte Ruben dieses Bild für Friedas Fuikl. Ich fand es perfekt, aber er wollte den Schleier der Marienkuh noch mit ein paar Blüten verzieren. Ich ging also in den Stall, um Res bei der Geburt beizustehen und er wälzte mein Lexikon in der Hoffnung durch, ein geeignetes Bild zum Abmalen zu finden.

Ich war mit der kalbenden Kuh beschäftigt und bekam zwar mit, dass er hinauslief, dachte mir aber nichts dabei. Irgendwann hörte ich einen Jubelruf von ihm, aber genau in diesem Moment kam das Kalb.

Kaum waren Res und das Kalb versorgt, ging ich ins Haus zurück. Ruben saß wieder an seiner Zeichnung. Gerade leckte er sich einen Finger ab, rieb damit über ein Blütenblatt und verwischte dann den Abrieb auf dem Papier. Auf dem Tisch lag schon ein gutes Dutzend abgeriebene Blätter."

Eleni sieht sich die Blüten auf dem gemalten Schleier genauer an. „So hat er des hingekriegt? So feine Farbverläufe, des schaugt einfach klasse aus."

„Oh ja. Wenn er nur nicht gerade diese Blumen als Vorbild genommen hätte. Ich sah ihm über die Schulter und bewundert seine fast fertige Zeichnung. Dann erst bemerkte ich die Blüten auf dem Tisch."

Sanna wird blass. „Jetzt versteh i! Des sind doch die, vor denen du mich vorhin gewarnt hast!"

„Ja. Herbstzeitlosen. Sie sind wunderschön, aber hochgiftig. Wir hatten nie zuvor welche auf der Alm, so hatte ich sie Ruben nicht zeigen können, bevor wir sie ausgegraben hätten. Es hat ihn fasziniert, Blüten im Herbst zu finden und so hatte er einige gepflückt, um sie abzuzeichnen und die von ihnen abgeriebene Farbe aufzutragen."

„San's denn aa giftig, wann man's bloß olangt?" Vor Aufregung spricht Eleni starken Dialekt.

„Du Depp, er hatte doch den Finger im Mund!" Sanna hat mal wieder schneller begriffen als die Kusine.

„Au!" Elenis Augen werden ganz groß. „Ist er ...", sie stockt, wagt es nicht auszusprechen.

Thesa schüttelt traurig den Kopf. „Ich hab sofort die Blumen weggetan und Ruben gesagt, er soll die Hände sehr gut waschen und den Mund ausspülen. Währenddessen hab ich den Notruf gewählt und sie versprachen, sofort einen Hubschrauber zu schicken, sobald einer verfügbar sei. Dann kümmerte ich mich um Ruben. Hätte er die Blüten geschluckt, hätte Erbrechen noch etwas bewirken können. Aber er hatte das Gift über die Schleimhäute im Mund aufgenommen und da setzt die Wirkung wesentlich schneller ein.
Bis der Hubschrauber kam, hatte Ruben bereits Schluckbeschwerden und verkrampfte sich immer wieder. Der Notarzt sah sehr besorgt drein, als ich ihm die abgeriebenen Blüten zeigte. Ruben konnte kaum noch sprechen, aber er bat mich noch, das Bild nach dem Laminieren unbedingt an Friedas Fuikl anzubringen.
Ich wäre so gerne mitgeflogen, aber ich konnte die Herde nicht allein lassen. Ich rief Kathrin an und die raste sofort ins Krankenhaus, um Ruben beizustehen. Und Veit kam zwei Tage später die Alm hoch und löste mich ab.

Im Krankenhaus durfte ich Ruben nicht sehen. Er war inzwischen außer Lebensgefahr, aber die Ärzte hatten natürlich auch Achim informiert. Und der hatte wiederum das Jugendamt davon in Kenntnis gesetzt, dass ich nicht in der Lage sei, mich um ein Kind zu kümmern. Im Eilverfahren wurde mir mein Sorgerecht entzogen. Seitdem habe ich nie wieder etwas von Ruben gehört. Achim verhindert jeden Kontakt mit ihm."

Eleni wiederholt ihre Aussage von vorhin: „So'n Arsch!" Im Stillen gibt ihr Thesa recht. Was immer sie damals mit Achim verbunden hat; es ist ihm gelungen, sie alles Gute vergessen zu lassen.

„Also deshalb", flüstert Sanna. Dann wird sie lauter. „Dieser Scheißkerl will mich nicht und dann nimmt er mir noch meinen Bruder weg?"

„Hast des ned mitkriegt damals?", fragt Eleni. „Mir fallt grad ei, dass Mama uns damals zu Veit und Malte g'bracht hat. Sie sagte, Ruben hätte nen Unfall g'habt."

„Naa. Mir haben die aa ned mehr erzählt als dir. I war doch den Sommer unten, weil wir beide eig'schult wor'n sind." Sanna streicht Thesa über die Wange. „Ich hab oft g'dacht, du weinst soviel, weil Ruben tot ist und du's mir ned sagen magst. Drum hab ich nie g'fragt, nur beim Aufkranzen."

„Richtig, das Aufkranzen!" Thesa fährt hoch. „Die Männer werden gleich kommen und uns schön auslachen, wenn wir dann bloß Frieda aufkranzt haben!"

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