I
gewidmet TheresiaEngel, die mich von einem Award zum anderen zerrt, in der Hoffnung, ich gewinne auch so oft wie sie.
Und natürlich nochmals meine Gratulation zum zweiten Platz!
„Puh!" Aufatmend löst Thesa die Melkbecher von Friedas altersschlaffen Zitzen und versenkt sie in dem Eimer mit Desinfektionsmittel. Für heute Morgen ist es wieder einmal geschafft. Und heute Abend wird Andres' Frau Kathrin das Melken übernehmen; unten im Tal, nach dem Herbstabtrieb.
Zusammen mit Frieda tritt Thesa aus dem Melkschuppen. Frieda bleibt verdutzt stehen, als sie die am Zaun aufgereihten Fuikln sieht, dann trabt sie laut muhend auf den größten Kopfputz zu und bleibt davor stehen. Seit zwanzig Jahren lebt die alte Kuh sommers auf der Alm und sie kennt den Prozess genau.
„Na, Frieda?" Sanna nestelt noch einige Silberdisteln an Friedas Fuikl und klopft der Kuh zärtlich auf die lange Nase. „Ja, es ist soweit. Wir müssen wieder Abschied nehmen von der Alm."
Thesa beobachtet lächelnd die geschickten Finger ihrer Tochter. „Gut machst du das. Im nächsten Jahr kannst du die Fuikln ganz übernehmen, wenn du magst."
Die Zehnjährige strahlt auf. „Wirklich, Mama? Und du hilfst ned und redst ned nei?"
Thesa schüttelt lachend den Kopf, dass der lange, rotblonde Zopf mitschwingt. „Bin ja froh, wenn du mir das abnimmst."
Sannas Lächeln verzaubert ihr ganzes kleines Gesichtchen. Kathrin sagt oft, wenn Sanna lächelt, geht die Sonne auf. Recht hat sie, denkt Thesa und wird sich wieder einmal bewusst, wie sehr sie ihre Tochter liebt. Und auch ... aber daran will sie jetzt nicht denken.
„I schau nach, ob's noch welche hat", Sanna seufzt. „So schad', dass nix im Herbst blüht. Nur die Disteln." Mit wehendem braunem Lockenschopf rennt sie über den Almhof.
Ein Stich fährt durch Thesas Herz. Nicht nur Disteln blühen im Herbst. Wenn alles sich auf die Winterruhe vorbereitet, wird eine Pflanze erst so richtig munter und treibt Blüten.
Für Thesa sind die zierlichen, krokusähnlichen Herbstzeitlosen, die sich so trotzig gegen den Winter stemmen, stets ein Symbol für immerwährende Hoffnung gewesen. Es hieß unter den Leuten, die Natur sterbe im Herbst und würde im Frühling neu geboren. Die Herbstzeitlosen allerdings widersetzen sich dem und dafür hat Thesa sie geliebt. Bis vor vier Jahren.
Sanna jubelt plötzlich auf und Thesa dreht sich zu ihr um. Das Mädchen steht unter dem knorrigen Apfelbaum, zwischen herbstdürrem, teilweise zu Heu getrocknetem Gras, Falläpfeln und bunten Blättern. „Da sind welche! Wie schön sie sind!"
Ein eiskalter Hauch geht durch Thesas ganzen Körper. Ihre Tochter streckt die Hand nach ihr nur zu gut bekannten hellvioletten Blüten aus. Nicht schon wieder!
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