Frische Luft
»Louissss!!«, wurde ich äußerst unsanft geweckt. Mein Bett ruckelte und schon spürte ich vier kleine Hände, die an meinen Armen zerrten oder auf meine Brust klopften.
Grummelnd zog ich die Decke höher, aber es half nichts gegen die zwei lachenden Teufel. »Aufwachen!«
»Nein, ich weigere mich«, murrte ich und versuchte, die beiden von mir herunterzuschieben. Vergebens, denn im nächsten Moment hielten mir kleine Finger die Nase zu und andere wuschelten durch meine Haare.
Innerlich seufzte ich auf und verfluchte meine Geschwister. Aber da es eh nichts nützte und sie mich sicher nicht in Ruhe lassen würden, öffnete ich die Augen und schlang in einer schnellen Bewegung meine Arme um Phoebe, die über mir hockte und mich mit ihrem Grinsen voller Zahnlücken ansah.
Sie quietschte auf und legte alles daran, meinen kitzelnden Händen zu entkommen. Lachend warf ich uns herum, wodurch auch Daisy in meine Fänge gelangte. Ich kitzelte sie solange durch, bis sie um Gnade bettelten und sich die schmerzenden Bäuche hielten.
Ich ließ mich zwischen sie auf die Matratze fallen. Die Decke lag am Fußende und war halb vom Bett gefallen. Mindestens ein Kissen lag auf dem Boden.
»Ihr kleinen Teufel«, schüttelte ich den Kopf und atmete tief durch, während sich auch schon kleine Arme um mich legten und meine Schwestern sich eng an mich kuschelten. »Habt ihr ein Glück, dass ich euch so lieb habe.«
»Wieso?«, wollte Daisy gleich wissen und knibbelte in einem der vielen kleinen Löcher in meinem Shirt herum.
»Hätte ich das nicht, dann hätte ich euch schon längst aus dem Zimmer gejagt und kopfüber in die Regentonne getunkt. Naja, wenn ich so darüber nachdenke«, grinste ich und verfestigte meinen Griff um sie beide. Als ich Anstalten machte, mit ihnen unter den Armen aufzustehen, kreischten sie und wehrten sich.
Ich ließ sie wieder los und bekam direkt ein Kissen ins Gesicht geschleudert.
»Du bist so blöd, Lou!« Phoebe kämpfte gegen mich an, als ich ihr selbst das Kissen ins Gesicht drücken wollte. Fast hätte ich es geschafft, da sprang von hinten Daisy auf mich herauf. Mit einem Kampfesschrei riss sie mich um, sodass ich ihre Zwillingsschwester loslassen musste.
»Na, warte«, lachte ich und stürzte mich auf sie.
~~
»Anne, ich hätte hier zwei Klammeraffen abzugeben!«, rief ich lachend in die Küche.
Daisy und Phoebe hingen jeweils an einer Seite von mir und ließen sich tragen. Das ging noch gerade so. In ein, zwei Jahren würde das wieder ganz anders aussehen.
Anne stand an der Kücheninsel und war gerade dabei, Marmeladen, Tassen und andere Dosen auf ein Tablett zu stellen. Sie unterbrach ihre Tätigkeit und blickte zu uns, woraufhin ihr ein Lachen entkam. »Was macht ihr denn da? Lasst doch den armen Mann in Ruhe.«
»Wenn er uns nicht tragen kann, ist er ein Opi«, behauptete Phoebe breit grinsend und wackelte etwas herum, was mich beinahe aus dem Gleichgewicht brachte.
»Daisy, Phoebe, mögt ihr mitkommen und Brötchen holen?« Robin steckte gerade seinen Kopf in die Küche. Unter freudigem Gebrabbel, da sie wussten, dass sie sich dann beim Bäcker etwas aussuchen durften, ließen sie von mir ab.
Erleichtert schüttelte ich meine Arme durch. »Danke«, sagte ich lachend, als die Zwillinge bereits durch die Tür verschwunden waren.
»Kein Ding«, schmunzelte Robin und ging ihnen hinterher. »Kinder, langsam!«
Kichernd drückte Anne mir zwei Kannen Tee in die Hände und ging dann mit dem vollen Tablett voran nach draußen. Ich genoss es wirklich, die Mahlzeiten an der frischen Luft zu mir zu nehmen. Früher, als ich noch in Doncaster gewohnt hatte, hatten wir das auch hin und wieder gemacht, doch seit ich mit Liam und Zayn nach London gezogen war, ging das nicht mehr.
Ich half dabei, den Tisch zu decken, und setzte mich dann schonmal hin. Vom Sandweg zwischen dem Haus und dem Stall hörte ich Hufe und sah auf. Gemma kam wohl gerade von ihrem morgendlichen Ausritt zurück. Das hatte sie früher schon häufig gemacht. Noch vor dem Frühstück ging sie in den Stall und drehte eine kleine Runde, bevor der Tag startete.
Nach dem Frühstück und einer allgemeinen Lagebesprechung, was heute so anstand, schnappte ich mir meine Zeichensachen, steckte sie in eine Tasche und wanderte los. Zwischen dem Reitplatz und dem Roundpen entlang des Weges, über welchen man zu den großen Weiden kam. Die Sonne schien hell vom Himmel und es war angenehm warm.
Ich lief einige Zeit den sandigen Weg entlang, bis ich das Tor zu einer der größten Weiden weit am Ende des Grundstückes öffnete und auf die Koppel trat. In der Ferne erkannte ich einen Wald und einige Pferde, die in einer Gruppe zusammen standen.
Sanfter Wind fuhr mir durch die Haare und ich atmete einige Male tief ein. Wie ich diese frische, saubere Luft vermisst hatte. Weit und breit kein Auto, das sie verpestete. So ganz anders als in London. Ich musste meine Augen etwas zusammenkneifen, als ich in den Himmel hinauf sah.
Die Sonne schien hell herab und nur wenige kleine Wolken zogen ihre Wege über den sonst blauen Himmel. Ich spürte, wie mich eine tiefe innere Ruhe erfüllte, je weiter ich durch das hohe Gras schlenderte.
Alle Gedanken, die noch bis eben meinen Kopf geflutet hatten, schienen vom Wind fortgetragen zu werden. Unter einem großen Baum machte ich halt. Die Koppel hatte ich längst auf der anderen Seite wieder verlassen und befand mich nun auf einer weiten, offenen Fläche.
Ich setzte mich auf den Boden und lehnte mich an den Stamm der großen Eiche. Meinen Zeichenblock legte ich auf meinen angewinkelten Beinen ab, bevor ich einen Bleistift aus der Federtasche holte und begann, die Landschaft auf dem Papier zu skizzieren.
Immer tiefer versank ich in meiner eigenen Welt, sodass ich nicht merkte, dass sich mir jemand näherte. Erst, als ich ein genervtes Seufzen hörte, schreckte ich hoch. »Das kann ja wohl nicht wahr sein.«
Mein Stift fiel mir aus der Hand und landete auf dem moosigen Boden. »Scheiße«, grummelte ich und sammelte ihn auf. Ich hasste es, wenn mir meine Stifte aus der Hand fielen. Aber noch schlimmer fand ich, wenn mich jemand erschreckte und beim Zeichnen störte.
»Und ich dachte, ich hätte die Idioten hinter mir gelassen«, brummte die tiefe Stimme, woraufhin ich nun doch den Blick hob.
Zwei Meter vor mir stand ein großes, schwarzes Pferd, das seine Nase neugierig in meine Richtung streckte. Teuer aussehende Reitstiefel lagen in meinem Blickfeld. Langsam wanderte mein Blick an dem kräftigen Bein hinauf, bis ich letztlich in ein missmutig dreinblickendes Gesicht sah.
Grüne Augen blitzten mir entgegen und musterten mich abschätzig von oben bis unten. »Was willst du hier?«
Schnaubend hielt ich dem Blick stand. »Ich wüsste nicht, was dich das angeht«, erwiderte ich mindestens genauso kalt.
Toll, ich hatte wirklich darauf gehofft, dass er noch einen Tag länger wegbleiben würde. Dass er jetzt aber einen Tag früher als geplant wiederkam, stieß mir sauer auf. Natürlich wusste ich, als ich mich dazu entschieden hatte, mit meinen Schwestern zu fahren, dass ich ihm nicht immer aus dem Weg gehen konnte. Aber dass er jetzt hier auf einem Pferd angeritten kam, an einem Ort, wo ich glaubte, für einige Stunden meine Ruhe haben zu können, passte mir nicht.
»Du bist hier auf meinem Grundstück, also antworte mir«, zischte er, was mich mit den Augen rollen ließ.
»Musst du dich immer noch so aufspielen, als wärst du der Prinz von England und alle anderen deine Sklaven? Ich muss dir gar nichts sagen und werde ich auch nicht. Wenn du es unbedingt wissen willst, frag wen anders.« Brummend senkte ich den Blick wieder auf meine Zeichnung und stöhnte genervt auf. Als der Stift mir heruntergefallen war, hatte er einen unschönen Strich auf dem Papier hinterlassen.
In meiner Federtasche kramte ich nach einem Radierer, während ich Hufe aufstampfen hörte. »Wir sehen uns noch, Tomlinson!«, warf mir seine Stimme noch entgegen, bevor er schnalzte und das Pferd antrieb.
»Arsch«, murmelte ich in mich hinein und radierte den Strich missmutig weg.
Das war ja mal wieder klar, dass ich nicht einmal hier draußen, mitten im Nirgendwo, meine Ruhe vor ihm hatte. Fooking Styles. So nett seine Eltern und Gemma waren, so anstrengend und nervtötend war er. Da hatte Gemma wohl seine Ladung an Freundlichkeit gleich mitbekommen bei der Geburt.
Ich skizzierte noch einige Zeit weiter, aber richtig zur Ruhe kam ich nichtmehr. Die Begegnung geisterte mir durch den Kopf und immer wieder lachte ich freudlos auf, fassungslos über seine abgehobene Art.
Tatsächlich hatte ich kurz die Hoffnung gehabt, er habe sich vielleicht geändert. Denn mal ehrlich, Ferien waren immer besser, wenn man Gleichaltrige um sich hatte, mit denen man auskam oder sich im besten Fall gut verstand. Dumme Gedanken waren das gewesen. Wie hatte ich nur denken können, er habe so sehr verändert?
Ich schüttelte den Kopf. Dafür, dass ich ihn nicht mochte, dachte ich ganz schön viel über ihn nach. Nein, Tommo, das wollen wir mal ganz schnell wieder lassen. Er war es nicht wert. Immerhin hatte ich jetzt Gewissheit darüber, dass ich ihn weiterhin mit gutem Gewissen meiden konnte.
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Hey :)
Wie ihr vielleicht gemerkt habt, habe ich mir den Donnerstag als Update-Tag ausgesucht. Ich hoffe, dass ich es beibehalten kann. Updates können aus zeitlichen Gründen aber auch an anderen Tagen kommen.
So, das erste Treffen zwischen Louis und Harry. Was denkt ihr?
Bis bald,
Lea
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