Kapitel 2
Mein Bruder, meine Mama und ich haben bereits zu Abend gegessen, als mein Papa und mein Bruder von ihrer Schicht im Rettungsdienst nach Hause kommen. Nachdem die beiden von ihrem Tag erzählt und ebenfalls etwas gegessen haben, setzen wir uns gemeinsam auf das Sofa und schauen Nachrichten. „Den Umfragen zu Folge sieht es so aus, als würde die Wahl morgen von Taio Abioye von der Partei Beno gewonnen werden", teilte uns der Nachrichtensprecher mit, „damit hätte Zeriko seinen ersten schwarzen Präsidenten." Ein Bild von dem breit gebauten Mann wird eingeblendet, er würde eher als Bodyguard des Präsidenten durchgehen, als der Präsident selber.
„Wer heißt noch gleich der anderen Präsident der morgen zur Wahl steht?", will Kyano wissen und schaut uns alle fragend an. „Der andere Präsident der morgen zur Wahl steht heißt Maximillian Lain und ist von der Partei Choyera", erklärt meine Mutter ihm. „Habt ihr das nicht heute in der Schule besprochen?", mischt sich mein großer Bruder Yaris ein. „Ja, haben wir, aber eher für was die beiden Parteien stehen. Die Leute von der Partei Beno sind gegen Rassismus und wollen das wir Schwarzen endlich als gleichwertig angesehen werden und die von Choyera sind der Meinung es gibt keinen Rassismus und fördern, dass die Weißen sich überlegen fühlen", erklärt mein kleiner Bruder unserem älteren Bruder.
„Und deswegen müssen wir hoffen, dass nicht wieder ein Präsident von Choyera gewählt wird, sonst ändert sich nichts", füge ich hinzu und meine Eltern nicken.
Während die anderen sich wieder gebannt den Nachrichten zuwenden lasse ich meinen Blick über meine Familienmitglieder wandern. Mein Vater hat einen Arm um meine Mutter gelegt und sie lehnt sich gegen ihn. Ich bin sehr froh, dass die beiden sich so gut verstehen und nicht getrennt Leben, wie die Eltern von meinem besten Freund Hodari, das würde ich nicht aushalten. Als meine Moma das erfahren hat, hat sie Hodari direkt angeboten, dass er jederzeit bei uns sein kann, wenn es ihm zu Hause zu viel wird, wenn seine Eltern wegen der Scheidung streiten. Sie ist ein fürsorglicher und liebevoller Mensch und eine gute Zuhörerin, auch in ihrer Bäckerei hört sie den Leuten stundenlang zu und hilft ihnen, wenn sie nichts zu tun hat.
Mein Vater hingegen ist da ein bisschen anders, er ist zwar auch hilfsbereit und lieb, doch ist er auch sehr ernst und schweigsam.
Mein Blick gleitet zu meinem Bruder Yaris, der links neben mir sitzt. Er ähnelt meinem Vater sehr, auch er ist Notfallsanitäter, eher ernst und schweigsam, aber auch hilfsbereit, doch im Gegensatz zu meinem Vater kann er mit mir Kyano stundenlang über Flachwitze lachen. Mein Blick wandert zu Kyano und ich betrachte ihn liebevoll. Er ist ein kleiner Wirbelwind und verbreitet immer gute Laune, wie meine Mama versucht er in allen das Gute zu sehen.
Und ich selbst, ich bin eine Mischung aus allem würde ich sagen. Einerseits bin genauso freundlich und eine gute Zuhörerin, wie meine Moma, andererseits bin ich auch eher ruhig und ernst wie mein Vater und da man all diese Eigenschaften bei den Notfallsanitätern braucht, habe ich wie mein Bruder genau diese Ausbildung vor zwei Wochen, drei Monate nach meinem Schulabschluss begonnen.
Eigentlich hatte ich Ärztin werden wollen, meine Noten waren auch gut genug gewesen, doch es gibt nur eine begrenzte Anzahl Plätze an Hochschulplätzen und meine Lehrer mussten eine Wahl zwischen mir und meiner weißen Freundinnen treffen und sie entscheiden sich für sie, obgleich meine Sozials-und Arbeitsverhaltensnote besser waren.
Da war mir der Rassismus wieder begegnet, doch etwas dagegen getan hatte ich nicht, ich hatte mich nicht getraut und das fuchste mich immer noch, doch jetzt war es eh zu spät, die Ausbildungen und Studiums waren bereits losgegangen.
Ich lehnte mich zurück und wandte meine Aufmerksamkeit auch wieder dem Fernseher zu.
***02.07.2020 - 624 Wörter
Der nächsten Morgen beginnt eigentlich wie jeder Samstag bei uns zu Hause, wir frühstücken zusammen und doch ist etwas anders, man merkt es an der Spannung in der Luft, dass heute ein besondere Tag ist, dass heute ein Tag ist, der die Zukunft vielleicht verändern wird.
„Und bist du schon aufgeregt, dass du heute das erste Mal wählen gehst?", will meine Moma von mir wissen und lächelt mich warm an. „Ein bisschen aufgeregt bin ich nicht, andererseits setzte ich ja lediglich ein Kreuz auf einem Papier, letztendlich zählt, ob die Mehrheit genauso denkt wie ich", antworte ich, doch untertreibe dabei maßlos, in Wahrheit bin ich richtig aufgeregt. Mein Vater zwinkert mir zu, er spürt immer, wenn ich etwas anderes fühle, als das was ich vorgebe und dann zwinkert mir immer zu, um mich zu beruhigen oder zu ermutigen, je nachdem was ich gerade brauche.
„Pa, Yaris kommt ihr mit mir und Moma oder habt ihr Schicht, während wir gehen wollen?", will ich dann wissen und schaue die beiden fragend an. „Wir komme mit euch, ich habe heute Nachtschicht und Pa hat frei", beantwortet mein großer Bruder die Frage.
Nachdem wir das Frühstück beendet haben, machen meine Eltern, Yaris und ich sich fertig, um dann mit dem Bus zum Ratsgebäude zu fahren, die Straßen würden zu voll sein, um gescheit mit dem Auto dorthin zu kommen und genug Parkplätze gab es auch nicht. Wir verabschieden uns von Kyano und machen uns dann gemeinsam auf den Weg zur Bushaltestelle, auf dem Weg stoßen ein paar Leute aus unserer Nachbarschaft dazu und als eine große Gruppe warten wir auf den Bus. Im Bus gibt es zum Glück noch genug Sitzplätze, denn durch die ganzen Schlaglöchern in den Straßen ist stehen sehr schwierig, vor allem für die kleinen Leute, die nicht an die Halteschlaufen drankommen, da habe ich es mit meiner Größe von 1,75 Metern wirklich gut.
Der Bus verlässt die Straßen von Pogawo und fährt schon bald die erste Haltestelle im Nordteil an. „Hoffentlich steigen nicht so viele Weiße ein und wollen unsere Sitzplätze haben. Gut, die ganz reichen Leute fahren zwar kein Bus, aber es gibt ja auch genug normale Leute, die finden, dass sie mehr Wert haben und wenn ich keinen Ärger haben will, sollte ich wohl aufstehen", schießt es mir durch den Kopf. „Wenn man vom Teufel spricht", murmle ich leise, als zwei weiße Jungs etwa in Yaris Alter auf uns zukommen, wir sitzen zusammen in einer Reihe. „Wir würden uns gerne da hin sitzen, macht ihr bitte Platz?", bittet uns der eine Junge mit der Capi relativ freundlich. „Wieso sollten wir, immerhin waren wir zu erst hier", fragt mein Bruder herausfordernd, während ich mir auf die Lippe beiße, ich war nicht auf Streit aus, da stehe ich lieber. „Willst du Stress?", will der Freund von dem Typen, er trägt eine Lederjacke und ebenfalls eine Capi, von meinem Bruder wissen. „Nein, ich bin nicht auf Konfrontation aus, ich möchte lediglich einen triftigen Grund, warum meine Schwester und ich euch unsere Plätze geben sollten. Ihr habt keine offensichtlichen Behinderungen, dass ihr nicht stehen könnt, außer vielleicht mangelnde Intelligenz, doch das zählt nicht", gibt mein Bruder zurück, den letzten Satz murmelt er nur leise, doch nicht leise genug, der Junge in der Lederjacke hatte es gehört. „Ey du blöder Neger, mach Platz oder es gibt richtig Ärger", droht er meinem Bruder und ballt die Fäuste. Mir ist das zu viel und ich stehe auf, in der Hoffnung eine Auseinandersetzung verhindern zu können. „Komm Yaris bitte, mach den beiden Platz, wir brauchen echt keinen Ärger", bitte ich meinen Bruder und sehe ihn flehend an. Dieser ballt die Fäuste, doch macht den beiden Platz, doch gefallen tut es ihm nicht. Während die beiden Typen sich triumphierend grinsend hinsetzen, nehme ich meinen Bruder an der Hand und ziehe ihn weiter nach hinten in den Bus, wo unsere Eltern sitze. Erst jetzt merke ich, dass uns alle beobachtet haben, doch eingeschritten ist niemand, das ist das Problem. Wir haben alle Angst, auch in Ärger verwickelt zu werden oder die ganze Situation zu verschlimmern, deswegen sagen wir meistens nicht und lassen uns rum schubsen. Die richtige Lösung ist das auf keinen Fall.
„Danke, dass du aufgestanden bist", flüstere ich meinem Bruder zu und lächle in Dankbar an, als wir bei unseren Eltern ankommen. „Was für Deppen", meint mein Pa und verzieht das Gesicht, meine Moma stimmt ihm zu und wollte eigentlich noch etwas sagen, doch da kommt der Bus am
Ratsgebäude an und wir steigen aus.
***03.07.2020 - 751 Wörter
Vor uns erstreckt sich der große Ratsplatz, mit seinen sandfarbenen Platten und an seinem Ende erhebt sich das ebenfalls sandfarbene Ratsgebäude mit seinen Säulen und den beiden riesigen Flügeltüren aus Ebenholz, welche heute beide geöffnet waren. Eine riesige Schlange zog sich über den Platz und wir stellen uns hinten an, jetzt hieß es warten, da es nur zehn Wahlkabinen gibt und das bei der Größe der Einwohnerzahl dauert, mal abgesehen davon, dass sich jeder vorher ausweisen muss und dann abgecheckt wird, ob er eine Waffe dabei hat. Diese dürfen nämlich nicht mit in das Ratsgebäude genommen werden, da dies ein Ort des Friedens ist, im Alltag dürfen Waffen getragen werden, um sich selbst zu verteidigen.
Deshalb werden Tote, vor allem schwarze durch Schießereien meist schon gar nicht mehr in den Nachrichten erwähnt, da es so häufig passiert. Man sieht, das Volk, vor allem das weiße Volk fühlt sich schnell bedroht von jemandem, eigentlich immer von jemand schwarzem und zögert nicht, diesen zu erschießen. Es ist grausam und trotzdem tut niemand etwas dagegen und ich denke, wir hassen uns alle dafür, doch wir schaffen es nicht, unsere Stimme zu erheben, aus Angst, dass uns auch etwas angetan wird.
Nach über zwei Stunden, sind wir in die Eingangshalle des Ratsgebäude vorgerückt. Staunend sehe ich mich um, ich war noch nie zuvor hier gewesen, der Boden ist schwarz weiß gefliest und an den weißen Wänden hängen Bilder von allen Präsidenten Zerikos, dieses wird alle drei Jahre gewählt. Am schönsten ist aber die Decke, sie ist komplett aus Glas und man kann den Himmel sehen.
„Ausweis bitte", schnarrt da eine Stimme und ich reiße mich von dem Anblick des Gebäudes los und reiche dem Polizisten meinen Ausweis, der diese in einen Scannen steckt, kurz wartet und mich dann zu einer Kollegin schickt, die mich nach Waffen absucht. Danach werde ich angewiesen mich in die Schlange zu stellen und zu warten, bis ich in eine der Wahlkabinen vortreten durfte. Nach etwa fünf Minuten bin ich dran und ich nehme mir eins der Wahlhefte und betrete die Kabine.
In diese steht ein Holzstuhl und ein Tisch. Ich setze mich auf den Stuhl, schnappe mir den Kuli, der auf dem Tisch steht und schlage die weiße Vorderseite des Heftes um. Auf der ersten Seite steht ein Text, der mich darüber informiert, dass ich nur einmal wählen kann und auch nur eine Person. Desweiteren werde ich an das Wahlgeheimnis erinnert und dass ich die letzte Seite des Heftes, an der Präparierung abtrennen soll, nachdem ich meine Wahl getätigt habe und das ich das Blatt zweimal falten soll.
Ich blättere wieder um, auf der Linken Seite prangt mir ein Bild von Maximillian Lain, darunter stehen seine Wahlziele. Ich ignoriere diese Seite geflissentliche und schaue dann auf die Rechte Seite, dort ist Taio Abioye abgebildet auch seine Wahlziele sind noch einmal abgedruckt, diese überfliege ich nochmal und sie bestärken mich, ihn zu wählen. Ich blättere rum und schaue auf den Wahlzettel runter, dort sind zwei Kästchen mit den Namen der beiden Kandidaten dahinter. Mit einem Klick fahre ich die Miene des Kugelschreibers auf, atme durch und kreuze Taio Abioyes Namen an. Ich schließe den Kugelschreiber und lächele, ich habe soeben das erste mal gewählt.
An der Präparierung trenne ich das Blatt ab und falte es, wie es am Anfang beschrieben wurde. Dann stehe ich auf und verlasse die Wahlkabine, den Zettel in der Hand. Am Seitenausgang des Ratsgebäudes steht ein großer Glaskasten, in dem sich schon eine große Anzahl an Zetteln befindet. Mit feierlicher Miene werfe ich meinen Zettel dazu und verlasse dann durch die Tür das Gebäude.
*** 04.07.2020 602 Wörter
Wörter insgesamt: 1977
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