Kapitel 10
Wir stolpern hinter meinem Vater durch die Dunkelheit, dieser legt ein beachtliches Tempo vorbei, obgleich er noch den gefesselten Mann vor sich her schieben muss, der sich heftig wehrt, ich hoffe nur, dass Pa nichts dumm macht und ihn niederschlägt oder so.
Mittlerweile haben wir die engen Gassen verlassen und stehen auf einer großer Wiesen, hinter der Stadt. Ein großes Gebilde zeichnet sich ab und beim nähern herankommen kann ich einen Helikopter erkennen. „Was wird das Pa?", frage ich leise und schaue von dem Helikopter zu ihm und wieder zurück. „Erkläre ich später", brummt er und da wird die Tür des Helis schon aufgestoßen. „Oh, ihr habt noch etwas mitgebracht, vielleicht kann er uns irgendwie behilflich sein", höre ich einen Mann sprechen, seine tiefe Stimme erinnert mich an einen tiefen Bass.
Der Mann, der uns angegriffen hat, beginnt sich noch heftiger zu währen, als mein Vater ihm die dazu drängt, in den Helikopter einzusteigen, weshalb der Fremde ihm einfach die Faust an die Schläfe donnert, sodass der Angreifer bewusstlos auf den Boden fällt. „War das wirklich nötig, musstet ihr den Mann wirklich niederschlagen?", wollte meine Moma leise wissen und ich pflichte ihr bei, das war wirklich nötig gewesen, man hätte den Mann sicherlich auch anders in den Heli bekommen, Gewalt ist keine Lösung.
Der Fremde zuckt nur mit den Schultern und bedeutet uns dann mit einer Handbewegung einzusteigen, nachdem Pa und er den Bewusstlosen auf einen Sitz gehievte und festgeschnallt haben.
Wir steigen wortlos ein und Pa nimmt vorne neben dem Fremden platz, der fliegt. Ich umklammre meine Sporttasche,die auf meinen Knien steht, mir ist mulmig zu mute, da ich immer noch nicht weiß, wo wir hingehen. Moma und Kyano geht es genauso, ich kann es in ihren Gesichtern sehen, auch sie würden lieber wissen wo es hingeht, als in völliger Dunkelheit, plötzlich irgendwo hingebracht zu werden.
„Pa, was ist das für eine Nacht und Nebel Aktion, wo geht es hin, kannst du es uns bitte erklären?", verlangt Kyano da zu wissen und er rückt die Kopfhörer zu recht, damit er unseren Vater besser hören kann, sollte er antworten. Erstaunlicherweise klappt Pa sein Headset ebenfalls hinunter und antwortet dann:„ Wir fliegen hinter die Mauer, dort sind einige Leute die schon seit Jahren gegen den Rassismus kämpfen, aber ebenfalls fliehen mussten, weil die Regierung sie bedroht hat, oder einzelne Privatpersonen", erklärte mein Vater, worauf hin ich ein erschrockenes Gesicht mache, denn aus der Aussage meines Vaters schließe ich, dass wir ebenfalls bedroht wurden und Pa nichts gesagt hat, einfach weiter gemacht hat, obgleich er wusste das es dort Leute gab, die ihm deswegen etwas antun wollten.
Den Rest des Fluges verbringen wir in schweigen, mir ist jetzt zwar wohler, weil ich nun weiß, wo es hingeht, doch gleichzeitig erfüllt mich auch Angst, was mich hinter der Mauer erwarten wird, immerhin muss etwas schlimmes sein, weil warum sollte man sonst eine Mauer gebaut haben?
„Wir überlegen jetzt die Mauer", teilt uns der Fremde mit und ich blicke nach unten, um sie mir anzusehen, doch ich sehe nichts. „Wo ist die Mauer?", will ich verwirrt wissen. „Die Mauer gibt es nicht, sie ist lediglich ein hoher Maschendrahtzaun, der oben mit Stacheldraht umwickelt ist, die Mauer ist nur eine Lüge, um Leute davon abzuhalten, nach Amaizinda zu gehen und sich uns anzuschließen, den Leuten, die gegen den Rassismus kämpfen", erklärt er und ich nicke.
***25.07.2020 - 561 Wörter
Wir fliegen vielleicht noch eine halbe Stunde, dann landen wir auf einem hell erleuchteten Platz und wir verlassen den Helikopter. Vor uns erstreckt sich ein langes, aber flaches Gebäude, welches wir durch eine sich selbst öffnende Tür betreten. „Wir bringen ihn in die Krankenstation und wenn er wieder aufwacht, werden wir ihn verhören", meint der Mann, der uns mit dem Helikopter abgeholt hatte und er und Pa nehmen den Bewusstlosen Angreifer wieder hoch und verschwinden um eine Ecke, uns drei lassen die beiden mit unseren Sachen einfach mitten im Gang stehen.
„Hallo ihr drei", sagt da jemand und ich drehe mich überrascht um. Vor mir steht eine groß gewachsene Frau, sie überragt mich bestimmt um zehn Zentimeter und lächelt uns an. Ich mustere sie, das erste was mir auffällt, ist ihre blasse, weiße Haut, sie sieht aus wie ein Vampir und ihre grauen Augen unterstützen dieses Erscheinungsbild. Ihr braunen Haare trägt die junge Frau, vermutlich so um die zwanzig Jahre alt, in einem Pferdeschwanz, dazu schwarze Turnschuhe, eine Jeans und ein graues T-Shirt. „Guten Abend", erwidert meine Mutter höflich und erwidert das Lächeln, ich tue es ihr nach. „Ich werde sie zu unseren Anführern bringen", erklärt sie uns, dreht sich um und geht los und wir folgen ihr. Nachdem wir ein paar mal abgebogen sind, wüsste ich nicht mehr, wo wir hergekommen sind und würde mich auf dem Weg zurück zum Heliport hoffnungslos verlaufen.
Es sind vielleicht sieben Minuten vergangen, als wir vor einer großen, aus dunklem Holz gefertigten Flügeltür ankommen. Die junge Frau klopft zwei Mal an, dann öffnet sie die Tür und bittet uns hinein. Wir stehen in einem großen Raum, in dessen Mitte ein breiter Tisch mit Stühlen steht. An der langen Wand links von uns hängen verschieden Tafeln, alle vollgehängt mit Zetteln und Listen, die kurze Wand am Ende des Raumes besteht nur auf Glas, sodass das leichte Licht des Mondes in den Raum fällt. An der Wand rechts von uns sehe ich ein Whiteboard, der Rest der Wand ist weiß, doch dort läuft ein Film oder so etwas ähnliches, an die Wand geworfen von einem der Beamer. Vor der Wand, an der der Film angespielt wird stehen zwei Menschen, ein schwarzer Mann und eine weiße Frau, sie stehen mit dem Rücken zu uns und tragen die selben Turnschuhe und Jeans wie die Frau, nur ihr T-Shirts sind anders, diese sind schwarz. „Setzt euch einfach kurz an den Tisch, bis die beiden fertig sind ", rät uns die Frau, die uns hergeführt hat und verlässt dann den Raum.
Ich zögere einen Moment, doch dann setzte ich mich neben Kyano, der sich bereits auf einen der Stühle gesetzt hat.
Wir müssen gar nicht warten, die Frau schaltet den Film ab,sobald wir uns gesetzt haben, sodass ich keinen näheren Blick auf diesen werfen kann.
„Wir freuen uns, dass ihr hier seid, auch wenn der Umstand das ihr überhaupt hier sein müsst sehr traurig ist", begrüßt uns der Mann, die beiden haben sich immer noch nicht zu uns umgedreht. Während er spricht klingelt in meinem Kopf etwas, seine Stimme kommt mir so bekannt und so vertraut vor. In diesem Moment, weiß ich auch warum, doch dann wird die breite Flügeltür heftig aufgestoßen und ich zucke zusammen und vergesse wieder, woher ich diesen Mann kenne. „Tut mir leid, war wohl etwas fest", murmelt mein Vater als er den Raum betritt und setzt sich neben meine Mutter, während die Tür laut ins Schloss fällt, nachdem er sie hinter sich wieder zugestoßen hat. „Was hätte ich bei dir anderes erwartet, du warst schon immer etwas tollpatschig", meint der Mann drauf hin und dreht sich um. „Stimmt gar nicht", meint mein Pa, steht dann auf und umarmt den Mann. Ich starre den Mann einfach nur an, es ist Erwaen mein Onkel und in diesem Moment bin ich einfach nur überglücklich und vergesse, dass wir gerade vor der Regierung geflohen sind.
***26.07.2020 - 649 Wörter
Nachdem ich meinen Beinen wieder traue, dass sie mich nach dieser großen Überraschung wieder tragen, stehe ich auf und umarme erst meinen Onkel und dann meine Tante. Dann fällt mir etwas auf, etwas entscheidendes, meine Cousine ist nicht da. Ich will gerade fragen, wo Saavik ist, als sich die große Flügeltür erneut öffnet und eben jene den Raum betritt. Wir rennen uns entgegen und umarmen uns. „Ich bin so froh, dass es euch gut geht", murmele ich. „Ich auch und das mit Yaris tut mir so leid Oryana", antwortet Saavik ebenso leise und ich nicke bloß und versuche den Kloß, der sich in meinem Hals festgesetzt hat, herunter zu schlucken. Es gelingt mir nicht wirklich und deshalb sage ich einfach nichts und betrachte meine Cousine, die ich nun seit einem Jahr das erste Mal wieder sehe.
Saavik sieht mir immer noch zum verwechseln ähnlich, sie ist groß, mit langen Beinen und zierlichen Händen, sowie Füßen. Ihr Haut ist genauso ebenholzfarben wie die meine und ihr schwarzen, langen Haare trägt sie ebenfalls ins Braids, doch etwas unterscheidet uns, ihre Haltung ist immer aufrecht und gerade, selbst wenn sie von jemandem beleidigt und runtergemacht wird. Dafür bewundere ich sie insgeheim, wenn mich jemand beleidigt, ziehe ich immer den Kopf ein und mache mich somit auch noch zu einem leichtern Ziel, doch ich hoffe, dadurch das ich meine Stimme erhoben habe, hat sich auch dies etwas gebessert.
Nachdem meine Eltern und Kyano Saavik ebenfalls begrüßt haben setzten wir uns an den Tisch und ich stelle eine Frage, die ich schon die ganze Zeit stellen wollte:„Als ihr vor einem Jahr verschwunden seid, seid ihr hierher geflohen?" „Ja, das sind wir, ein paar Kollegen im Rat haben herausgefunden, dass ich dokumentiere, wie Schwarze benachteiligt werden und sie wollten verhindern, dass dies an die Öffentlichkeit kommt, weil sie sich vor einem Aufstand fürchten, wie er damals in
Amaizinda passiert ist. Darauf hin haben sie uns bedroht und wir mussten hierher fliehen", erklärte meine Tante, sowie ehemaliges Mitglied im Rat des Landes Zeriko und strich sich eine schwarze Haarsträhne aus ihrem Gesicht, ihr dunkles Haar bildet einen schönen Kontrast zu ihrer weißen Haut. Das war damals auch ein großes Drama gewesen, so erzählte es uns Pa eines Abends, wie wir uns darüber unterhielten, wie meine Moma und Pa sich kennenlernten und auch Darja und Erwaen, als Kyano danach fragte, als mein Onkel beschloss eine weiße Frau zu heiraten. Meine Großeltern waren komplett dagegen, weil sie so viele schlechte Erfahrungen mit weißen Menschen gemacht hatten und sie deswegen davon ausgingen, das Darja ihren Sohn nur ausnutzt oder so etwas. Erst als sie Darja kennenlernten und merkten, das Darja meinen Onkel wirklich liebt, akzeptierten sie diese Bindung.
„Wusstest du davon Pa, wusstest du, wo die drei die ganze Zeit über waren?", wollte ich dann von meinem Vater wissen und schaute ihn fragend an. „Ja, ich wusste es", antwortet dieser leise und schaut mich dabei nicht an. Ich halte den Atmen an und verspüre, was für mich sehr selten ist, Wut. Wut darüber, dass ich mir über ein Jahr lang, jeden Tag Sorgen um meine Cousine und ihre Familie gemacht habe, obgleich mein Pa gewusst hat, dass es ihnen gut geht. Ich merke, wie mein Vater mich flehend anschaut, doch ich bringe es nicht über mich, ihn anzuschauen, zu tief sitzt in diesem Moment die Wut und die Enttäuschung in mir, dass er uns nichts gesagt.
***27.07.2020 - 567 Wörter
Insgesamt:1.777 Wörter
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