Kapitel 16
„Beeilt euch, alle warten schon bei den Mauern auf euch. Die ersten Griewer sind gerade dabei, die Lichtung zu betreten, ihr Neppdeppen!" Minho sieht uns nicht noch ein weiteres Mal an, er kehrt uns einfach den Rücken zu und verschwindet wieder zwischen den Bäumen, auf dem Weg zu dem Nordtor, bei dem, laut ihm, ja schließlich alle warten. Newt neben mir steht schnell auf und reicht mir seine Hand, um mir aufzuhelfen. An das, was gerade eben geschehen oder nicht geschehen ist, verliert er kein Wort, als hätte es überhaupt nicht stattgefunden. Doch mich beschäftigt es, sehr sogar. Würde ich durchdrehen, wenn ich sagen würde, dass es mir so vorkam, dass er mich küssen wollte? Ich hatte einfach in seine Augen gesehen und erkannt, dass etwas anders war und dass er an mich gedacht hat. Und dann seine Körpersprache, die für mich eindeutig darauf hingewiesen hat, dass er etwas bezwecken wollte. Ich habe es mir so sehr gewünscht, es ging zwar alles so schnell, dass ich es nicht wirklich registrieren konnte, aber ich wollte ihn küssen und ich will es noch immer. Es war, als würden meine Träume wahr werden. Ich hoffe, dass er es irgendwann auch wirklich tun wird und er nicht einfach gerade nur auf anere Gedanken kommen wollte und nun alles, was er getan hat, bereut. Ich fühle mich wie in einem brodelnden Vulkan, als würde mein ganzer Körper erhitzt sein. Ich habe noch gar nicht wirklich Zeit gehab, Angst zu haben, vor den Griewern, die sich wohl schon auf der Lichtung befinden. Als Newt und ich aus dem Wald auf die Lichtung treten und das Nordtor ansteuern, vor dem ich die Lichter mit so viel bepackt, was sie tragen können, stehen sehe, gleitet mein Blick automatisch nach links und rechts. Da seh ich sie: Riesige, spinnenartige Kreaturen, die einige Meter groß sind. Sie scheinen aus Teilen von Maschinen zu bestehen und zerstören momentan alles, was sich ihnen im Weg befindet, das Gehöft ist zum Beispiel momentan ihr Ziel. Ich sehe, wie das braune Gebäude unter ihrer Attacke zu Boden geht und sie dann den Blick auf die Lichter richten. Oh nein! Sie fangen an, auf sie zuzulaufen, die Beine von ihnen schrabben über den Boden und jagen mir bei jedem ihrer Schritte einen Schauer über den Rücken. Ich kann das nicht mit ansehen. „Lauft!", brüllt Newt und, wie als wenn seine Worte die Licher aus der Trance holen, fangen sie an, loszurennen, in den unendlichen Weiten des Labyrinthes zu verschwinden, während Newt und ich vor Angst keuchend auf den Fleck zurennen, wo sie sich noch vor wenigen Sekunden befunden haben. Wir müssen vor den Griewern am Tor sein und dann versuchen, den Abstand zu den anderen möglichst gering zu halten oder sie womöglich noch aufholen denn sonst sind wir geliefert. Ich hoffe wenigstens, dass die Griewer schnell und tödlich vorgehen würden und uns nicht lange leiden lassen würden, denn davor habe ich am meisten Angst. „Komm schon, May, wir schaffen das!", höre ich Newts keuchende Motivationsversuche neben mir, als wir nun kurz vor dem Tor sind, die Griewer aber ebenalls direkt hinter uns her sind mein Herz schlägt mir bis zum Hals, solch eine Angst habe ich, dass ich stolpern könnte, denn dann wäre es vorbei, endgültig. Aber wovor ich noch mehr Angst habe, was ich aber niemals laut sagen würde, ist, dass ich solche Angst um Newt habe, dass ihm etwas passiert. Ohne ihn würde ich das alles einfach nicht verkraften. Ich muss etwas gestehen, denn ich kann es nicht länger leugnen: Ich liebe ihn!
Wir sind so schnell gerannt, wie wir konnten und sind somit noch immer dicht mit den Griewern auf den Fersen am Fliehen durch das Labyrinth. Newt hat die Führung übernommen, er biegt ständig in irgendeine Richtung ab, von der ich nicht weiß, ob er sie zufällig wählt oder ob er weiß, was er da tut. Er ist der zweite Anführer, eigentlich dürfte er das Labyrinth nicht betreten. Was ich auch noch bemerke, während wir beide auf der Flucht vor den Griewern sind, ist, dass Newt humpelt. Man sieht es nicht stark, aber es ist dennoch zu erkennen. Warum humpelt er? Was ist denn passiert? Keuchend lasse ich meinen Blick über die immer gleichbleibenden grauen Steinwände gleiten, die bis über 20 Meter in die Höhe ragen, so weit, dass man niemals nach oben klettern kann. Es befinden sich zwar ein paar Efeuranken auf ihnen, doch sie sehen nicht stabil genug aus, um einen Menschen zu halten und außerdem denke ich nicht, dass sie bis nach ganz oben reichen, wie es von hier aussieht. Unsere dumpfen Schritte hallen auf dem Boden wider. Als Newt auf einmal abrupt stehen bleibt und ich beinahe in ihn hineinrenne. Er soll gefälligst weiterrennen, bevor die Griewer uns einholen. Doch er legt seine Hand nur auf ein paar Efeuranken, die er ein Stück zur Seite schiebt. Das, was ich erkennen kann, ist, dass sich die komplette Dunkelheit in einer Öffnung dahinter befindet, deren Bekanntschafft ich nicht gerade gewillt bin, zu machen. „Die anderen sind hier rein, also komm." Newt gibt mir keine wirklich Zeit, zu reagieren oder zu antworten, denn er packt mich einfach am Handgelenk um zieht mich in die Dunkelheit, die uns zu verschlingen droht. Was soll das denn, verflixt?! Ich hoffe wenigsten, dass wir durch diesen Spalt vor den Griewern gechützt sind und sie vorbeiziehen werden. Aber hier sind die anderen Lichter doch gar nicht, was hat er denn bitte erzählt. Hat er das nur erfunden damit ich keine Fragen stelle und ihm folge? Was wird denn nun passieren? Wo bin ich? Und vor allem: Sind wir nun den Griewern entkommen? Als ich nach einigen weiteren Sekunden das Schaben der Griewer höre, die an uns vorbeiziehen, ist es, wie als wenn mir ein Stein vom Herzen fallen würde. Für den ersten Moment sind wir hier sicher, hier kommen sie nicht hinein. Vielleicht suchen sie ja woanders nach uns! „Diese Mauer war schon immer anders als alle anderen und Minho hat uns schon vor etwa einem Jahr berichtet, dass er hier eine Geheimtür vermutet. Bevor du fragst: Nein, ich wusste nicht, dass sie offen ist und habe einfach nur gehofft und ja, wenn sie nicht offen gewesen wäre, dann wären wir höchstwahrscheinlich jetzt nicht mehr am Leben, doch ich hatte keine andere Wahl. Wir müssen die anderen suchen. Es muss hier wohl auch noch weitergehen." Der Gedanke, dass Minho alle anderen wohl auch hier hergeführt haben muss, beruhigt mich wenigstens ein bisschen. Nun müssen wir sie nur noch finden.
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