Für mich ist er Stalker.
Der Gesichtsausdruck dieses Typen war mir nicht ganz geheuer. Es gab Leute, die wirklich furchteinflößender waren, auch Leorio, aber Verrückten und Geistesgestörten sollte man doch lieber aus dem Weg gehen und sich nicht mit denen anlegen. Bei denen wusste man nie, wozu sie fähig waren.
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"Hier ist deine Quizfrage: Deine Mutter und deine Geliebte wurden beide von Schurken gefangen genommen und du kannst nur eine von beiden retten. Eins, deine Mutter; zwei, deine Geliebte. Also, welche von beiden rettest du?"
Während die Alte die Quizfrage stellte, lief es mir in kleinen Schauern über den Rücken. Es war natürlich nur eine Frage, aber es war schwer, sich für einen zu entscheiden, wenn man beide Parteien liebte und unter keinen Umständen verlieren wollte.
"Was ist denn das für eine Frage?", Leorio's Stimme erklang zwar hinter mir, doch erkannte ich sein Gefühlsleben aus der Stimme hinaus. Er war merklich verwirrt.
Natürlich lasse ich niemals eine Gelegenheit sausen, mich über jemanden lustig zu machen, doch war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für ein solches Unterfangen.
Bevor jemand etwas erwidern konnte, erklang schon das Geräusch des Buzzers. Es waren sicherlich noch keine zwei Sekunden vergangen, seit die Frau die Frage gestellt hatte. Seine Entscheidung musste leichtfertig sein; vielleicht sogar falsch.
"Die Antwort ist eins."
Ich beobachtete den Kerl eine selbstgefällige Pose einnehmen. Eins war doch die Mutter, oder? Aber warum sollte man denn seine Geliebte zurücklassen? Bei einem Kerl wie ihm hätte ich ja eher gedacht, dass er seine Geliebte nehmen würde, nicht seine Mutter.
"Ohoho. Und wie kommst du darauf?", die alte Frau starrte ihn aus kleinen Augen an. Vielleicht prüfte sie ja nur die Psyche ihrer Kandidaten, nicht die Qualität ihrer Antworten. Schließlich entschied jeder anders und es hing alles von deren psychischen Verfassung ab.
"Naja, weil man seine Mutter nicht ersetzen kann; eine Geliebte kann man sich einfach immer wieder suchen." Tatsächlich behielt dieser Dämel recht. Nur war das einzig die oberflächliche Entscheidung, denn wenn man seine Geliebte wirklich begehrte, dann würde man doch sicher anders entscheiden; zumindest etwas mehr darüber nachdenken, oder?
"Aber... objektiv hat er ja recht", murmelte ich vor mich hin. Es war so, da konnte niemand etwas anderes behaupten. Vielleicht hätte ich ja auch so entschieden, wenn diese Frage an mich gegangen wäre; wer wusste das denn im Nachhinein so genau?
"Was?" Sprach er etwa mit mir? Nervös wandte ich mich an Leorio, der da ziemlich aufgebracht stand. Zu meiner Erleichterung jedoch, meinte er nicht mich. Er starrte auf den Rücken des Fremden und hatte mir vermutlich nicht einmal zugehört.
Das Krähen des Rabens auf dem Arm der blauhaarigen, in weiß gehüllten Gestalt, zog die Aufmerksamkeit zurück zu der alten Dame: "Geh durch." Sie wies mit dem Finger an dem hölzernen Karren vorbei.
"Wie bitte, was?" Leorios aufgebrachte Stimme ließ mich zusammenfahren. Was war er denn so wütend? Wir würden auch durchkommen; das stand doch außer Frage.
"Bei sowas muss man einfach die Antwort nehmen, die der Alten besser gefällt. Macht's gut", noch während dieser bescheuerte Stalker -eigentlich war er ja keiner, aber er war uns vom Hafen aus gefolgt, somit war er für mich ein Stalker- mit uns redete, fing er an seinen Weg fortzusetzen.
Neben meinem gedanklichen Wutausbruch, hatte Leorio einen den er -mal wieder- laut heraus brüllen musste: "Hey du! Mach ja keine Witze! Das kann doch nicht die richtige Antwort sein! Soll das etwa heißen, wir müssen einfach nur eine Antwort geben, die der Alten gefällt und das ist dann korrekt? Hey, sag doch was!"
Der letzte Satz war wohl an die Alte gerichtet, doch diese blieb stumm und ihm antwortete stattdessen der Rabe mit einem lauten Krähen.
"Für so einen Unsinn hab ich weder Zeit, noch Nerven! Ich such mir einen anderen Weg." Wieso wollte dieser alte Sack immer einen anderen Weg gehen? Der war doch geistlich nicht mehr bei Trost! Er hätte ja den verdammten Bus nach Saban City nehmen können! Wieso hatte er das denn nicht getan, wenn ihm das hier zu blöd war?
"Dafür ist es bereits zu spät. Wenn du diese Quizfrage nicht beantwortest, wirst du unverzüglich disqualifiziert", meinte die Frau, auf sein Verhalten hin, eher sachlich und nüchtern.
"Mach keine Witze!", wie Leorio so war, fuchtelte er wieder mit den Armen herum und wies schließlich mit einem Finger auf das arme Mütterchen: "Diese Frage wird doch jeder Mensch anders beantworten! Das kann man doch nicht einfach als richtig oder falsch deklarieren!"
"Heh? Man kann es nicht deklarieren... Verstehe", trotz der Tatsache, dass Kurapika flüsterte, bekam ich seine Worte mit. Was meinte er? Was verstand er denn? Ja, man konnte nicht einfach sagen, dass es für alle eine einheitliche Antwort gab; auch keine, die einfach ein einzelner Mensch, wie diese alte Frau, festlegen konnte und danach bewerten. Es gab keine Chance, eine Antwort zu finden, mit der jeder zufrieden war. Dieses ganze Quiz war eine Auslegungssache.
Nur was gab es denn jetzt daran zu verstehen? Die Lösung war individuell, also gab es keine Garantie, dass einer von uns so dachte, wie die alte Schrulle. Es lag doch an ihrer Laune, ob sie uns schlussendlich durchlassen würde oder nicht.
"Leorio!" Blitzschnell flog Kurapikas Kopf in Leorios Richtung. Wollte Kurapika dem Knacker jetzt endlich die Augen öffnen?
"Halt, Stopp!" Die alte Frau schritt dazwischen. Wieso hielt sie uns auf? Wollte sie, dass wir eine falsche Antwort gaben?
"Ihr dürft kein weiteres Wort miteinander sprechen. Unterhaltet ihr euch dennoch, werdet ihr disqualifiziert." Diese Prüferin, oder was auch immer sie war, war schrecklich. Wie sollte ich denn jetzt die richtige Antwort wissen? Sie hatte ja noch nicht einmal eine Frage gestellt!
In der realen Welt gab es doch immer Zeit zum beraten der Teams, wieso hierbei nicht? Das war nicht fair; selbst nicht für diese Welt!
Hinter mir hörte ich Leorio knurren. Er dachte wohl nach; vermutete ich zumindest. Wieso sollte der Typ denn sonst auch knurren? Hier war ja weder ein Feind -außer die alte Frau, aber die zählte nicht, denn mit der würde selbst ich fertig werden; dazu war sie auch keine echte Bedrohung-, noch war er ein Hund. Vielleicht fühlte er sich im tiefsten Inneren, wie ein räudiger Straßenköter, aber war er denoch keiner.
"Ich stelle euch nun die Frage", meinte das Mütterchen dann plötzlich in die große Stille hinein. Am Abschluss ihres Satzes ertönte diese mini-Hupe und der Rabe.
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