Scarlett ~ Teetasse
Meine Schritte hallten durch den langen Eingangsflur der Avengers-Basis.
Die Wände waren halbhoch hellgrau gefliest, dann weiß verputzt – Gramps Einfluss war hier stark zu bemerken, er achtete immer auf einen eleganten Stil.
Sehnsüchtig schweifte mein Blick zur kurzen Treppe, die links vom Flur abging und zur Kältekammer führte, doch die Nachricht meines Großvaters war deutlich gewesen.
Und Nachrichten von Tony Stark ignorierte man nicht einfach.
Nachdem mein Cousin Hals über Kopf im beunruhigend stotternden Auto geflohen war, hatte ich schon gedacht, per Anhalter zur Schule zurückfinden zu müssen. Dann war aber ungefähr zwei Kilometer vom jetzt gefrorenen Getreidefeld plötzlich ein Quinjet über mir aufgetaucht, mit der eindeutigen Botschaft FRIDAYs: „Ich erwarte dich."
Hochdramatisch.
Stark.
Aber natürlich gab es nur einen Ort, der hier in Frage kam, und deswegen lenkten meine Schritte mich jetzt zum Gemeinschaftsraum.
Kaum war die automatische Schiebetür zurückgefahren, fiel mein Blick auf Gramps, der irgendetwas auf seinem Starkphone tippte und erst aufsah, als er meine Schritte wahrnahm. Er trug eine einfache schwarze Hose und einen gemütlichen, olivgrünen Pullover – wäre der funkelnde Blick nicht gewesen, hätte man fast meinen können, einen normalen Großvater vor sich zu haben.
Kurz starrten wir uns schweigend an, und ich blieb stehen, die Hände in den hinteren Hosentaschen.
„Was soll das denn?", fragte ich und nickte zur quietschbunten Teetasse auf dem niedrigen Glastisch, die so gar nicht ins Stark-Gesamtbild passen wollte.
Gramps unterbrach unseren Blickkontakt nicht einmal, als er eine Schulter zuckte: „Die hat Steve hier stehenlassen. Hat sich wohl endlich an die Haushaltsroboter gewöhnt... War mal nötig, so nach dreißig Jahren."
Langsam ließ ich mich auf der Couch gegenüber von ihm nieder, blieb aber angespannt aufrecht sitzen. „Steve war hier?"
„Jap, wir hatten eine Besprechung. So von Opa zu Opa." Gramps' Mundwinkel zuckten, und auch ich erzwang etwas wie ein Lächeln. Mein Großvater nahm es glücklicherweise mit Humor, dass der „alte Mann" nun ganz eindeutig jünger aussah als er selbst.
Gramps seufzte leise bei meinem Anblick, und ich schoss ihm einen herausfordernden Seitenblick zu. Als danach immer noch nichts kam, fuhr ich mir resignierend durch die Haare und fragte das Unausweichliche: „Wo sind meine Eltern?"
Ich würde mit den beiden reden müssen, wenn ich zu Hunter wollte. Und danach natürlich mit Gramps, damit er die Kälteregelung unauffällig in eine Tarnung einbaute, aber zuerst brauchte ich die Rahmeninfos von Mom.
Gramps Augenbrauen jedoch wanderten in die Höhe: „Sie sind nicht hier."
„Das sehe ich", zischte ich, „Sonst hätte ich nicht gefragt."
Sobald der Satz heraus war, krampften sich meine Finger um meinen Gürtel, wo sie gegen das beruhigende Metall meines Dolches stießen. Das hätte ich nicht sagen sollen...
Gramps warme Augen funkelten jetzt warnend, und er holte tief Luft. Ich erwartete eine Standpauke, doch das einzige Wort, das er herausbrachte, war „Scarlett".
Ich presste die Lippe aufeinander und atmete durch, dann sah ich ihn wieder an.
„Sie sind für ein paar Tage nach Wakanda gefahren", gab Gramps jetzt endlich Auskunft, und in dem Moment war es mit meiner Ruhe vorbei.
Seine Worte fuhren wie ein Sturm durch mich, und ich sprang auf: „Bitte was?! Sie machen Urlaub während ihr Sohn sein Leben für sie riskiert? Was soll das?"
Gramps hob zum Sprechen an, doch ich knurrte nur eiskalt. Innerlich bebte ich, und mein Herz pumpte kaltes Blut viel zu schnell durch meine Venen.
Mein Großvater zuckte zusammen, als die Teetasse klirrend auseinandersprang. Eis- und Porzellansplitter verteilten sich auf dem gläsernen Tisch und gaben ein groteskes Bild ab, für das jedoch keiner von uns gerade einen Blick übrighatte.
„Es reicht", sagte er ruhig und stand nun auch auf, „Deinem Bruder geht es gut, er kommt klar."
Stünde nicht der Tisch zwischen uns, hätte ich ihn jetzt angesprungen. So bildete mein schneller Atem nur Wolken, die meine Sicht verklärten – zusätzlich zu den Tränen, die in mir hochkochten, die aber auf meinen Wangen sofort gefroren.
„Kommt er nicht", protestierte ich schwach, mit einer Stimme, die gezittert hätte – wäre sie nicht vom Frost erstarrt gewesen.
Gramps Gestalt bewegte sich um den Tisch herum, direkt vor mir zum Stehen kommend. Er legte seine warmen Hände an meine Wangen, und der Temperaturkontrast ließ mich zusammenzucken. Normalerweise wäre ich der Wärme ausgewichen, aber in diesem Moment wirkte sie geradezu... lindernd.
„Du bist es, die allein nicht klarkommt", sagte Gramps sanft, und meine Sicht klärte sich langsam wieder.
„Aber du bist nicht allein, Scar, hörst du? Du hast eine der größten, stärksten Familien überhaupt. Du kannst dich auf sie verlassen – du darfst fallen, weil sie dich auffangen wird." Er zog mich an seine Brust, und seine kräftige Gestalt hielt mich sicher. Sogar das Alter hatte Respekt vor ihm.
„Diese Familie ist nicht stark", murmelte ich dennoch mit heiserer Stimme, „Sie wurde gebrochen."
Sanft strich mein Großvater mir über den Rücken, doch ich konnte durch den weichen Stoff sein Herz spüren, das einen Schlag ausgesetzt hatte. „Es gibt hier zu viele Stricke, als dass alle reißen könnten. Du bist sicher." In seine Stimme schlich sich ein hörbares Lächeln. „Außerdem, wer spricht denn hier vom körperlichen Stark? Das ultimative, starktastische Stark ist sowieso viel besser."
Wider Willen zuckten meine Mundwinkel, und die Luft im Gemeinschaftsraum nahm wieder eine normale Temperatur an. Tief durchatmend trat ich einen Schritt zurück, mich aus der engen Lücke zwischen Sofa und Tisch herausbegebend. Ich fühlte mich schon fast wie Hulk in blau... Naja, ich hatte nicht sonderlich viel dagegen, blau und grün waren sehr schöne Farben. Vor allem in Kombination.
Ich zog kurz eine Grimasse, weil mein Hirn wieder einmal dazu tendierte, sich auf Kleinigkeiten zu stürzen, wenn es mit dem Großen und Ganzen nicht klarkam.
Gramps schlug mir sanft auf die Schulter und murmelte abschließend: „Ich arbeite dran. Jetzt ist es noch zu riskant, jemand weiteren einzuschleusen, aber sobald sich die Situation beruhigt hat..." Er nickte mir zu und zog dann wieder sein Starkphone, sich auf die Couch fallen lassend. Dabei verzog er kurz das Gesicht – er war eben doch nicht mehr der Jüngste –, doch seine Stimme war klar, als er mich anwies: „Und jetzt verschwinde auf dein Zimmer. Ich schreib dir 'ne Entschuldigung, aber kein Blaumachen mehr diese Woche, Fräulein!"
Wow. Mein Großvater war vermutlich der einzige Mensch, der mir in einem einzigen Satz klarmachen konnte, dass ich mich zusammenreißen sollte trotz der Umstände, er aber Verständnis dafür hatte, wie schwierig die Zeiten für mich waren und dass ich ganz brav zur Schule gehen sollte, um den Schein zu wahren.
Der tiefere Sinn seiner Worte hallte aber in meinem Kopf wider, noch als ich durch das helle Treppenhaus mit den riesigen Fensterfronten lief. Wirklich steuern konnte ich es nicht, ob ich blau wurde oder nicht, doch ich hatte auch nie die Notwendigkeit gesehen, darüber die Kontrolle zu haben. Die Kälte war ein Teil von mir... Na ganz toll, jetzt fühlte ich mich wie Elsa aus Frozen. Aber ich war keine Königin – aus einem Disneyfilm wäre ich vermutlich eher die Hexe gewesen, die in ihrem Kämmerchen böse Pläne ausheckte, als einzige Gesellschaft eine schwarze Katze, deren grüner Blick bis auf den Grund meiner Seele blickte.
***
So... ich erwarte nun eine Menge an Katzemojis seitens des Seymour-Fanclubs. Es tut mir leid, dass er nur wenig vorkommt, aber anfangs war er überhaupt nicht eingeplant - ich hab ihn natürlich doch hinzugefügt, denn er ist der König. (Eigentlich aus reinem Überlebenstrieb.)😉
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