Scarlett ~ Stoppelfeld

Meine Haare flogen im Wind, der durch die heruntergelassenen Fenster pfiff. Obwohl die Luft warm war, brachte sie allein dank der Geschwindigkeit eine willkommene Abkühlung, und ich streckte meine rechte Hand nach draußen. Tja, wenn man mit vierzig zu viel über eine Seitenstraße des Highways Richtung Long Island hetzte, konnten einem durchaus die Ohren heulen und Finger zittern – wenn man nicht gerade die Tochter eines Frostriesen war.

Wider Willen erschien ein Grinsen auf meinem Gesicht, innerlich zugestehend, dass T'Chadas Idee gar nicht so dämlich wie gewohnterweise war. Doch die positiven Gefühle gegenüber meines Cousins verschwanden auch genauso plötzlich, wie sie gekommen waren – mit einem heftigen Rucken hämmerte er seinen Fuß auf die Bremse und riss das Steuer herum. Mein Oberkörper flog nach vorn, der Gurt schnitt hart in die nackte Haut meiner Oberarme und mein Kopf wäre mit der Schreibe kollidiert, hätte ich sie nicht heruntergefahren gehabt. Vom Staub, den die Räder des Audis jetzt hier im Feldweg aufwirbelten, musste ich heftig husten, und ich zog meine Augenbrauen zusammen.

„Deinen Führerschein hast du aber auch bei der Tombola gewonnen", fauchte ich meinen Cousin an, der das Auto in Richtung des Waldrandes weiter vorn langsam ausrollen ließ. Links und rechts von uns waren weit und breit nur Getreidefelder, deren gelbe Halme sich sanft in der Brise wiegten. Als ich einen scharfen Blick Richtung T'Chada warf, musste ich unwillig erkennen, dass das Licht seine Haut in einem sanften Goldton schimmern ließ, wodurch er viel harmloser aussah, als er eigentlich war.

„Wer sagt, dass ich einen Führerschein habe?", entblößte er seine perlweißen Zähne in diesem so verhassten Grinsen, worauf ich ihn nur anknurrte. Das Lachen, das daraufhin aus seinem Brustkorb brach, war seltsam tief und wild – er vertrat nur zu gern seinen Titel als Löwen. „Weder wir noch das Auto haben einen längerfristigen Schaden bekommen. Also, abgesehen von dir... Aber dein Schaden war vorher schon da."
„Deine Beleidigungen waren auch schon mal besser", hatte ich dafür nur übrig, während ich nebenbei schon die Autotür aufdrückte.
„Deine Konter waren auch schon mal hitziger, Kit Cool", musste T'Chada natürlich das letzte Wort haben und stemmte sich dann vom Fahrersitz hoch.

Nach einem kritischen Blick in die Vormittagssonne schnappte ich mir Peggys abgedunkelte Pilotenbrille und schwang meine Beine dann ebenfalls aus dem Audi. Meine Turnschuhe hatte ich irgendwo zwischen Queens und Staten Island abgestreift, und die erstaunlich kühlen Stoppelhalme kitzelten meine nackten Sohlen. Hier auf den Weg, dessen Boden im Schatten der Getreideähren rechts und links von uns lag, kam kein Lichtstrahl, was mich ungemein erleichterte.
Als ich aufgestanden war, lehnte T'Chada schon ganz cool gegen die Motorhaube, gelangweilt seine im Sonnenlicht blitzenden Klauen betrachtend.
Skeptisch schweifte mein Blick kurz zu den lackschwarzen Mordwaffen, dann zog ich die Augenbrauen in Richtung meines Cousins hoch.

„Was denn, glaubst du, ich lasse dich in deinem Anzug im Vorteil? Ich vertraue dir kein Stück, Cousinchen." Herausfordernd, aber mit einem provokanten Funkeln in den Augen, reckte er mir sein Kinn entgegen.
Davon wenig beeindruckt streckte ich mich erst einmal ausgiebig in der angenehmen Brise, die zwar durch den dünnen Anzug meine Haut nicht erreichte, aber trotzdem etwas Erleichterung schaffte. „Gegenüber mir hast du auch mit überlangen Fingernägeln keinen Vorteil, Mieze."

Meine Mundwinkel zuckten triumphierend, als seine Nasenflügel sich blähten und er sich drohend vom Auto abstieß, katzengleich auf mich zu schleichend. „Willst du mich herausfordern, Coolie?"
„Ich wüsste nicht, wo da die Herausforderung liegt. Aber, nur zu, Blacky."

Wir musterten uns gegenseitig – standen wie Spiegel voreinander. Leicht geduckte Haltung, aber die Köpfe hoch erhoben, mit funkelnden Augen und provokantem Blick. Es war völlig still hier geworden bis auf die Grillen, die ungesehen in den Feldern zirpten – selbst andere Autos schnellten zu dieser Zeit höchstens über den Highway weiter westlich.
Ich war elektrisiert, atmete aber ruhig: Insgeheim wollte T'Chada mich nicht angreifen, und ich ihn genauso wenig. Wir beide wussten das.
Doch Black Lion und Kit Cool waren zwei Charaktere, die niemals voreinander zurücksteckten. Niemand von uns würde einen Rückzieher machen – auch das wusste wir beide.
Der einzige Unterschied: Ich realisierte es einen Moment vor meinem Cousin.

Innerhalb von Millisekunden hatte ich meinen Dolch gezogen und den geringen Abstand zu T'Chada überwunden, zu einem hinterhältigen Stich in seine Rippen ansetzend.
Doch der Black Lion reagierte schnell, sprang zurück – stieß sich am Auto ab und kam wieder auf mich zugeflogen.

Fluchend duckte ich mich unter seiner rechten Klaue durch und ließ meine Dolchhand zurückschnellend, ihn mit dem Knauf an der Schulter treffend. Doch nach einer blitzschnellen Drehung T'Chadas war ich viel zu dicht an ihn herangekommen, um ihn verletzen zu können – stattdessen erwischte er mich an den unteren Rippen, wo er meinen Anzug zerfetzte.

„Idiot", zischte ich, als ich zurückwich, mich nicht darum kümmernd, ob er es gehört hatte.
Bis auf meine Haut waren seine Krallen nicht gekommen, aber eines hatte er immerhin aufgebrochen: Meinen Ehrgeiz.
„Dumme Idee, Blacky", knurrte ich.

Die warme Sommerluft knisterte, als die Temperatur um mich herum plötzlich rapide fiel. Mein Anzug kühlte nun auf Minusgrade herunter, und meine blitzenden Augen richteten ihren Fokus auf T'Chada. Dessen Blick aber war fest auf meine Taille gerichtet, wo unter dem zerstörten Anzug die eisblaue Haut hervorblitzte.
„Angst, Udaku?"
„In deinen Träumen, Potter", grinste er, sich sofort wieder im Griff habend.

Mit einem plötzlichen Sprung schnellte ich vor, duckte mich unter seinen Krallen hindurch und zog meinen Dolch über seinen Rücken, was ihm dank seines schwarzen Hoodies aber kaum einen Kratzer bescherte. Dann aber wurde alle Luft aus mir herausgepresst, als T'Chada sich nach hinten stieß und mich zwischen sich und dem Audi einklemmte, der heftig schepperte und vermutlich nicht allzu glücklich war über unsere Aktion. Sofort wieder bei der Sache griff ich kurzerhand nach oben und erwischte mit meiner freien Linken T'Chadas Kiefer. Sofort alle Konzentration in meinen Unterarm lenkend, zog sich von dort aus eine klirrende Kälte über die erhitzte Haut meines Cousins – ein tödlicher Frost.

T'Chada aber, vor mir schwer atmend, schlug mit seiner rechten Klaue nach hinten und erwischte mich an der Wange – wo das Blut zwar sofort gefror, aber in dem Moment, in dem der Schmerz heiß durch meinen Körper zuckte, konnte mein Cousin sich befreien.
Er brachte Abstand zwischen uns, wir beide schwer atmend, und ich stieß mich vom Auto ab – allerdings nur, um auf der freien Fläche des Stoppelfelds wieder zum Stillstand zu kommen.

Die Sonne war blasser geworden, aber das lag vielleicht auch an dem Staub, den wir beide aufgewirbelt hatten.
In dem Dunst sah T'Chadas dunkle Gestalt seinem Vater unglaublich ähnlich, katzengleich, wie er dastand – die Krallen noch ausgefahren.
Ich richtete mich auf, die Schultern zurück und das Kinn vorgereckt. Noch war keine Entscheidung gefallen, aber der Black Lion machte keine Anstalten, wieder auf mich loszugehen.
„Verschnaufpause, Blacky?", lockte ich ihn, jetzt wieder mit einer Spur Wärme in der Stimme, „Ich dachte, Löwen haben ein so starkes Herz?"
„Und schlafen eigentlich zwanzig Stunden am Tag... hättest mal lieber Bio wählen sollen, dann wäre dein Wissen nicht ganz so erbärmlich", schoss er halbherzig zurück, das Zittern nur mit Mühe aus seiner Stimme bannend.

Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. „Warum genau hast du dich heute so... nett?"
T'Chadas Kopf ruckte hoch, seine Augen fuhren unruhig an mir auf und ab. Es dauerte kurz, ehe er sich wieder im Griff hatte: „Du hast doch 'ne Wahrnehmungsstörung, Coolie. Ich habe dich gerade zum Bluten gebracht."
Dazu gab ich keinen Kommentar ab, sondern verschränkte einfach abwartend die Arme. Mein Dolch verschwand dabei im dazugehörenden Gürtel, weswegen ich die Kälte um mich herum noch intensivierte. T'Chada sollte nicht glauben, ich würde aufgeben.

Für einen Moment sah ich so etwas wie Unsicherheit in seinem Blick aufblitzen, dann reckte er die Schultern zurück und fauchte leise – ein Geräusch, das ich ohne meinen Anzug nie gehört hätte. „Jemals Hamlet gelesen?", entblößte er seine weiß blitzenden Zähne, „Man nennt es auch Mausefalle. Und auch Kit Cools Eismauern sind meiner Hitze erlegen."
Dazu hatte ich nur einen mitleidigen Blick beizusteuern, und erneut eine hochgezogene Augenbraue. „Versuch es gar nicht erst. Mein Bruder hat den Titel des heißesten Hoodwinks unter Sonne und Mond und allen anderen Himmelskörpern schon für sich beansprucht."

Der Ausdruck in T'Chadas Augen wurde jetzt undefinierbar, und meine Finger wanderten wieder zum Dolchgriff. Mein Cousin trat einen winzigen Schritt auf mich zu und knurrte: „Blöd nur, dass wir seit sechs Stunden nichts mehr von deinem geliebten Bruder gehört haben. Vielleicht ist der Platz des heißesten Watchers gerade frei geworden."

Es wurde kalt.

***

Irgendwie mag ich dieses Kapitel echt gern. Scar und Chad ist vermutlich meine Lieblingskombination von den Watchers... Sie bieten einfach so viele Steilvorlagen.😉

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