Scarlett ~ Starkphone
Sobald ich den Gemeinschaftsraum betreten hatte, erstarrte ich.
Dad war Mom retten gegangen – das Mehl war leider doch kein Schnee gewesen – und ich hatte meinen Bruder gesucht, aber... nun, ich bereute, ihn gefunden zu haben.
Hunter warf mir einen entschuldigenden Blick zu, als sein Sitznachbar mit einem halben Grinsen die Augenbrauen hochzog: „Hey, Scar. Dein Anblick ist sehenswerter als der deines Bruders, nachdem ich ihn vor dem Backdesaster gerettet habe."
„Kann ich nicht erwidern, T'Chada", meinte ich kühl.
„Hm-hm, ich habe nichts Anderes erwartet."
Ich ließ mich nicht dazu herab, nach dem Grund seines Besuchs zu fragen, und schmiss mich neben Hun auf das Ledersofa. „Wann gehst du wieder?", stellte ich die wichtigere Frage, ohne meinen Cousin anzublicken. Stattdessen lehnte ich meinen Kopf an Huns Schulter, der seinen Arm über die Lehne gelegt hatte, und hörte meinen Bruder kaum wahrnehmbar seufzen. Er hielt unsere Wortgefechte – die manchmal nicht nur mit Worten ausgetragen wurden – für genauso sinnlos, wie sie eigentlich auch waren, aber keiner von uns würde den ersten Schritt machen, sie zu beenden.
Ich warf einen knappen Seitenblick auf Wakandas Thronfolger, als dessen Antwort auf sich warten ließ. Der betrachtete nur gelangweilt seine Finger und zuckte die Schultern: „In 'nem dreiviertel Jahr oder so."
Schon klar.
Wie er mich ankotzte.
Wir schwiegen uns gegenseitig an, bis die ältere Generation den Raum betrat.
Vermutlich hatte Hunter T'Chada einen Einlauf verpasst, weil Wakandas Thronfolger sonst nie die Klappe hielt, aber darüber würde ich mich nicht beschweren. Die Stille selbst war nicht einmal sonderlich unangenehm, weil ich den ruhigen Atem meines Bruders ständig im Ohr hatte – das vertrauteste aller Geräusche. Sonst waren die einzigen Töne im Raum das Ticken der mechanischen Uhr, die über dem Schreibtisch links von uns hing, und T'Chadas gelegentliches Tippen auf dem Handy.
Als dann Dad, Mom und Shuri – auch die beiden Letzteren jetzt wieder als Menschen erkennbar – sich auf die Couch gegenüber von uns setzten, verdrehte ich prompt meine Augen. Das Gespräch sah ich schon kommen, aber ich begrüßte es nicht.
Shuri lächelte mir zwar erstmal zu, aber ich blieb misstrauisch – und zwar zu Recht. „Seit wir Wakanda für die Welt geöffnet haben, sind ein paar Probleme aufgetaucht", erklärte sie, nachdem sie sich, begleitet von einem deutlichen Knarren des Leders, auf dem Sofa zurechtgesetzt hatte. „Einige unserer Traditionen lassen sich nicht mit den neuen Werten vereinbaren. Die neue Generation hat dadurch Reibungspunkte mit den Alteingesessenen unserer Stämme, und viele verlieren den Glauben an unsere Religion."
Ich zog meine Augenbrauen hoch und warf einen skeptischen Blick zu T'Chada, der abwehrend seine Arme verschränkt hatte. Er glaubte jedenfalls nichts daran, einmal als schwarzer Panther mit seinen Ahnen nach dem Tod weiterzuleben.
Mein skeptischer Blick kehrte zu den Erwachsenen zurück, doch Shuri und Mom führten nur aufeinander fokussiert ein stummes Gespräch. Dad aber fing meine Augen auf und nickte mir leicht zu, doch an seinen zusammengepressten Lippen erkannte ich, dass mir das Folgende nicht gefallen würde.
Shuri seufzte: „Wenn über unsere Traditionen selbst dem Kronprinzen keine moralischen Werte gelehrt werden können, müssen wir andere Wege dafür finden. Wir überlegen, ein eigenes Schulsystem in Wakanda zu entwerfen, und dafür wird auch der Prinz sich einsetzen." Interessant. Der Prinz sah noch nicht allzu überzeugt davon aus. „Und nebenbei... Vielleicht wäre es von Vorteil, wenn er dabei Disziplin und Ordnung erlernt."
Meine Augenbrauen wanderten noch ein Stück höher. Einerseits war die Tatsache schon grotesk, dass diese Worte von Shuri kamen – ihr Neffe musste wirklich Mist gebaut haben –, andererseits... Disziplin und Ordnung? Auf einer American High School? Na, viel Spaß dabei.
Mom mischte sich nun ein: „T'Challa erachtete es als das Beste, T'Chada mit euch auf die Schule zu schicken, wenigstens für dieses Jahr. Also, es würde uns freuen, wenn ihr drei euch zusammentut."
Dass ihr Blick dabei vor allem auf mir lag, änderte nichts am Fakt, dass ich nach diesen Worten sofort aufsprang.
Hunter schnappte nach meinem Handgelenk und verhinderte, dass ich Fersengeld gab, während er Mom ernst ansah: „Das ist vielleicht keine ganz so gute Idee. Außerdem, warum dann nach der ersten Schulwoche? Hättet ihr nicht acht Tage eher auf diese Idee kommen können?"
Meine Augen verengten sich, und mit einem kurzen Fingerdruck stimmte ich ihm zu. Etwas verloren, aber vor allem wütend irrte mein Blick im Raum umher – auf den unbeweglich dasitzenden T'Chada fallend, der sich seit Shuris Ankunft nicht zu Wort gemeldet hatte. Seine Finger waren verkrampft, sein Ausdruck hart – wie aus Mahagoni gemeißelt.
Ruckartig wandte ich meinen Kopf ab, und mein Fokus richtete sich auf die tiefen, grünen Augen Dads. Die waren aber ungewöhnlicherweise genauso ruhelos wie meine, obwohl das an seiner Haltung nicht zu erkennen war.
Mom und Shuri tauschten einen letzten Blick, dann antwortete meine Tante: „Wir hatten ein paar innere Probleme in Wakanda. Glaub mir, Hun, Gracie und ich haben uns gemeinsam Gedanken gemacht."
Ach, das war dann wohl die Bestätigung für ‚es gibt keine Alternativen'.
Ich schnaubte, löste mich aus Hunters Griff und eilte denselben Weg zurück, den ich vor Minuten noch gekommen war.
Ich brauchte jetzt tiefe Temperaturen.
Im Zwielicht der Kältekammer wieder angekommen, warf ich mich bauchlinks auf das weiße Sofa und stützte den Kopf in die Arme, mein Starkphone direkt vor mir liegend. „Morgan anrufen", befahl ich.
Während meine Tante eine gefühlte Ewigkeit auf sich warten ließ, pendelte ich meine Beine hin und her, doch auch als die Leitung endlich knackte, war es nicht Morgans Stimme, die mich begrüßte.
„Was gibt's?", fragte Nate etwas atemlos ins Handy.
„Ach du großer Gott, ich will gar nicht wissen, was ihr gemacht habt", schnaubte ich.
„Ich bin die Treppe hochgerannt, das habe ich gemacht", meinte Nathaniel offenbar schmunzelnd, „Also, was ist los?"
„Ich will Morgan sprechen, du Genie." Abwesend ließ ich den linken Arm über die Kante der Couch fallen und stützte mich in meine rechte Handfläche. Trotz meiner schlechten Stimmung konnte ich das Lächeln aus Nates Stimme förmlich heraushören: „Sie ist das Genie, wie du sehr wohl weißt, und deshalb auch gerade in einem Meeting mit Darcy."
Frustriert pustete ich mir eine Strähne aus der Stirn.
Zwar waren Thor und Jane lange nicht mehr zusammen, aber Morgan hatte den Kontakt zu den Wissenschaftlerinnen wiederhergestellt. Auch mit Helen Cho telefonierte sie oft und stand kurz vor dem Durchbruch, menschliches Leben aus abiotischer Materie zu kreieren. Oder so. Wie gesagt, ich war nicht hochintelligent.
Jedenfalls war es zwar unklug, meine Tante bei derartigen Treffen zu stören, aber ich war gerade nicht in der Verfassung, objektiv zu handeln.
„Gib sie mir trotzdem."
„Auf deine Verantwortung."
Ich hörte Nate eine Treppe heruntergehen, dann leises Gemurmel, bevor ich endlich Morgan am Handy hatte: „Scar, wenn das jetzt nicht wichtig ist..."
„Das ist es", versicherte ich kühl.
Sie seufzte. „Deinen Kleinkrieg mit Chad erachte ich nicht als weltbewegend." Kurz presste ich meine Lippen aufeinander und ließ dann den Kopf auf die Sitzfläche fallend, alle unangenehmen Eindrücke von außerhalb in Dunkelheit erstickend.
„Also hast du davon gewusst", schlussfolgerte ich dann wenig überrascht. Das Starkphone würde die Dämpfung meiner Worte durch das Leder wieder ausgleichen.
„Natürlich habe ich das. Gewissermaßen bin ich für euch verantwortlich, und daher kannst du mir glauben, dass es besser ist, wenn ihr beide euch endlich mal zusammenrauft." Morgans Stimme behielt ihren leichten Klang war bei, hatte aber einen harten Unterton bekommen. Sie versuchte seit Jahren vergeblich, Frieden zwischen uns zu stiften.
Ich stöhnte auf. „Ich habe dich nicht für eine Moralpredigt angerufen."
„Nur, um mich vollkommen genervt zu fragen, ob ‚dieser Idiot' denn jetzt unbedingt dein Anhängsel spielen muss, schon klar." Morgan lachte leise. „Und, wie du dir mittlerweile sicher denken kannst – ja, muss er."
Das war eine Katastrophe. Mein persönlicher Untergang. Das Ende der Welt, wie ich sie kannte.
„Jetzt wirst du dramatisch", grinste Morgan.
Ich verdrehte wieder einmal die Augen. Das hatte ich von Mom. „Wer bist du, Queenie?"
„Nee, aber die sehen wir nächste Woche wieder. Bleib bis dahin auf Bereitschaft, und vergiss nicht... I'm watching you." Damit hatte sie das Gespräch beendet, ohne Proteste abzuwarten.
Stöhnend ließ ich mich vom Sofa auf den Boden rollen und lag dann mit ausgebreiteten Armen flach auf dem Rücken – wie ein Maikäfer, der nicht mehr hochkam.
Und genauso fühlte ich mich auch.
***
Also, Mittwoch ist ja fast Dienstag, oder? Nun, Grund für das Ausbleiben des Uploads ist einfach eine etwas vergessliche Autorin, die in den Ferien gern die Wochentage aus den Augen lässt.
Dafür habe ich für Morgen einen kleinen OS auf Lager, der in "Seymours Geschichten" erscheinen wird, der aber nicht aus dem Iron Kid Universum stammt. Und mit Weihnachten hat er auch nichts zu tun, nur mit Loki, aber vielleicht freut ihr euch trotzdem darüber!
Übermorgen kommt dann das nächste Kapitel aus Hunters Sicht ganz normal.
So, jetzt aber meine letzte Frage... Was denkt ihr, ist in Wakanda passiert, dass T'Chada nun nach New York abgestellt wird?
Ab jetzt fallen immer wieder Hinweise auf die Haupthandlung... auch wenn die wirklich schwer zu erraten ist, das gebe ich zu.😉
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