Hunter ~ Pistole
Ich hatte genau zwei Möglichkeiten, wie ich in den Kampf unter mir eingreifen könnte – denn Luke und der Bodyguard Shurikens waren so eng verkeilt, dass kein Dritter einen Überblick behalten konnte. Mir blieb die Wahl, Ishta und Imbola Feuerschutz zu geben oder mich ganz dramatisch an den Kletterseilen nach unten zu schwingen und mit Fäusten gegen die Schusswaffen der Dealer zu kämpfen. Ich war kein Profischütze, aber zielen konnte ich, und ein derartiger Fernkampf wäre für mich und die Geweihten am sichersten.
Bitte. Ich war ein Stark. Hier gab es gar keine Entscheidungsschwierigkeiten. Dramatische Auftritte lagen mir im Blut.
Ohne noch weiter darüber nachzudenken, fanden meine Hände, die die Pistole im Holster längst wieder vergessen hatten, eines der dicken, gedrehten Seile. Ich spannte meine Oberarme an und zog mich rasch über das Geländer, und bei dem hastigen Versuch, meine Beine so gut wie möglich um das Tau zu schlingen, wurde das untere Ende heftig hin- und hergeworfen.
Als ich mich eilig stückchenweise hinabrutschen ließ, brannten die Fasern sich in meine Handflächen. Der Schmerz fuhr heiß immer wieder durch meine Finger, aber ich schenkte ihm kaum Beachtung – denn jetzt ertönte wieder eine Schusssalve. Als der erste Knall loshämmerte, zuckte ich zusammen und sprang den letzten Meter auf den Boden. Meine Stiefel rutschten beim Aufprall auf dem Parkett weg, und ich wäre beinahe gefallen, als ich überhastet lossprinten wollte.
Ich keuchte auf, fing mich aber in letzter Sekunde und stürmte los. Obwohl mein Atem heftig ging, hörte ich ihn nicht, denn die Schüsse und Schreie hallten im Raum wider, als befänden sich Dutzende hier. Dabei waren es nur meine Verwandten, die von hinten Shurikens Bodyguards attackierten, und Ashe, die die bereits zu Boden gegangene Wache in braun im Ziel ihrer Pistole hatte.
Nur einen Moment, bevor mich ein schwerer Körper mit voller Breitseite traf, ruckte mein Kopf nach rechts. Verdammt, ich hatte die zweite Wache direkt unter mir aus dem Blickfeld verloren gehabt!
Die Luft wurde heftig aus meinen Lungen gepresst, als ich hart auf dem Parkettboden auftraf. Mit bis zum Äußersten angespannten Halsmuskeln gelang es mir zwar, meinen Kopf vom Aufprall fernzuhalten, aber meine Sicht wurde dennoch kurz schwarz. Der Fremde war direkt auf mir zum Liegen gekommen, und ich schnappte verzweifelt nach Luft.
Irgendwas presste sich hart gegen meine Nase, meine Atemwege waren blockiert. Blind tastete ich mit der rechten Hand nach vorn und zuckte wieder zusammen, als ein schwerer Stiefel mein Schienbein traf. Der Mann über mir grunzte, aber bevor er mich erneut erwischen konnte, bekam ich seine Haare zu fassen – die Kapuze musste er beim Fall verloren haben. Mit heftig pochendem Herzen griff ich zu und zog, so heftig ich konnte – ich brauchte Luft, und zwar schnell!
Der Bodyguard zischte und lockerte seinen Griff unfreiwillig, und ich drehte meinen Kopf hastig nach links. Auch wenn ich ihm dadurch meinen Hals offenbarte, der Sauerstoff war dringender. Ich konnte aber nur kurz nach Luft schnappen, weil der Mann plötzlich mein rechtes Handgelenk umklammert hatte, mit einem schmerzhaften Schraubstockgriff. Durch zusammengebissene Zähne konnte ich ein Aufjaulen unterdrücken, dieser Typ ließ mir einfach keine Zeit für rationale Kontrolle. Also tat ich das, was meine Instinkte mir befahlen – ich zog das linke Knie an und drückte den Fremden mit aller Kraft von mir weg. Er war genauso riesig wie kräftig, viel Erfolg hatte ich nicht, und er zog heftig an meinem rechten Arm. Durch die Gewichtsverlagerung gelang es mir jetzt aber, die linke Hand zwischen unseren Körpern hervorzuziehen, und ich zögerte keine Sekunde.
Der erste Versuch, den Mann am Kopf zu erwischen, schlug fehl, aber meine Fingerspitzen streiften ein unangenehm fleischiges, großes Ohr – das war meine Chance. Nur kurz, bevor er mir die rechte Hand brechen konnte, rammte ich meinen Daumen in die empfindliche Stelle hinter dem Ohrläppchen. Fast sofort war ich frei, der Bodyguard schrie jetzt offen auf. Seine Stimme war roh und wild, auf eine sehr raue Art und Weise, aber vor allem eines: schmerzerfüllt. Ich ließ ihm keine Gelegenheit, sich zu erholen, sondern spannte die Bauchmuskeln an und zog meine Beine in einer halben Rückwärtsrolle über meinen Kopf. So wieder auf den Knien landend, zog ich in einer einzigen flüssigen Bewegung meine Pistole.
Der Fremde lag mit dem Rücken zu mir, deutlich sichtbar schwer atmend, und hatte den Kopf in der Armen verborgen. Das half ihm aber nicht viel, denn ich schob binnen Sekunden mein rechtes Knie vor und packte ihn am Ellenbogen, die Pistole mit der freien Hand fest am Lauf haltend. Noch ehe der Mann erneut schreien konnte, hatte ich ihm meine Waffe heftig über den Kopf gezogen, und ich konnte an seinen Schläfen, wo die braunen Haare abrasiert waren, die Haut aufplatzen sehen. Noch bevor das Blut fließen konnte, hatte ich mich umgedreht und war aufgestanden, auf dem Weg zum nächsten Kampf.
Tja, der hatte wohl schon ohne mich stattgefunden.
Ich war in meinem Sprint fast bei Scarlett angekommen, ehe das Bild aus der Mitte der Halle in meinem Kopf angekommen war. Einer der uniformierten Bodyguards lag am Boden, das Rückenteil seiner Kampfkleidung völlig zerfetzt. Als ich meinen Schritt verlangsamte, rutschte ich beinahe auf dem feuchten Boden aus, und bei meinem ersten Gedanken schluckte ich heftig – ich hatte keine Ambitionen, so viel Blut zu sehen. Aber der zweite Blick bewies, dass die Flüssigkeit harmloses Wasser war, wohl Kit Cools Werk.
„Keiner bewegt sich, bis Mort zu uns stößt!"
Mein Körper war noch voller Adrenalin, weshalb ich kurz zusammenzuckte, als Chads harscher Ton an mein Ohr drang. Er zog seine Hand gerade von Imbola zurück, die anscheinend hatte gehen wollen – und es war auch offensichtlich, wieso. Ishta hatte ihren linken Arm über das breite Kreuz der ausdruckslos dreinschauenden Blonden gelegt, und die große Frau hing mehr über ihrer Kollegin, als dass sie aufrecht stand. In ihren rechten Brustmuskel hatte eine Kugel eine offene Wunde gerissen, deren Blut zwar größtenteils von ihrer Kleidung aufgesogen wurde, aber der Verlust schien dennoch hoch zu sein. Eine der grauen Strähnen, die sich aus ihrem geflochtenen Zopf gelöst hatten und ihr mageres, blasses Gesicht umspielten, klebte an dem feuchten Oberteil und hatte sich dunkel verfärbt.
Ein schneller Seitenblick bewies, dass Ishta und Imbola völlig auf sich fixiert waren, und ich wagte es, meine Augen über Scar wandern zu lassen. Sie hatte die Arme verschränkt und ihren Fokus scheinbar unbeteiligt auf der Situation vor ihr liegen, aber ich wusste, dass sie mich bereits abgecheckt hatte. Mit verschränkten Armen, nicht einmal außer Atem und mit den leichten Alltagsklamotten völlig gesellschaftsfähig aussehend, wirkte sie viel ruhiger, als ich mich fühlte. Tief luftholend verlagerte ich mein Gewicht und wandte mich ebenfalls wieder den Geweihten zu, die meine Aufmerksamkeit aber nur für einen Wimpernschlag halten konnten. Schritte ertönten im Vorraum der Halle, und ein knapper Blick über meine Schulter bewies mir, dass Luke noch auf der Empore stand, über das Geländer zu seiner Schwester heruntergebeugt.
Der näherliegende Gedanke wäre, dass Mort zurück war, der sich zum ausgemachten Lagerpunkt des Drogenwaggons begeben hatte, um die Ladung zu sichern. Aber trotz des Echos in den leeren Gängen war deutlich, dass sich mehr als ein Mensch näherte, und ich schob mich zwischen die Tür und meine Schwester – die linke Hand auf meinem Pistolenholster.
***
Hier hätten wir ein kleines Stück Kampf - was sagt ihr dazu? Ich tendiere immer ein wenig dazu, zu viele kampfsporttechnische Begriffe hereinzubringen, wenn es also nicht actiongemäß genug ist, sagt Bescheid!😉
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