Hunter ~ Partyhütchen

Freitag war nicht nur wegen des kommenden Wochenendes der angenehmste Schultag, sondern auch wegen der nur vier Stunden, die aus Ethik und Deutsch bestanden – beides nicht sehr schwierig. Ethik hatte ich zwar mit Chad zusammen, aber unser Verhältnis hatte sich wieder etwas beruhigt.
Im Gegensatz natürlich zur Beziehung meines Cousins mit Scarlett, die allerdings konsequent ihre Umgebung ignorierte und stattdessen mit Jenny quatschte. Ethik war das einzige Fach, in dem der Lockenkopf nicht neben ihrem Freund saß, aber das lag an unserer Lehrkraft. Mr. Rudd konnte diesen Kurs, der zugebenermaßen aus einigen Idioten bestand, nicht ganz kontrollieren und hatte Jeff neben dessen Zwillingsbruder Luca gesetzt. Tja, zum Unterrichten kam er trotzdem nicht, da Jonah und Patrick – die anderen zwei Drittel der personifizierten Dummheit – permanent störten.

Meine beiden Familienmitglieder verschwanden dann jedenfalls zu Spanisch, während ich mit Mr. Pratt mal wieder endlose Diskussionen führte. Auf Deutsch, daher beschwerte er sich nicht.
Wichtig war an diesem Tag auch viel eher, was nach der Schule passieren würde: Peter feierte seinen siebenunddreißigsten Geburtstag mit der gesamten Familie, und das würde sehr amüsant werden. Hoffentlich.
Es gab nur zwei Möglichkeiten: amüsant oder katastrophal.
Oder beides.

Die Autofahrt zur Basis jedenfalls verlief ruhig, was daran lag, dass Scar auf dem Beifahrersitz saß und Chad hinter Peggy. So weit wie möglich auseinander.
Aber für unser Geschenk an Peter hatten wir alle zusammengearbeitet: Wir hatten einen Spiderman-Comic kreiert, Scar und ich waren für die Story zuständig gewesen, unsere Kreativköpfe – Queenie, Nate und Chad – für's Zeichnen und die anderen beiden hatten alles zusammengefügt. Und, ohne Arroganz, das Endergebnis war ziemlich gut geworden.
Ein Grinsen spielte um meine Lippen, als ich an Peters Geburtstag dachte. Ein bisschen Freude hatte der ehemalige Superheld durchaus verdient, und alle anderen natürlich auch. Meine Fingerkuppen trommelten gelangweilt gegen die Autotür, weil die Fahrt sich heute ewig zog. Für New-York-Verhältnisse war der Verkehr wirklich passabel, und Peggy war eine gute Fahrerin, trotzdem wurde ich unruhig. Vorfreude war eben die schönste Freude, und ich war immer noch ein Familienmensch, der einige seiner Verwandten seit Wochen nicht gesehen hatte – Clint und Nat, zum Beispiel.

Mit einem breiten Grinsen schob ich nach einer gefühlten Ewigkeit die Tür zu meinem Zuhause auf, streifte nur mit einem Seitenblick die Garderobe – Mjölnir und Stevie hingen dort in voller Pracht, zwei waren also mindestens schon da – und platzte dann direkt in die Feierrunde. In einem der größten Räume war eine lange Tafel aufgestellt, auf deren weißer Tischdecke Kerzen und Konfett verstreut waren. Über die Lautsprecher lief Musik, die sicher nicht Gramps ausgewählt hatte – kein ACDC – und die Roboter fuhren eifrig mit Snacks hin und her. Die Kuchen und Torten waren auf einem Buffet an der länglichen hinteren Wand aufgestellt – aus deren Richtung gerade der gesuchte Brünette kam.

„Heyhooo, eure Sonne geht auf!", lachte ich, schnappte mir ein Partyhütchen von Dum-E und sprang Peter in die Arme – der mich nur dank übermenschlicher Stärke halten konnte. „Hunter!", ächzte der nun siebenunddreißigjährige und nahm rasch etwas Abstand.
„Gut erkannt, Geburtstagskind... Happy Birthday!" Ich grinste ihn euphorisch an, gerade einfach nur überglücklich. Was konnte ich mir auch mehr wünschen als diese riesige, chaotische Familie, wo fast jeder jeden liebte?

„Ja, ja..." Mit einem Blitzen in den Schokoladen-Augen klopfte mir mein Patenonkel auf die Schulter. „Sag mal, Kleiner, wieso hast du nach der Schule noch so viel Energie? Ohne den Spinnenbiss wäre ich vermutlich während jeder zweiten Mission eingeschlafen."
Ich griff um Peter herum nach dem Kuchen und schon mir eine Fingerspitze voller Schokoglasur in den Mund, dann erklärte ich einfach: „Erstens, ich bin größer als du. Zweitens, ich hatte heute nur vier Stunden und drittens, ohne den Spinnenbiss hättest du auch keine Missionen gehabt." Nach einem forschenden Blick nahm ich mir gleich das ganze Kuchenstück und winkte Peter zu: „Alsooo, da das jetzt geklärt ist, es warten noch andere Gratulanten!"
Rückwärtsgehend zwinkerte ich ihm zu, und Peter schüttelte lachend den Kopf.

Selbstverständlich lief ich in irgendjemanden herein, aber da dieser jemand sehr muskulös war, ging niemand zu Boden – sogar mein Schokokuchen nicht.
„Wen haben wir denn da?", dröhnte die tiefe Stimme hinter mir, „Wenn das nicht mein Lieblingsneffe ist!"
„Technisch gesehen bin ich dein einziger Neffe." Lachend ließ ich mich von Thor in eine knochenbrechende Umarmung ziehen. Nur metaphorisch, glücklicherweise... Aber meinen Kuchen hatte er danach auf dem Hemd kleben. Verdammt.
Mein Onkel jedoch bemerkte es nicht einmal, sondern blickte mit zusammengezogenen Augenbrauen auf einen Punkt links von mir. Ich drehte mich um, runzelte die Stirn – und biss mir beklommen auf die Unterlippe.
Blitzend braune Augen, verschränkte Arme, graue Haare – das Familienoberhaupt.

„Dass du Peter zuerst begrüßt, verstehe ich ja noch", meinte er mit seiner leicht heiseren Stimme, „aber Thor mir vorziehen? Das hätte ich meinem Enkel nie im Leben zugetraut."
Das einzige Wort, das ich dazu sagte, war: „Gramps."

Mit Tony Stark zu diskutieren war sowieso vergeblich, also zog ich ihn einfach in eine Umarmung. Die war trotz seiner stolzen dreiundsiebzig Jahre noch genauso kräftig wie früher. „Und deine Mom hast du auch noch nicht begrüßt, du ungezogener Junge", murmelte er in einem Ton in mein Ohr, der irgendwie gleichzeitig sanft, strafend und spöttelnd war.
„Ich bin ja gerade dabei", stöhnte ich nicht sehr ernst.
Wie zu erwarten dauerte es eine Weile, bis ich alle Familienmitglieder begrüßt hatte.

Irgendwann saßen wir dann alle zusammen an der langen Tafel im Konferenzraum, mit viel Kuchen und noch mehr Kaffee. Shuri hatte sich mit Chad ans Ende der Runde zurückgezogen, leise diskutierend. Morgan und Nate hatten die Maximoffs und Bruce in ein Gespräch verwickelt, Bucky und Pepper hatten vor Peggy irgendwelche College-Prospekte ausgebreitet. Scott und Sam versuchten meine müde Schwester aufzumuntern, Steve und Dad sahen sich Handelsabkommen von Thor durch und Stephen hatte sich von meiner Mom überreden lassen, ein magisches Tischfeuerwerk zu starten. Clint, Nat und Morgan saßen über irgendwelche Pläne gebeugt – sie konnten es einfach nicht lassen –, Peter nahm mal wieder einen Anruf entgegen und in der Mitte der Tafel, hochzufrieden mit sich selbst, beobachtete Gramps das Geschehen.

Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, zwinkerte mein Großvater mir zu – dann fuhren wir synchron zu Peter herum, der plötzlich bleich geworden war und scharf einatmete.
„Was ist los?", fragte ich, aber ich sah meinem Patenonkel nur hastig irgendetwas in sein Handy murmeln. Sam war der einzige, den ich gerade hörte: „Komm schon, Kleine, ich sitze neben dir, allein das sollte dich schon zu Luftsprüngen bewegen!"
Meine Schwester murrte nur, und ich stieß meinem Onkel hastig einen Ellbogen in die Rippen: „Sei mal ruhig!"
„Wo ist dein Respekt vor den Älteren?!", fuhr er grinsend zu mir herum, doch dieses Grinsen verschwand in Sekundenschnelle wieder: Gramps war aufgestanden, ein einziges Wort sagend. „Ruhe."

Nicht noch einmal, war der einzige Gedanke, der immer wieder durch meinen Kopf raste. Bitte, nicht noch einmal. Ich hörte meinen eigenen pochenden Herzschlag überdeutlich, weil fast augenblicklich die gesamte Familie verstummt war. Dann durchschnitt Gramps' Stimme die Stille, kräftig und ruhig wie immer: „Peter, ist alles in Ordnung?"
Der Mann, der heute eigentlich am fröhlichsten sein sollte, zitterte – bleicher als die Wand hinter ihm. Hilflos irrten seine Augen umher, erst haltmachend, als mein Großvater ihn packte und seinen Blick mit dem Peters verhakte. Der Jüngere hob langsam sein Handy: „Das war May. Nia ist weg."

Für einen winzigen Moment erstarrten alle. Dann war die Hölle los – es hatte amüsant angefangen und war in einer Katastrophe geendet.

***

Geburstagsfeier auf Avengersart... Tja, es war wohl vorherzusehen, dass das aus dem Ruder läuft. Im nächsten Kapitel wird es turbulent, und es wird ein Aspekt des Prologs aufgeklärt - also, noch irgendwelche letzten Vermutungen dazu?😉

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