Hunter ~ Englischbuch

„Könnt ihr vergessen. Ich nehme den nicht."

‚Der' war selbstverständlich Chad. Und natürlich kam der Satz von meiner Schwester.
Meinen Kiefer genervt zusammenpressend lehnte ich meinen Kopf nach rechts gegen die kühle Scheibe des Autofensters. Das stetige Brummen des Motors beruhigte etwas, aber das half nicht viel bei einer Chad-Scar-Kombination.
Ich meine, ich würde mich ja auch bereiterklären, meinen Cousin durch die Schule zu führen... Aber nein. Dazu hatte ich auch mal keine Lust, außerdem war die High School mein Territorium, da brauchte ich kein Anhängsel.

„Bevor es zum Kleinkrieg kommt, werde ich – selbstlos, wie ich bin – mich aufopfern, aber bis dahin... Nein, danke." Ich hielt meine Augen geschlossen, ich wusste auch so, dass Scar abwehrend die Arme verschränkt hatte und Peggy starr auf die Straße blickte.
„Euch ist schon klar, dass ich keinen Babysitter brauche, oder?", knurrte Chad, und ich war überrascht, dass er dabei etwas verletzt klang. Wir schoben ihn zwar gerade ziemlich heftig von uns weg, aber ich war davon ausgegangen, dass ihn das nicht im Geringsten störte.

„Was sollen diese Kindereien?", fragte auch Peggy verärgert nach, „Ich bringe Chad ins Sekretariat, und dann könnt ihr ja schauen, mit wem er die Kurse zusammen hat."

Ich zuckte nur mit einer Schulter.
Die Stimmung im Auto hier gefiel mir absolut nicht.
Wir hatten die gesamte Zeit geschwiegen, Scar hatte jegliche Provokationen einfach ausgesessen – die Wärme trug vermutlich eine Teilschuld daran, aber dafür war ich ihr gerade dankbar.
Dennoch war die Atmosphäre angespannt, und ganz ehrlich... es nervte einfach. Als wären wir pubertierende Teenager, die sich partout nicht zusammenreißen konnten – und prinzipiell waren wir ja auch genau das.

Ich war jedenfalls froh, endlich aus dem Auto fliehen zu können und meinen Spind anzusteuern.
Dieser hatte anfangs noch direkt neben dem meiner Schwester gelegen, aber irgendwann war ich dann umgezogen. Zu viel Zwilling auf einen Haufen war manchmal unklug.
Zwei Neuntklässlerinnen hatten sich neben meinem Spind platziert und waren in ein betont zwangloses Gespräch vertieft, doch ihre Blicke kehrten viel zu unauffällig immer wieder zu mir.
Ich grinste selbstgefällig, griff nach meinem Englischbuch und warf die Tür mit einem scharfen Knallen wieder zu.

Die Mädchen zuckten zusammen und sahen mich erschrocken an, doch ich zwinkerte ihnen nur zu und machte mich auf den Weg in meinen Kursraum.
Englisch.
Mein bestes Fach – schreib den Lehrern das, was sie hören wollen, und du kannst einfacher kein A bekommen. Aber mir war klar, dass Chad nur zu bald zu mir stoßen würde – er brauchte Englisch für die Diplomatie mehr als Mathe.
Aber gut, das war vermutlich auch besser für das Allgemeinwohl. Montagmorgen war die Kombination aus Scar und T'Chada im besten Fall explosiv.
Und ich war viel zu gut für diese Welt.

Dieser Fakt war meinem Banknachbarn, Jeff, nur zu klar: „Hey, Hunter. Du hast doch garantiert die Hausaufgabe, oder?" Ich warf dem Brünetten nur einen genervten Blick zu. „Frag' deine Freundin. Mittlerweile sollte dir klar sein, dass ich improvisiere."
„Hätte ja sein können..." Tatsächlich wandte er seine wässrigen blauen Augen dem kleinen Lockenkopf auf seiner anderen Seite zu. Jeff war eigentlich ganz in Ordnung, und auch er war ein Zwilling. Aber sein Bruder... Na, der war definitiv niemand, den man gern in der Nähe hatte. Und ich ertrug sogar Chad.

Wenn man vom Teufel sprach... Mein Cousin kam überraschenderweise pünktlich, den Rucksack lässig über die rechte Schulter gehängt. Er blieb im Türrahmen stehen und warf kurz einen misstrauischen Blick in den Raum – Augenkontakt zu mir vermied er dabei betont – und ließ sich dann kurzerhand auf einen Platz in der vorletzten Reihe fallen. Noch hatten ihn nicht viele wahrgenommen, meine Mitschüler waren alle entweder in ihre Gespräche vertieft oder erholten sich mit den Köpfen auf den Tischen von der Party am Vorabend. Deren Veranstalter theoretisch ich gewesen war, aber ich hatte die Zeit ja daheim absitzen müssen.
Jenny, Jeffs Freundin, drehte sich als Einzige zu Chad um: „Hey, du bist neu, oder? Der Platz hier ist besetzt, aber in der zweiten Reihe ist der Platz an der Tür noch frei."
Mein Cousin hatte nur einen kurzen Blick für sie übrig und zog dann sein iPhone.

Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Mir war durchaus klar, wessen Platz er da besetzte... Sierra, Halbspanierin, hatte durch und durch das Aussehen ihrer Mutter geerbt. Sie war heiß, damit durchaus in meinem Interessensbereich und bedauerlicherweise weniger temperamentvoll, als ihre Herkunft vermuten ließ.
So sagte sie auch kein Wort, als sie in den Raum trat und zögernd vor unserem Tisch stehenblieb. Ihre dunklen Augen irrten unsicher umher, und sie zwirbelte mit leicht zitternden Fingern eine ihrer lockigen Strähnen. Sie biss sich leicht auf die vollen Lippen und trat dann näher zu uns, vermutlich, weil Jenny mit ihr befreundet und dazu noch Kurssprecherin war.
Bevor ich noch einmal nachdachte und zum klugen Entschluss des Schweigens kam, ließ ich meinen Stuhl auf die Hinterbeine kippen, sodass ich Chad besser im Blick hatte: „Mach dich ab hier."

Diesmal sah er sofort auf, und ich meinte, kurz Überraschung in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Dann, wie Freitag schon im Gemeinschaftsraum, kam nur ein faules „Nope" über seine Lippen. Ich blickte ihn warnend an: „Chad..."
„Ihr kennt euch?", fragte Jenny überrascht, und ich verdrehte nur die Augen. „Leider. Jetzt beweg deinen Hintern nach vorn."
„Du gibst mir keine Befehle!", verschränkte mein Cousin die Arme, und um meine Lippen spielte ein triumphierendes Lächeln. Ich hatte die Überhand, er hatte eine Abwehrhaltung eingenommen. „Genau so wenig, wie du hier Befehle gibst."
Kluger Schachzug. Wollte er seine Identität geheim halten, durfte er jetzt nicht protestieren.

T'Chada schnaufte wütend, packte seinen Rucksack und zog tatsächlich ab. Jenny nickte mir anerkennend mit funkelnden blauen Augen zu und kehrte mit ihrem Fokus dann zu Jeff zurück. Sierra dagegen warf mir ein vorsichtiges Lächeln zu und packte dann ihre Bücher aus, leise, als wöllte sie T'Chadas Aufmerksamkeit vermeiden. Nötig war das nicht unbedingt, mein Cousin warf keinen Blick mehr in unsere Richtung.

Allgemein reagierte er nicht auf irgendwelche Begrüßungen, sondern setzte provokant Kopfhörer auf, als Jeff nach Jennys Aufforderung an seinen Tisch trat. Ich seufzte unhörbar, bevor ich mich mit einem breiten Grinsen Sierra zuwandte. Es erreichte meine Augen nicht, obwohl ich die kleine Spanierin mochte, und in meinem Inneren wanden sich meine Gedanken um ein anderes Thema.
Ich würde zu gern wissen, was tatsächlich in Wakanda geschehen war...

Tatsächlich hatte mein Englischlehrer Mr. Renner später noch den Mut dazu, Chad trotz der grimmigen Miene nach vorn zu zitieren.
Chad lehnte sich an den Lehrertisch, die Hände in den Taschen seines dunklen Hoodies, und ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen. Jetzt hatte auch der letzte Idiot begriffen, dass wir einen Neuen hatten, und bis auf gelegentliches verwirrtes Flüstern lag die allgemeine Aufmerksam auf meinem Cousin.
Dem gefiel das natürlich nur zu gut: „Chad Boseman. Entfernt mit Hunters Granny mütterlicherseits verwandt. Also, nein, kein Stark, aber trotzdem genauso reich und gutaussehend." Er warf ein perlweißes Lächeln in die Runde, erntete aber nur vereinzeltes Gelächter.

Ich für meinen Teil vertrat das Erbe meiner Mom und verdrehte die Augen. Aber gut, wenigstens war noch nichts geflogen – weder Fetzen noch Funken.

***

Hier haben wir die Avengersnachkommen ganz normal in der Highschool... Oder fast ganz normal. Im nächsten Kapitel sehen wir dann die ersten Handlungen ihrer Watchers-Tätigkeit.😉

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