01.03: Die Neue - Heimweg
Gwen:
Der Unterricht ist vorbei.
Ohne weitere Gedankenattacken.
Das lief doch super!
Ich packe meine Hefte ein und verlasse genau wie alle anderen den Raum, schwimme für einen Moment mit dem Strom.
„Hey.", sagt ein Mädchen, ich begreife erst nicht, dass sie mit mir redet.
„Hi?", sage ich verwirrt. Verdammt, ich war nicht schnell genug.
Ich hätte rennen müssen, aber ich mag es einfach nicht, wenn Leute noch mehr Gründe finden um über mich zu lästern.
„Ich bin Dina.", sagt sie lächelnd.
„Gwen", erwidere ich, nachdem sie mich ansieht als würde sie von mir erwarten, dass ich das sage. „Was ist?", frage ich vorsichtig, nachdem die Stille nicht durchbrochen wird. Sie grinst: „Hast du von Brad gehört?"
„Jeder hat von Brad gehört.", gebe ich zurück. „Explodierende Köpfe sind nicht besonders häufig, denke ich. Ähm ... wir sehen uns Morgen!"
„Bis Morgen!", sagt sie und geht winkend weg. Ich renne über den Flur nach draußen.
Die Meisten sind mittlerweile weg.
Ich muss eine halbe Stunde nach hause laufen. Das geht noch.
Ich laufe einen ziemlichen Umweg, aber so ist garantiert, dass ich keine anderen Menschen treffe. So ist garantiert, dass die einzigen Gedanken die ich höre meine Eigenen sind.
„Hey!", ruft jemand, ich drehe mich um. Der Junge mit der roten Jacke.
Stanley.
„Hi?", gebe ich zurück. Seit wann reden Leute mit mir?! Vielleicht gibt es hier einfach mehr Loser als an meiner alten Schule?
„Wir laufen in diegleiche Richtung."
„Okay.", sage ich zögernd. Stan sieht mich weiterhin lächelnd an.
„Ich ... willst du mitfahren?", fragt er und deutet auf ein gelbes altes Auto mit kaputter Stoßstange.
„Hast du einen Führerschein?"
„Natürlich."
„Warum sieht das Auto so aus als wärst du in einen Unfall geraten?!"
„Ach so.", er lacht. Sein Lachen ist irgendwie anders. Mischung aus unsicher, nervös und fröhlich.
Oder es lachen alle so und ich hab nur immer die falschen Leute lachen gehört.
„Nein, ich ... ich kann fahren. Wirklich. Also?", er sieht mich mit fragend hochgezogenen Augenbrauen an.
„Okay.", antworte ich schließlich.
„Cool!", sagt er grinsend. „Dann ... das Auto steht da."
„Ich seh's.", murmel ich leise und folge ihm zu dem gelben Auto.
[]
„Weißt du, viele glauben nicht dass ich einen Führerschein habe.", sagt er, während er sich anschnallt.
„Kein Wunder. Deine Stoßstange ist kaputt.", gebe ich zurück.
„Auch ohne dass sie das Auto gesehen haben, mein ich. Gibt auch welche die denken ich hätte noch nie getrunken."
„Kein Wunder.", sage ich wieder.
„Wieso?"
Ich sehe ihm direkt in die Augen, irgendwann lächelt er und startet den Motor.
„Bei Leuten wie dir denkt man meistens sofort an das Extremste. Im positiven.", sage ich.
„Besser als langweilig sein.", erwidert er und drückt das Gaspedal runter. „Ich weiß wo du wohnst."
„Du klingst wie ein psychopathischer Mörder."
„Sorry. Aber wir sind Nachbarn und ... diese Stadt ist ziemlich lang-"
„Ein verschwundenes Mädchen und ein explodierter Kopf?", unterbreche ich ihn. „Wenn das schon Langeweile für dich ist will ich echt nicht wissen was du vom Leben erwartest."
Er lacht, wieder auf diese andere Weise, die für ihn anscheinend normal ist.
„Du meinst Syd."
Passenderweise sehe ich genau jetzt eins der Vermisstenplakate. Es ist verschwommen, aber ich denke nicht, dass hier sonderlich viele Kinder abhanden kommen.
„Sydney Novak, siebzehn Jahre alt, kurze orangefarbene Haare, blaue Augen, verschwunden nach dem Homecoming Ball. Verschwunden direkt nach der großen Explosion."
„Und dann hältst du mich für psychopathisch?", fragt Stanley. „Aber es war schon ... faszinierend."
„Ihr seid befreundet gewesen."
„Was?"
„Du hast sie Syd genannt. Spitznamen gibt man sich meistens nur unter Freunden.", erkläre ich.
„Ja, sie war so ziemlich ... meine einzige Freundin.", sagt er. Stille.
Und dann höre ich seine Stimme wieder.
Nur bewegt er seine Lippen nicht.
Bitte nicht jetzt! Bitte nicht j-
Wo bist du Syd? Warum hast du dich nicht mehr gemeldet? Lebst du noch? Übst du eine Superheldin zu se-
„Warum eine Superheldin?", frage ich laut. Stanley reißt die Augen auf und stoppt sofort das Auto: „Was?"
Und es ist mir schon wieder passiert.
Ich beschimpfe andere Leute als dumm und mache selbst einen Fehler nach dem Anderen. Stanley war der Erste hier, abgesehen von Dina, die mich aus irgendeinem Grund angesprochen hat, der mich nicht wie eine komplette Idiotin behandelt hat.
Es war meine Schuld und ich bereue es extrem.
„Danke fürs Fahren.", sage ich schnell und stoße die Autotür auf.
„Wa- aber wir sind doch noch gar nicht da!", ruft er.
„Danke fürs Fahren!", wiederhole ich und renne so schnell ich kann los.
Ich hasse Menschen.
Aber ich bin leider auch einer.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top