Meinungsfreiheit und mehr oder weniger hilfreiche Beiträge

Wenn mich jemand fragen würde, was Wattpad meiner Meinung nach so besonders macht, würde ich spontan antworten: die Kommentare.
Die wiederum ursprünglich dafür gedacht sind, aktiv mit dem Autor zu kommunizieren, seine Meinung zu dem Geschriebenem zu äußern und Verbesserungsvorschläge zu bringen. Von dieser Ursprungsidee haben sich inzwischen nicht wenige Kommentare etwas ... distanziert und es kommt, wie es kommen musste - ich stelle die verschiedenen Kommentartypen vor (wobei sich das jeweils wirklich auf die Kommentare, nicht auf die Kommentierer bezieht). Ein Großteil wird den meisten wohl bekannt vorkommen, einige vielleicht nicht, aber in jedem Fall wird sich jeder, der Kommentare schreibt, irgendwo wiederfinden (falls nicht, gebt mir Bescheid, was ich vergessen habe :D).

(Die Reihenfolge der folgenden Kommentararten sind absolut zufällig und geben keinerlei Wertung wieder)
(Der Einfachheit halber spreche ich trotzdem von den Personen, die die jeweiligen Kommentare verfassen, ohne sie direkt zu nennen. Andernfalls müsste ich alles im Passiv schreiben, was sowohl für mich als auch für euch anstrengend werden würde)

Die Pseudokritiker
Über diese Kommentare kann ich eigentlich nur den Kopf schütteln oder Lachen. Die Kritiker schreiben oft ellenlange Kommentare, hin und wieder gespickt mit Fach- und Fremdwörtern, die fast niemand außer ihnen versteht, um der ganzen Sache einen möglichst professionellen Eindruck zu verleihen.
Vermutlich sehen sie sich selbst tatsächlich als richtige Kritiker, womöglich wollen sie aber auch nur Eindruck schinden oder aus emotionalen Beweggründen dem vorliegenden Text möglichst viele Fehler nachweisen. In jedem Fall werden sie durch unzureichende Argumente und fehlende Begründungen gekennzeichnet. Gelegentlich bringen sie tatsächlich echte Kritik ein - die jedoch bei betroffenem Text schlicht unangebracht ist, weil der Autor sich bewusst für etwas anderes entschieden hat.
Erkundigt man sich nach etwas genaueren Angaben, erhält man oft keine Antwort.

Der Verschwörungstheoretiker
Diese Kommentare gehören zu meinen liebsten, sind aber bedauerlicherweise relativ selten zu finden.
Meistens sind auch diese Kommentare relativ lang, aber dafür verständlich. Der Leser haut dabei verschiedene Vermutungen bezüglich des weiteren Handlungsverlaufs, den Beweggründen bestimmter Personen, oder der Personenkonstellation raus. Das Beste: man merkt, dass er wirklich in dem Buch drin ist und sich nach fast jedem Kapitel Gedanken darüber macht, statt es einfach zur Seite zu legen.
Oft sind die Vermutungen zwar gewagt, aber schlüssig, und durchaus im Bereich des Möglichen. Ich würde lügen, müsste ich behaupten, nicht das ein oder andere Mal von den Verschwörungstheoretikern beeinflusst worden zu sein. Manchmal ist es erschreckend, wie treffsicher einige der Vermutungen sind.

Das Fangirl
Häufig in den Genres Romantik, Chick Lit, Jugendliteratur etc. zu finden und eine regelrechte Wattpad-Qual. (Hier sollte man sich die Charakterisierung dieser Kommentare wirklich gründlich durchlesen und sich nicht fälschlicherweise angesprochen fühlen).
"Omg, ich liebe es jetzt schon *~* ♥♥♥♥ " oder "Du schreibst so toll ♥" sind typische Kommentare dieser Art. Zugegebenermaßen - bei sehr guten Büchern ist es durchaus legitim, etwas Ähnliches zu hinterlassen, aber das Problem an diesen Fangirlen ist, dass die Kommentare meistens bei Werken auftauchen, die eben nicht so toll geschrieben sind. Und das wiederum sorgt dafür, dass betreffender Autor ein kleines bisschen überheblich wird oder (im besseren Fall) bodenständig genug ist, um zu wissen, dass sein Text verbesserungswürdig ist und sich ärgert, dass keine ordentliche Kritik kommt.

Der Stammkommentierer
Der Name sagt eigentlich schon alles. Sobald man ein neues Kapitel veröffentlicht, kann man sich sehr sicher sein, dass diese Person einen Kommentar (oder mehrere) hinterlässt. Für all jene, die das bei meinen Werken tun, danke ich Gott auf Knien - hypothetisch gesehen, da ich und Gott derzeit keinen sonderlich guten Draht zueinander haben (lange Geschichte).

Der Sportkommentator
Mir fällt gerade auf, dass ich mich nicht zwischen dem Begriff Kommentator und Kommentierer entscheiden kann ... Kommentator ist vermutlich richtiger, aber Kommentierer ist auf Wattpad der häufiger genutzte Begriff.
Jedenfalls - der Grund für diese Bezeichnung ist nicht unbedingt offensichtlich, aber ich denke, dass es die meisten nachvollziehen können. Es gibt Leser, die frei nach Schnauze alles im Text kommentieren, worauf sie Lust haben. Meistens so, als würden sie mit dem Protagonisten sprechen und ihm Tipps und Hinweise geben oder ihn schlicht für seine Unfähigkeit zu erkennen, dass dieser Ort geradezu HINTERHALT schreit, anbrüllen. Ich persönlich finde solche Kommentare immer sehr amüsant.
Übrigens machen die bei einigen Werken (meinem zum Beispiel) oft einen Großteil der gesamten Kommentare aus - von nur einer Person, wohlgemerkt. (Am Ende von der Fluch der Hexen zähle ich sie alle, Lou, verlass dich drauf ;D)

Der Experte
Auch oft unter der richtige Kritiker bekannt. Er hat offenkundig tatsächlich Ahnung von dem, was er schreibt, und weißt auf Logikfehler und Ähnliches hin, jedoch so, dass man sich sicher sein kann, seinem Urteil vertrauen zu können (im Gegensatz zum Pseudokritiker). Ich persönlich mutiere manchmal zu einem, wenn mich jemand darum bittet, aber in der Regel ist mir das zu aufwendig und ich genieße lieber das Lesen. Hut ab vor allen, die das dauerhaft durchhalten.
In 90% der Fälle ist der Experte ein Experte für das kreative Schreiben, es gibt aber auch jene, die beispielsweise sehr in Neurologie interessiert sind und dann endlich die Gelegenheit haben, ihr Wissen zu beweisen und den Autor darauf hinzuweisen, dass die Informationsübertragung durch Synapsen erfolgt.

Der Gelegenheitskommentierer
- oder auch der Normalo. Das sind all jene, die immer dann kommentieren, wenn sie gerade Lust zu haben. Der Inhalt kann dabei von "Genial xD" bis hin zu einem mehrere Zeilen langem Text reichen. Also so ziemlich jeder, der überhaupt Kommentare schreibt.

Der Nullchecker
Diese Kommentare landen manchmal auch unter der Kategorie Pseudokritiker, weil sie Dinge anbringen, die nicht mal der Autor versteht. In der Regel sind es Kleinigkeiten, die aber im Endeffekt nur noch mit dem Wort - pardon - dämlich bezeichnet werden können. Man hat das Gefühl, dass der Nullchecker noch nie ein Buch in der Hand hatte oder erst neun ist (ja, die dürfen hier schließlich offiziell nicht sein).
Oft tauchen dabei Fragen auf, die den Autor des betroffenen Textes erst stirnrunzelnd, dann lachend zurücklassen. Der Anschaulichkeit halber hier ein Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung:
[nach einer kurzen Diskussion, dass der zweite Protagonist lieber die Hauptperson sein sollte und weiteren Nachfragen meinerseits]
Der Nullchecker: Ja, man erkennt nicht, wessen Perspektive das ist.
Der geniale Autor alias ich: ... Aber es steht doch der Name darüber ._.
Ihr wollt nicht wissen, wie meine Schwester und ich vorhin gelacht haben, als ich den Kommentar wiedergefunden habe - darauf habe ich übrigens keine Antwort mehr erhalten.
(Sollte die beteiligte Person das hier entgegen aller Wahrscheinlichkeit lesen - ich hoffe, du kannst nachvollziehen, warum dieser Kommentar in der Kategorie Nullchecker gelandet ist.)

Der Extraordinäre
Diese Kommentare sind immer lang bis sehr lang und lassen sich in keine der anderen Kategorien einordnen. Meistens bestehen sie aus überschwenglichen Lobeshymnen, die den Autor dermaßen verlegen zurücklassen, dass er keine Ahnung hat, was er außer einem "Danke" antworten soll.
Die Kommentierer sind sich dessen nicht bewusst, aber vollkommen von der Richtigkeit ihrer Worte überzeugt. Sie scheinen oft einen Hang zum Dramatischen zu haben und übertreiben (meiner Meinung nach) gelegentlich etwas.

Der Hater
Damit bin ich zum Glück noch nicht direkt in Berührung gekommen, aber es gibt sie dennoch. Beleidigungen machen den Großteil des Inhalts aus.

Der Unbeteiligte
Diese Kommentare kommen nur dadurch zustande, dass jemand kommentiert, der Autor antwortet, und dann plötzlich ein Follower des ursprünglichen Kommentierers auf der Matte steht und seinen Senf dazu gibt. Mal ist es positiv, mal negativ.

Der übertrieben Genaue und das Arschloch
Ich schreibe diese beiden Arten bewusst zusammen, denn sie unterscheiden sich nur wenig. Der übertrieben Genaue regt sich über jeden kleinen Kommafehler auf, während das Arschloch sich meistens eher auf inhaltliche Dinge bezieht und deutlich macht, dass das gesamte Buch eigentlich reif für den Müll ist.
Mir ist erst heute eins dieser Exemplare über den Weg gelaufen und ich hoffe, dass der ein oder andere von der Sorte das hier mal liest. Es kann durchaus sein, dass das Werk tatsächlich schlecht war, aber das ist kein Grund, es tausendmal zu sagen. Jeder hier fängt mal klein an und wenn ich mir mal mein erstes Werk ansehe, kann ich nur hoffen, dass sich nie jemand dieser Art dorthin verirrt (obwohl er es vermutlich bereuen würde *grins* aber wenn mir damals so jemand derartige Kommentare hinterlassen hätte, hätte ich das mit dem Schreiben wohl ganz schnell sein gelassen).
Wenn man Kritik gibt, sollte sie sachlich sein, insbesondere bei Werken, bei denen man ganz deutlich merkt, dass der Autor noch nicht sehr lange schreibt.

Der Moralapostel und der "Marketingexperte"
Diese beiden haben es in eine gemeinsame Kategorie geschafft, weil sie beide nichts mit dem eigentlichem Buch, in dem sie auftauchen, zu tun haben.
Der Moralapostel ist vermutlich nicht sehr vielen bekannt, dennoch möchte ich ihn erwähnen. Es gibt sicher verschiedene Versionen von ihm, doch eine hat hier vor einer Weile mal ganz besonders ihr Unwesen getrieben. Sagt jedem der Text von wegen "Das Mädchen, das du eine Schlampe genannt hast? [...]" etwas? Für alle, die noch nicht damit in Berührung gekommen sind, die Kurzfassung: der Text soll zeigen, warum Mobbing unmöglich ist und jeder, der gegen Mobbing ist, soll ihn in seine Biographie kopieren.
An sich nicht schlimm, aber der Moralapostel hat diesen Text mehrfach in die Kommentare eines fremden Buchs eingefügt. Allein das geht gar nicht, dann noch zu behaupten, jeder, der den Text nicht in seinem Profil hätte, hätte kein Herz, ist die absolute Höhe.
Der "Marketingexperte" ist nicht viel anders und er ist bewusst in Anführungszeichen gesetzt. Das sind genau die, die unter anderen Büchern ihre verlinken oder in irgendeiner anderen Weise dafür werben. Dass sie damit eigentlich das genaue Gegenteil erreichen, scheint ihnen nicht bewusst zu sein.

Der Copyrightschnüffler
Sehr kreativer Name, nicht wahr? Diese Kommentare sind wohl der Albtraum aller Autoren hier auf Wattpad (zumindest einer von meinen). Es ist recht einfach zu erklären: in irgendeiner Form wird dem Autor unterstellt, von diesem und jenem anderem Werk abgekupfert zu haben. Die Erklärungen, dass solche Szenen nicht nur in dem Bestseller xy, sondern auch in der Realität, Geschichte, whatever stattfanden, wollen sie oft nicht hören.
Dass es schlicht Zufall ist, dass bestimmte Ähnlichkeiten bestehen, ist für viele eine ebensolche Unmöglichkeit. Sie finden es "absolut inakzeptabel und eine Frechheit, dass [der Autor] sich mit fremden Federn schmücken und auf diese Weise fame werden will. [Der Autor] sollte sich schämen!"
Himmel, wie ich das hasse. Wirklich, solche Leute ziehen sich meinen Hass zu (nein, Sunny, du nicht xD). Es mag Leute geben, die eiskalt kopieren, aber das ist wirklich die Minderheit. Die paar Ähnlichkeiten die einige Leser sehen, kann man nicht einmal als solche bezeichnen.
Ich flehe euch an: macht sowas nicht. Ernsthaft. (Wer meine ausführliche Meinung dazu lesen will, darf sich eingeladen fühlen, das entsprechende Kapitel in meinem "Du bist jetzt halt fame" Buch zu lesen)

Der Ungeduldige
"Schreib schnell weiter!"
"Wann geht es weiter?"
"WEITER!!!!"
Jetzt mal ehrlich - es ist schön, dass euch diese Geschichte offenbar derartig begeistert, aber ihr habt offensichtlich noch nie versucht, selbst zu schreiben und keine Ahnung, wie viel Kraft, Zeit und Energie es kostet, ein weiteres Kapitel zu schreiben.
Ich beispielsweise brauche etwa vier Stunden für ein Kapitel. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, dabei gehöre ich damit noch zu der schnelleren Fraktion.
Den Autor dazu zu drängen, gleich das nächste Kapitel zu veröffentlichen, ist eine Frechheit. Man kann nicht einfach mit dem Finger schnippen und damit ein komplettes Kapitel  innerhalb einer Sekunde auf dem Bildschirm erscheinen lassen.

Der Endloswarter
Man könnte meinen, es mit einem stummen Leser zu tun zu haben, bis urplötzlich beim Epilog oder letztem Kapitel ein Kommentar auftaucht. Ich denke mir dann zwar immer: besser spät als nie, aber trotzdem frage ich mich, warum nicht früher kommentiert wurde. Die Antwort auf diese Frage ist übrigens oft "es ist zu spannend, um innezuhalten und einen Kommentar zu schreiben".

Der Dudenhasser
Diese Kommentare stellen oft ein regelrechtes Rätselraten da, weil sie schlicht und einfach alle grammatikalischen Regeln und richtige Rechtschreibung vernachlässigen. Manchmal bekommt man dann einen ganzen Absatz, der so seltsam, ohne Satzzeichen, mit merkwürdiger Groß- und Kleinschreibung, ist und scheinbar mit willkürlich Wörtern versehen wurde, dass man ihn nicht versteht. Ist mir übrigens auch schon mit einem einzigen Satz passiert ... Ich weiß bis heute nicht, was der bedeuten sollte.

Ich glaube, das war es ungefähr. Natürlich gibt es noch andere Arten von Kommentaren, aber das sollten in etwa die häufigsten sein. Oder kennt ihr noch andere?

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