Ich bin mir nicht sicher, was genau ich mit diesem Titel meine. Er hat sich von selbst auf's Papier geschlichen und vorerst belasse ich es dabei, statt ewig darüber nachzudenken. Vielleicht fragt sich der ein oder andere jetzt, warum historische Romane bitte ein Phänomen von Wattpad sein sollen – ich verspreche euch, das noch zu erklären, aber ich fürchte, dabei einigen Leuten auf die Füße zu treten.

Sei's drum, vielleicht kann ich ja jemanden aufwecken.

Ursprünglich wollte ich nie über dieses Thema schreiben, bin aber zufällig durch meinen Newsfeed auf einen Kommentar aufmerksam geworden und in Folge dessen in den Genuss einer Diskussion gekommen. Leider vor meiner Zeit, sonst hätte ich mich durchaus mit reingehangen. Der Ausgangspunkt war die Frage, wie sich dieses Werk historischer Roman nennen kann und das war letztlich der Auslöser, um mich zu diesem Kapitel zu bewegen.

Vorweg: ich behaupte, Ahnung von historischen Romanen zu haben. Nicht zuletzt deshalb, weil sie den Großteil der Bücher, die ich lese, ausmachen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich bisher immer von der Kategorie „historische Romane" hier auf Wattpad ferngehalten habe. Tief im Inneren muss ich gespürt haben, dass ich enttäuscht sein würde.

Vor ein paar Wochen habe ich mich zwecks ... mhm ... Revierauslotung zum ersten Mal seit ich mich erinnern kann ernsthaft dort herumgetrieben, um herauszufinden, in welche Umgebung ich mein neues Projekt schicken werde. Damals sind mir schon ein paar wenige Bücher untergekommen, bei denen man die Geschichte tatsächlich spüren konnte (Geschichte im historischen nicht im literarischen Sinn). Das war leider aber die Seltenheit. Entweder sind die Bücher, die die Betitelung historischer Roman wirklich verdient haben, zu diesem Zeitpunkt unter all den anderen verschollen gewesen oder es gibt tatsächlich nur so wenige.

Heute bin ich noch einmal durch die ersten Platzierungen gescrollt, weil ich sehen wollte, wie viele von Prinzen und Königen handeln. Unter den ersten fünf waren drei, wenn ich mich richtig erinnere, die anderen beiden haben sich nur unwesentlich davon unterschieden.

Allein von den Klappentexten kann man sagen, dass viele der historischen Romane auf Wattpad eine Protagonistin beinhalten, die von ihrem Vater dazu gezwungen wird, einen Prinz/König/Lord zu heiraten, wahlweise auch an ihn verkauft oder entführt wird. Spontan vermute ich, dass sie mit ihrem neuem Lebenspartner nicht zufrieden ist, die beiden sich ständig streiten, er zehn Geliebte und dreißig uneheliche Kinder (jaja, ich habe Bastarde wieder gestrichen) hat, sie sich aber letztlich verlieben und ein glückliches Leben führen. Stichwort Märchen aus der Überschrift. Oh, und sie hat natürlich lange, ausfallenden Kleider und eine Zofe. Fast vergessen – wahrscheinlich vergewaltigt und schlägt ihr neuer Mann/Sklavenhalter/whatever sie auch noch (bloße Vermutung an der Stelle, ich habe die Werke, um die es hier geht, nicht so weit gelesen).

Man erfährt oft weder wann noch wo die Geschichte spielt und ob irgendetwas von dem Erzählten historisch korrekt ist. Ich liebe dieses Wort. Historisch. Und auf Nachfrage reagieren Autoren oder Leser mit der Aussage „Es ist eine ausgedachte Geschichte".

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Warum stört mich das denn jetzt so? Die schlichte Wahrheit: ich liebe historische Romane. Und ich glaube, dass ich durch sie mehr über Geschichte weiß als durch den Unterricht, bei dem unsere Lehrerin uns bis zur zehnten Klasse Texte aus dem Lehrbuch satzweise vorlesen lassen hat (kein Witz). Historische Romane (wie oft habe ich dieses Wort jetzt schon benutzt?) haben das Potenzial, Geschichte zum Leben zu erwecken und selbst diejenigen, die im Geschichtsunterricht einschlafen, dafür zu begeistern. Ich glaube, es ist schon so schwierig, gerade junge Leser dazu zu bringen, einen historischen Roman zur Hand zu nehmen (was nicht zuletzt daran liegt, dass es auch echt trockene Exemplare in diesem Genre gibt – die schlage dann selbst ich nach zehn Seiten wieder zu) und dass Wattpad eine eigene Kategorie dafür eingeführt hat, sollte ein Segen für dieses Genre sein.

Ist es aber nicht!

Ich kann nicht oft genug sagen, wie viel Zeug sich dort tummelt, das nicht einmal ansatzweise historisch genannt werden darf. Mag sein, dass es arrangierte Ehen, Mätressen (scheint übrigens ein Lieblingswort zu sein, um den Anschein eines historischen Werkes zu erwecken), Könige und Burgen gab, aber ganz sicher nicht so, wie es hier zum Teil dargestellt wird. Großes Stichwort: Recherche. Ich sitze gerade selbst an einem historischen Roman und recherchiere so viel wie noch nie (was, an meinen Verhältnissen gemessen, wahrscheinlich immer noch wenig ist). Da geht es nicht einmal vorrangig darum, echte Ereignisse einzubinden, sondern darum, wie das Leben damals war. Was hat man gegessen? Welche Kleidung wurde getragen? Wie haben die Menschen gelebt, wie schnell konnten sie reisen, was waren bestimmte Dinge wert, welche Religion herrschte, wie könnten die Häuser ausgesehen haben? Übrigens war das Leben auf einer Burg sehr unkomfortabel, für alle, die dort unbedingt ihre Geschichte spielen lassen müssen.

Wenn ich dann in einem historischen Roman, der vermutlich irgendwo im Mittelalter angesiedelt ist (oder sein soll?) das Wort Büro lese, würde ich am liebsten eine Runde missgelaunte Deutschlehrerin spielen und das fett mit zehn Ausrufe- und Fragezeichen einkreisen.

Ganz im ernst, so geht das nicht. Und sich dann Kritik wünschen und Leute, die fehlende historische Korrektheit anmerken, dumm anmachen, ist nur die Spitze des Eisbergs.

Man fragt sich glatt, was eigentlich schlimmer ist: Der offensichtliche Unwille, ein wenig Recherche zu betreiben, oder doch die Ignoranz, mit der Begriffe verwendet werden, die dem unerfahrenen Leser den Anschein vermitteln, der Autor hätte Ahnung, während alle, die sich ein bisschen damit auskennen, nur den Kopf schütteln können.

Kleines Beispiel. Diana Gabaldons Outlander Reihe erlebt gerade durch die darauf basierende Serie ein riesen Comeback (ja, die sind eigentlich schon über zehn Jahre alt). Als ich nun vor ein paar Wochen meine besagte Reviererkundung durchführte, stieß ich irgendwann auf eine Geschichte, die in Schottland angesiedelt ist. Als Outlander Fan (und Autorin, die sich selbst Schottland als Setting ausgesucht hat) habe ich es dann sogar weit genug gelesen, um mir ein Bild davon zu machen. Dass die Namen nun auch alle in Outlander vorkamen, nehme ich niemandem übel (aber es gibt so viele schöne andere Namen, die früher in Schottland populär waren – Fergus kommt übrigens aus dem Gälischen, falls ein paar Outlanderfans anwesend sind und ebenfalls davon ausgingen, das wäre ein französischer Name). Was mich dann gestört hat, war die Verwendung des Begriffs Laird.

Wenn die Autorin nur ein bisschen Recherche betrieben hätte, wüsste sie wohl, dass ein Laird alles andere als ein hochrangiger Titel war (laut meinen Quellen der niedrigste Landadel), der sich wohl kaum ein prunkvolles Schloss samt unzähliger Bediensteter leisten konnte und auch nicht über ein sehr großes Stück Land geherrscht hat.

Jetzt habe ich den Faden verloren ...

Was ich eigentlich sagen will: in die Kategorie historische Romane gehören auch nur diejenigen, die zumindest halbwegs als historisch bezeichnet werden können. Dafür muss man keine Biographie über Anne Boleyn schreiben; wenn die äußeren Umstände ordentlich sind, bin ich schon glücklich.

Falls ich zufällig bei jemandem das Interesse an diesem Genre geweckt haben sollte – neben Diana Gabaldon empfehle ich Rebeccca Gable und Bernhard Cornwell (und viele mehr, aber ich habe ein mieses Namensgedächtnis).

Und zuletzt: ich spreche hier nicht von allen historischen Romanen auf Wattpad. Es gibt auch viele, die sich wirklich so nennen können – nur wird deren verdiente Aufmerksamkeit von Geschichten über Prinzen und Prinzessinnen wider Willen abgelenkt.

Könnt ihr verstehen, was mich so stört oder seht ihr das lockerer?

Lest ihr historische Romane?

Seit ihr auf Wattpad schon einmal auf ein Buch gestoßen, das völlig zu Unrecht als historisch betitelt wurde?

PS: Wenn ich mich nicht verzählt habe, habe ich dreiundzwanzig Mal das Wort historisch verwendet. Die Frage ist wohl, ob alle, die einen historischen Roman auf Wattpad hochladen, überhaupt wissen, was dieses Wort bedeutet.