24.12.2017

Von und laureenia und @nxbxdyismx

„Jungs, jetzt helft doch mal mit beim Aufräumen! Dann geht es auch schneller." Murrend erhoben sich die zwei Brüder und folgten ihrer Schwester mit schmutzigem Geschirr in die Küche. Dort waren sowohl ihre Mutter, als auch ihre Großmutter bereits damit beschäftigt, die Reste des Weihnachtsschmauses portionsweise in Boxen zu verstauen. Als sich die Familie eine halbe Stunde später im Wohnzimmer einfand, glitzerten die Augen der Kinder bereits beim Anblick der vielen Geschenke. Die beiden Brüder machten es sich sofort auf dem Boden gemütlich und betrachteten die Geschenke kritisch. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich deutlich wieder, wie beschäftigt sie damit waren, jedes einzelne Päckchen zu analysieren. Ihre Schwester konnte sich bei diesem Anblick das Lachen nicht verkneifen. „Ihr beiden seid echt unmöglich! Immer nur auf die Geschenke aus." Grinsend ließ sie sich zwischen ihre Brüder fallen, konnte jedoch nicht verhindern, dass auch ihr Blick skeptisch über die Geschenke wanderte. Ihre Größe und Menge war verlockend. Das Mädchen stützte sich seufzend auf ihren Händen ab, als der Ältere mit einem frechen Grinsen erwiderte: „Du hast es erfasst." Der Jüngste gab einen zustimmenden Ton von sich, während sich ihre Mutter bereits hinter den Kindern positioniert hatte. „Sieh sie dir nur an! Meine Kinder sind jetzt schon so erwachsen, doch an Weihnachten verhalten sie sich wie die Kleinen." Lächelnd blickte sie auf die herumalbernden Kinder hinab. Kurz strich sie dem Ältesten durch die seidigen dunklen Locken, was dieser mit einem strengen Blick an seine Mutter quittierte. „Mum!" Schmollend blickte er in die Runde, während die anderen zu lachen begannen. „Ich bin einundzwanzig. Außerdem ist Weihnachten, da haben die Geschenke erste Priorität und nicht meine Haare." Er zwinkerte seinen Geschwistern zu. „Sie dir doch mal die Geschenke hier an, die sind unter Garantie tausend mal interessanter als meine Kopfbehaarung."

Das erste Geschenk fiel dem Mädchen in die Hände. „Darf ich das auf machen?", richtete sie sich an die restliche Familie. „Aber sicher mein Schatz, es ist für dich.", hörte sie die alte Stimme der Großmutter. Mit einem kurzen Nicken öffnete sie den dicken Briefumschlag. Das Knistern des Kaminfeuers war das Einzige, was die aufgeregte Stille durchbrach. Alle waren gespannt, was sich in dem Umschlag versteckt hatte. „Ein Schlüssel?" Verwirrt blickte die junge Frau in die strahlenden Augen ihrer Großmutter. „Aber nicht doch. Es ist nicht irgendein Schlüssel, sondern der Schlüssel. Er gehört zu einer alten Schatulle, welche ich vor einigen Jahren mal an Weihnachten gefunden habe." Entzückt betrachtete die alte Dame den Schlüssel, der einst ihrer gewesen war. „Und...und wo ist die Schatulle jetzt?" Fragend blickte die Enkelin ihre Großmutter an. „Gibt's nicht mehr." „Wie, gibt's nicht mehr?" Die Brüder hatten Gefallen an der Geschichte gefunden. „Ach, das ist eine lange Geschichte." Die Augen der Kinder leuchteten vor Aufregung. „Erzähl sie uns!", forderten sie. „Also gut."

Nachdem es sich die Geschwister mit einigen Kissen und Decken vor ihrer Großmutter gemütlich gemacht hatten, begann diese zu erzählen.

„Das Ganze ist schon ein paar Jahre her, vierzig vielleicht. Ich war so Ende zwanzig und es war Weihnachten. Weihnachten '77. Damals war die komplette Familie zusammen gekommen, ähnlich wie heute. Euer Großvater, meine Eltern und Geschwister. Alle Menschen, die mir wichtig waren, kamen. Damals sah das hier alles noch ganz anders aus. Dieser Raum hier, war beispielsweise das Arbeitszimmer meines Vaters."

„Oma, erzähl uns doch die Geschichte von der Schatulle und nicht die des Hauses.", wurde die alte Frau aufgeregt unterbrochen.

„Nun gut. Es gab wie jedes Jahr ein besonders leckeren Braten und aus einem mir leider unerfindlichen Grund, schickte mich euer Urgroßvater noch vor dem Essen in sein Büro, um ihm die Schere vom Kaminsims zu holen. Vaters Arbeitszimmer war ein sehr privater Raum, zu dem uns der Zutritt schon im jungen Alter untersagt gewesen war. Vorsichtig öffnete ich also die Tür - nur einen winzigen Spalt breit - und lugte in das große Zimmer. Im Kamin flackerte ein Feuer und auf dem Schreibtisch stapelten sich Papiere. Im ersten Moment schien alles ganz normal, doch dann vernahm ich ein schrilles, gackerndes Lachen. Verwirrt öffnete ich die Tür weiter und bekam ein unglaubwürdiges Schauspiel zu Gesicht. Im Kamin, dort wo das Feuer am heißesten brannte, erschienen nach und nach Geschenke. Sie fielen durch den Schornstein direkt ins Feuer, doch sie verbrannten nicht. Mit großen Augen sah ich zu, wie viele kleine Gestalten halb hüpfend und halb fliegend durch das Zimmer wirbelten und die Geschenke aus dem Feuer fischten. Sie waren ungefähr so groß wie eine Männerhand, hatten eine grünlich schimmernde Haut und zierliche Flügelchen, die sie durch die Luft sausen ließen. Eine Weile betrachtete ich das Szenario entzückt, bis ich mich an den Grund meines Aufenthalts erinnerte. Ich hatte nicht vor, die kleinen Wesen bei ihrer Arbeit zu stören, doch irgendwann musste ich meinem Vater die Schere schon bringen. Also huschte ich in den Raum und hoffte, sie würden mich nicht gleich entdecken, doch sobald ich einen Fuß in den hinein gesetzt hatte, begannen die kleinen Geschöpfe verrückt durcheinander zu schwirren und aufgeregte Laute auszustoßen. Wie angewurzelt blieb ich stehen und wusste nicht, wie ich aus dieser Lage herauskommen könnte. Verzweifelt drehte ich meinen Kopf nach links und recht, doch wo ich auch hinsah, sie waren überall. Ihre Flügel schimmerten, ihre grünen Körper glänzten und mir wurde ganz schwindelig. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und als ich sie wieder öffnete, waren alle kleinen Wesen verschwunden. Ich drehte mich einige Male um mich selbst, scannte den Raum mit Blicken ab und konnte am Ende doch nichts entdecken, woran ich mich vergewissern könnte, dass die letzten Minuten wirklich so passierten waren."

„Oma, willst du uns hier etwa einen Bären aufbinden?", fragte der jüngste der Geschwister. Ihre Großmutter stoppte in ihrer Erzählung und sah den Jungen fragend an. „Warum sollte ich das tun? So etwas habe ich doch gar nicht nötig, oder?" Ihre Großmutter sah sie wissend an. „Natürlich vertrauen wir dir voll und ganz, die Geschichte, die du uns erzählst ist sehr spannend.", mischte sich ihre Mutter in das kurze Gespräch ein, bevor sich ihre drei Kinder noch über die Erzählung ihrer Großmutter lustig machen würden, „Bitte erzähl doch weiter!"

„Mit Vergnügen." Sie lächelte ihrer Tochter kurz zu, bevor sie erneut zu erzählen begann.

„Ich blickte mich weiter um und meine Augen blieben an der großen Schere auf dem Kaminsims hängen. Ich erinnerte mich an meinen Auftrag, diese eurem Urgroßvater hinunter zu bringen und machte mich also auf den Weg zum Kamin, wobei ich über zahlreiche Geschenke, die die kleinen Elfen, wie ich annahm, einfach hatten fallen lassen, stieg. Ungefähr einen Meter vor dem Kamin stockte ich aber, da mir eine Holzschatulle ins Auge viel, die direkt vor dem Kamin auf dem Boden lag. Sie war nicht sonderlich groß, vielleicht eine große Hand breit, und hatte wunderschöne Verzierungen eingeschnitzt, die sich um den sonderbaren Kasten wanden. Ich beugte mich zu ihr hinunter und schüttelte sie leicht, um zu überprüfen, ob sie leer war. Doch wider Erwartens meinerseits, klapperte etwas in der Schatulle, es musste ein eher kleinerer Gegenstand sein, eine Kette oder ein Armreif zum Beispiel sein. Bei genauerem Betrachten musste ich allerdings feststellen, dass sie abgeschlossen war, doch mir blieb nicht einmal die Zeit, mich nach dem fehlenden Schlüssel umzusehen, da ich von dem Knarren der Bürotüre unterbrochen wurde. Erschrocken zuckte ich zusammen, doch es war nur euer Großvater, der mich verschmitzt durch den Türspalt ansah. Ertappt ließ ich die Schatulle sinken und wurde wohl ziemlich rot. Ich konnte förmlich die Wärme spüren, wie sie in meine Wangen kroch und sich dort festsetzte. „Was ist los? Wieso brauchst du denn solange, um eine Schere zu holen?", belustigt sah eurer Großvater auf mich herunter. „Euhm...", verschmitzt sah ich ihn an. „Was ich dir erzählen will, glaubst du mir bestimmt eh nicht." Einen Moment versteckte ich mein Gesicht hinter meinen Händen, ehe ich vorsichtig durch die Finger lugte. Neben eurem Großvater, konnte ich erneut das reinste Chaos ausmachen. „So wie es hier aussieht, würde ich meinen, dass du die Elfen überrascht hast und sie sich aus dem Staub gemacht haben.", sein Blick war meinem gefolgt und er inspizierte das Büro meines Vaters noch einmal genau. Doch ich traute meinen Ohren nicht. „Du kennst diese Wesen? Und warum hat mich Vater dann alleine hier hoch geschickt?" Überrascht sah mich euer Großvater an. „Du wusstest nicht von ihnen?" Verwirrt schüttelte ich den Kopf, ließ mich dann aber von ihm auf die Beine ziehen. „Na los, schnapp dir die Schere und die Schatulle und wir fragen mal deinen Vater, wieso er dir nie von ihnen erzählt hat." Ich gehorchte und kurze Zeit später, als wir alle wieder im Wohnzimmer versammelt waren, reichte mir meine Mutter eine Kette. Der Anhänger wurde von einem kleinen Schlüssel gebildet und einer Eingebung folgend, steckte ich ihn in das Schlüsselloch der Schatulle. Er passte. „Nun mach schon auf.", lächelte meine Mutter, und als ich den Schlüssel drehte, schnappte die Schatulle auf. In ihr lag ein wunderschöner Armreif, silbern und mit goldenem Blattwerk verziert. Ein staunender Ton kam mir über die Lippen und durchbrach die Stille. „Es ist wunderschön." „Wir freuen uns, dass es dir gefällt." Glücklich schlossen mich meine Eltern in die Arme. Nachdem wir uns gelöst hatten, fielen mir wieder die Elfen ein und das Chaos, das sie hinterlassen hatten. „Eine Frage hätte ich da aber noch." Fragend blickte ich in die Runde. „Was hat es mit den Elfen und dem Kamin in deinem Büro auf sich, Vater?" Erstaunt blickte mein Vater zu mir. „Woher kennst du die Elfen? Sie waren doch nicht wieder so unachtsam, oder?"

„Sie waren in deinem Arbeitszimmer, als ich die Türe öffnete flatterten sie ganz schnell durch den Raum und verschwanden. Leider sieht es nicht so gut aus, die Geschenke liegen alle Kreuz und Quer auf dem Boden. Warum weiß ich eigentlich nichts von ihnen, ich habe hier immerhin auch einen Teil meines Lebens verbracht?" Meine Mutter lächelte und antwortete für meinen Vater der aus der Salontür huschte, um sehr wahrscheinlich seinen privaten Raum wieder herzurichten.

„Wir haben dir oft von ihnen erzählt, als du klein warst, aber so Älter du wurdest umso weniger wolltest du von ihnen wissen." Der warmherzige Blick meiner Mutter glitt von meinem Gesicht auf die Schachtel in meinen Händen. „Aber woher stammt dieser Armreif, den hab ich noch nie gesehen."

„Das ist nicht irgendeiner. Das ist meiner." Jetzt schauten ich und meine Mutter zu meinem Geliebten. „Deiner?" Fragten wir ihn synchron.

„Ja, also nein. Dieser Armreif ist das Weihnachtsgeschenk von mir für dich.", wurde mir erklärt. Ich nahm den großen Ring aus seiner Box und sah ihn mir an. Ein „M+F" war in die Innenseite eingraviert worden."

Die Großmutter lächelte zu Ende der Geschichte ihre Enkel an. „Jetzt will ich, das du meine liebe Enkelin, das kleine Päckchen ganz tief unter dem Weihnachtsbaum öffnest." Ohne Wiederworte suchte die Enkelin das Geschenk raus und begann vorsichtig das Papier von dem Geschenk zu lösen, die Geschenkverpackung legte sie auf den Boden. Das Geschenk enthielt ein kleines Säckchen aus einem mitternachtsblauen Samtstoff. Die Schwester der neugierigen Brüder öffnete auch diesen und ließ den Inhalt ihn ihre Hand fallen. Es war der Armreif aus der Geschichte. Er hatte die selben Goldverziehrungen und war ebenso filigran ausgearbeitet, wie es ihre Großmutter beschrieben hatte.

„Das ist dein Armreif, oder?" Aufgeregt wackelte die junge Dame im Schneidersitz hin und her. Ihre Großmutter nickte nur, da ihr Tränen in die Augen schossen. „Schau einmal auf die Innenseite. Dort sind die Initialen deines Großvaters und mir eingraviert. Die Initialen deiner Eltern sind auch vor zu finden, sie alle wurden vor den jeweiligen Hochzeiten hinzugefügt, außer deine. Leider verlor ich es kurz vor der Hochzeit deiner Eltern, fand es aber glücklicherweise letztens auf dem Speicher wieder. Ich wünsche mir das du diese Tradition nicht unterbrichst und auch deine Initialen irgendwann mit denen deines Mannes eingravieren lässt."

Die alte Dame schnäuzte in ihr Taschentuch und der Armreif am Handgelenk der Enkelin leuchtete im Schein der Kerzen am Tannenbaum.

-Ende-

Diese Kurzgeschichte wurde von laureenia und nxbxdyismx verfasst (Team 12). Wir hoffen, dass sie euch gefallen hat und dass ihr einen wunderschönen Heiligabend mit eurer Familie oder euren Freunden verbringt. ~24.12.2017

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