16 | Mörder*in

Mir wurde heiß und kalt und ich begann augenblicklich zu zittern. Wer schickte mir so eine Nachricht? Ah, dumme Frage. Natürlich Caissys Mörder*in, aber...woher hatte er oder sie meine Nummer?!

Das Hupen der genervten Autofahrer hinter mir, bemerkte ich kaum. An weiterfahren war jetzt eh nicht zu denken, egal, ob ich reglos an einer grünen Ampel stand. Meine Hände waren schweißnass und ich wischte sie an meiner Hose ab, während meine Kehle vor Trockenheit zu kitzeln begann. Ich schluckte schwerfällig und tippte mit zittrigen Fingern auf 'antworten'.

Das Herz schlug mir bis zum Hals, der kaum weit genug war, meinem hektischen Atem Raum zu geben und ich brauchte gefühlte Ewigkeiten für die drei Worte. „Wer bist du?" Noch so eine dumme Frage. Er oder sie würde es mir sicher nicht sagen, doch war es das, was gerade mein ganzes Denken beherrschte. Wer?! WER???

Ich berührte den Punkt auf dem Display, unter dem der Absendebutton zu sehen war und zuckte leicht zusammen, als direkt die Nachricht kam 'Senden fehlgeschlagen. Nummer existiert nicht.'

Wie, 'Nummer existiert nicht'? Sie hatte mir doch eben gerade eine SMS geschickt! Ich drückte erneut auf senden, doch wieder bekam ich dieselbe Nachricht.

Da ich absolut keine Ahnung von Technik hatte, wusste ich nicht, wie er oder sie es getan hatte, doch schien die Nummer wirklich nicht mehr existent, denn auch, als ich versuchte, unter ihr anzurufen, teilte mir die Computerstimme nur mit, dass die Rufnummer nicht vergeben sei.

Tief atmete ich durch und sah auf. Was sollte ich nun tun? Meine Augen huschten die Straße entlang und ein Rauschen erfüllte meine Ohren. Jeder schien mich anzustarren, alle Autos erschienen mir, als habe ich sie schon einmal gesehen. War mir jemand gefolgt? Hektisch blickte ich mich um und zuckte mit einem hellen Schrei zusammen, als urplötzlich jemand gegen meine Fensterscheibe pochte.

Mit großen Augen starrte ich zu dem Mann, der mich wütend anstierte und mir wurde eiskalt. War es das jetzt? Würde er mich nun umbringen? Wer war er überhaupt? Dann wurde mir klar, dass er versuchte, mir etwas zu sagen und ich kurbelte mit zitternden Fingern das Fenster meines alten Fords hinunter.

„Was stehen Sie hier mitten auf der Straße rum?", herrschte der Mann mich an und deutete auf die Ampel. „Grüner wird es nicht und sie blockieren den Verkehr!" Als ich nicht antwortete runzelte er die Stirn. „Was ist mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut?" Unsicher sah er sich um, als ich ihn weiterhin nur anstarren konnte. „Soll...soll ich jemanden anrufen?" Er deutete auf das Handy in meiner Hand und ich richtete meinen Blick darauf.

„Nein...", murmelte ich und räusperte mich dann. „N-nein. Entschuldigen Sie, ich..." Ich verstaute das Handy, immer noch zitternd und legte den Gang ein. Ohne ein weiteres Wort fuhr ich los, obwohl die Ampel gerade auf rot sprang und hörte den Mann noch fluchen. Doch war es mir egal. Ich musste nach Hause.

Wie in Trance bog ich in die Straße zu unserem Haus ein, fuhr dann aber erstmal vorbei, um zu schauen, ob mir irgendwas Seltsames auffiel. Die Sms war eine Warnung, Lynn. Noch kein Todesurteil! Ja, versuchte ich mich zu beruhigen. Ja, das war wahrscheinlich richtig. Man würde mich nicht warnen, wenn das Vorhaben im Raum stünde, mich direkt zu töten.

Nachdem mein Puls sich etwas beruhigt hatte, parkte ich auf unserer Auffahrt und sprintete ins Haus. Die Tür schloss ich hinter mir ab und wandte mich zum Haus. „Lish?!", gellte meine Stimme durch die Räume und ich konnte hören, wie verängstigt sie klang. Schon kamen Schritte die Treppe hinab und Lisha tauchte vor mir auf.

„Aislynn, was...", begann sie, unterbrach sich jedoch, als ich mich ihr in die Arme warf. „Dir geht es gut!", schluchzte ich und sie begann, meinen Rücken zu streicheln. „Natürlich", erwiderte sie verwirrt. „Warum sollte es nicht?" Ich schniefte und löste mich etwas aus der Umarmung, sie zu küssen. Dann atmete ich tief durch.

„Caissys Mörder*in hat mir geschrieben." Lisha blinzelte völlig irritiert, als habe sie nicht verstanden, was ich gesagt hatte. Als würden die Worte für sie keinen Sinn ergeben. „Mörder*in?", fragte sie schließlich schwach und ich zuckte mit den Schultern, leicht verständnislos, wie sie das als einziges aus meiner Aussage rauszog.

„Ja. Ich weiß doch nicht, ob es ein er oder eine sie ist..." Ich wedelte unwirsch mit der Hand. „Aber das ist doch völlig egal! Hast du gehört, was ich gesagt habe?" Meine Stimme überschlug sich fast und Lisha schüttelte den Kopf, aber nicht als Antwort auf meine Frage, sondern wie um ihre Gedanken zu klären. „Ja...ich...ja, habe ich, aber...ähm..." Sie stockte und schien um Worte verlegen. Dann schüttelte sie erneut den Kopf. „Das kann doch nicht sein. Wie dumm...woher soll er deine Nummer haben?"

„Oder sie", korrigierte ich gewohnheitsmäßig und sie nickte ruppig. „Jaja, oder sie, schon klar. Aber woher hat Ersie deine Nummer?!" Ich lächelte leicht. Lishas offensichtliche Bestürzung und völlige Verwirrung ließ die meine erstaunlicherweise ebenso abschwächen wie meine Aufregung. Ich nahm Lisha beim Arm und bugsierte sie in die Küche.

„Komm, ich mache uns einen Kaffee, dann erzähle ich dir von meinem Tag, ja? Und du erzählst, warum du Sal allein gelassen hast. Er war ganz verwirrt, als ich ihn anrief." Lisha erwiderte mein Lächeln schwach, schien wirklich betroffen von meiner Aussage. In der Küche setzte sie sich auf die Ecke vom Tisch und starrte mich an. „Was stand in der Nachricht?", fragte sie und ich reichte ihr mein Handy. Ihre Augen weiteten sich und sie schlug eine Hand vor den Mund. „Oh, fuck!", entkam es ihr, was mich zum Lachen brachte. Lisha vermied für gewöhnlich Schimpfworte, da war Marième sehr strikt gewesen in der Erziehung.

Entgeistert sah Lisha mich an und wedelte mit dem Handy. „Wie kannst du da lachen?!", motzte sie mich an und ich hob beschwichtigend meine Hand. „Ich weiß nicht. Dass du dich auch aufregst beruhigt mich irgendwie." Ich lächelte sie an und nach einem Moment erwiderte sie mein Lächeln, auch wenn die Augen nun sehr besorgt schauten.

„Wir sollten aufhören", murmelte sie und sah auf das Handy, dann zu mir. Ich erstarrte. „Was? Nein!", brauste ich auf. „Ich will aber nicht, dass noch etwas passiert!", schoss Lisha zurück und wir starrten uns an, beide aufgewühlt und heftig atmend. Ich schüttelte den Kopf. „Wir werden nicht aufhören – ICH werde nicht aufhören", korrigierte ich mich und sah sie bittend an.

„Das kann ich einfach nicht, Lish. Und das weißt du. Ihm oder ihr muss das Handwerk gelegt werden. Unbedingt!" Lisha nagte an ihrer Unterlippe und starrte ins Nichts, bevor sie langsam nickte, den Blick aber nicht hob. „Ich weiß...", wisperte sie gequält und schluchzte auf, woraufhin ich sie fest in meine Arme schloss.

Da sie noch auf dem Tisch hockte, vergrub sie ihr Gesicht an meiner Brust und klammerte sich um meine Taille, während ich ihr beruhigend über den Kopf strich. „Mir wird schon nichts passieren...", murmelte ich weitaus sicherer, als ich mich fühlte. Ein etwas feucht klingendes Schnauben war meine Antwort. „Dafür werde ich schon sorgen!", knurrte Lisha erstickt und ich grinste, als sie mit entschlossenem Blick ihren Kopf hob.

„Du weißt, ich lasse nicht zu, dass dir jemand etwas tut!" Ich streichelte sanft ihre Wange und lächelte. „Ich weiß, mein Engel. Du beschützt mich immer", raunte ich und senkte den Kopf, sie zu küssen. Es war kein langer Kuss, denn Lisha löste sich bald, atmete tief durch und wischte sich die Reste ihrer Tränen aus dem Gesicht.

„Du hast gesagt, es gibt Kaffee. Und dann erzählst du mir, was sonst noch so passiert ist, außer, dass dir jemand mit dem Tode gedroht hat."


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