Konsequenzen

Gemeinsam mit den anderen Piloten und der Flotte des Widerstands landet Rey schließlich vor einem großen Tempel, der seine besten Zeiten definitiv schon hinter sich hat. Die Mauern stehen noch, auch sonst ist er eigentlich gut in Schuss, jedoch bröckeln an manchen Stellen Teile des Baumaterials ab, was nicht gerade dafür sorgt, dass das Gebäude besonders sicher wirkt. Einem Beschuss aus dem Orbit würde es nicht standhalten, das weiß wohl jeder hier, aber eine andere Option, einen anderen Unterschlupf, gibt es nicht. Viel zu viele Planeten stehen unter Kontrolle der Ersten Ordnung und wenn es das nicht ist, werden zu viele Mitglieder des Widerstands als Kriegsverbrecher gesucht. Leise seufzend und erschöpft setzt Rey ihren Pilotenhelm ab und klettert auf den Flügel ihres A-Flüglers. Sie wartet nichtmal, bis ihr eine Leiter gebracht wird, sondern springt direkt auf den dicht mit Gras bewachsenen Boden, der noch von leichten Regentropfen benetzt ist und magisch in der Sonne funkelt. Überwältigt von der Schönheit dieses Ortes schließt Rey die Augen und saugt die neuen Eindrücke in sich auf. Eine seltsame Ruhe macht sich in ihr breit, strömt wie Wellen durch ihren Körper- und ersetzt so die panische Angst, die während der Weltraumschlacht die Kontrolle über sie zu übernehmen versuchte. Die Begegnung mit Kylo hat sie viel zu sehr aus dem Konzept gebracht, sie zu sehr verwirrt, als dass sie ihre Gefühle vor ihm verstecken konnte. Er hat alles gesehen, wirklich alles. Ihre Angst, ihre Verzweiflung, einfach alles. Aber er hat sie nicht ausgenutzt, noch nicht. Ein leises, fragendes Piepen reißt Rey schließlich aus ihren Gedanken und lässt sie kaum merklich zusammenzucken. Langsam schlägt sie die Augen auf und blickt auf R2, den kleinen blau-weißen Astromech, herab. Ein Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen. ,,Ja, alles bestens, R2",entgegnet sie. Sanft tätschelt sie seinen metallenen Kopf und lacht leise, als er ihr erneut eine Frage stellt. ,,Ja, du hast deine Arbeit wirklich gut gemacht. Geh' und gönn' dir ein schönes Ölbad." Fröhlich pfeifend entfernt der Droide sich von ihr, sieht sie aber nochmal aus seinem irgendwie streng zusammengekniffenen Fotorezeptor an und piept unheilvoll. Dann verschwindet er endgültig. ,,Was? Finn? Wütend? Durchgeknallte Schaltkreise?",wiederholt Rey ungläubig und schüttelt den Kopf. ,,Ich glaube, du musst dich nochmal durchchecken lassen." Den letzten Satz murmelt sie eher nur vor sich hin, daher ist er auch kaum mehr als ein Flüstern, doch Finn, der urplötzlich vor ihr steht, entgeht er nicht. ,,Der Droide hat schon recht. Ich bin wütend!",sagt er. Enttäuschung und Wut sind deutlich aus seiner Stimme herauszuhören, aber am schwersten wiegt die Besorgnis, die er nicht verstecken kann und die ihn förmlich zerreißt. Erneut zuckt Rey zusammen, ihr Herzschlag beschleunigt sich, bevor sie jedoch etwas sagen kann, spricht Finn weiter: ,,Wie konntest du dich nur so in Gefahr bringen, Rey? Wieso hast du mir nicht gesagt, was du vorhast?" ,,Finn, ich...",beginnt sie, entscheidet sich aber schließlich für eine andere Antwort: ,,Du hättest dir nur unnötig Sorgen gemacht. Außerdem muss ich dir noch lange nicht alles sagen." Ungläubig starrt Finn sie an. ,,Ist das dein Ernst? Ich bin dein bester Freund, Rey! Natürlich mache ich mir Sorgen!" Tränen steigen Rey in die Augen und sie beißt sich fest auf die Lippe. Er hat recht. Natürlich hat er recht, so wie immer. Vollkommen überraschend zieht sie ihn in eine feste Umarmung. ,,Entschuldigung",nuschelt sie in sein Shirt. ,,Ich hätte dir sagen sollen, was ich vorhabe." ,,Ja, das hättest du tun sollen." Sanft drückt Finn sie von sich weg, legt seine Hand an ihre Wange und zwingt sie so, ihm genau in die Augen zu schauen. ,,Versprich mir, dass wir ab sofort keine Geheimnisse mehr voreinander haben. In Ordnung?" Noch immer weinend und sehr wohl wissend, dass sie dieses Versprechen wahrscheinlich nicht halten kann, nickt Rey. ,,Ich werde es versuchen." Sie versucht sich an einem kleinen Lächeln, scheitert aber kläglich. Stattdessen schluchzt sie leise. ,,Hey, nicht weinen",flüstert Finn und wischt ihr mit dem Daumen die Tränen weg. ,,Ich bin immer für dich da, egal, was passiert, okay?" ,,Danke",haucht sie und fasst innerlich einen Entschluss. Es wird Zeit, ihm endlich die Wahrheit zu sagen. Er ist schließlich ihr bester Freund. ,,Finn, ich muss dir was sagen. Da...",beginnt sie, wird aber unterbrochen, als ein leises Räuspern hinter ihr erklingt. Schnell entfernt sie Finns Hand von ihrer Wange- nicht, dass der junge Offizier des Widerstands noch auf falsche Gedanken kommt- und strafft die Schultern. ,,Ja?" ,,General Organa möchte Sie sehen. Sie klang ziemlich verärgert. Ich an Ihrer Stelle würde sie nicht warten lassen",sagt der Mann und verschwindet genauso schnell, wie er gekommen ist. Rey schaut ihm noch kurz nach und schluckt. Das kann nichts Gutes bedeuten. ,,Ich habe da ein ganz mieses Gefühl",murmelt Finn. ,,Oh, ja. Ich auch",antwortet Rey und nickt zustimmend. ,,Ich gehe dann mal. Wir sehen uns später. Falls Leia mich nicht in Stücke reißt." Sie lacht leise, um ihre Unsicherheit zu verbergen, und geht auf den Tempel zu. Finns besorgte Blicke bohren sich förmlich in ihren Rücken, also beschleunigt sie ihre Schritte. Sie will dieses Gespräch so schnell es geht hinter sich bringen.

Inzwischen schon reichlich genervt von Hux' ständigen Vorwürfen, ballt Kylo die Hände zu Fäusten. Er spürt genau, dass er, wenn sein Gegenüber nicht bald aufhört zu reden, die Fassung verliert. Aber der General scheint es förmlich darauf abzusehen, ihn zu provozieren und zu nerven- was ihn früher oder später noch sein Leben kosten wird. ,,Ren, wieso haben Sie diese kleine Wüstenratte nicht einfach abgeschossen?",hakt Hux zum gefühlt hundertsten Mal nach. ,,Haben Sie auf einmal vergessen, wie man schießt?" Ein hämisches, verspottendes Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit, als ihm eine weitere Möglichkeit in den Sinn kommt. Bevor er sie jedoch laut ausspricht, atmet er tief durch. ,,Oder bedeutet diese Schrottsammlerin Ihnen etwas? Ist das der Grund, warum Sie sie nicht töten?" Das boshafte Funkeln in seinen Augen nimmt noch mehr zu, als er den Gesichtsausdruck des jüngeren Mannes ihm gegenüber sieht. Entsetzen und Grauen machen sich auf Kylos Gesicht breit, verschwinden dann aber wieder so schnell wie sie gekommen sind. Ein leises Knurren entweicht seiner Kehle, sein Brustkorb hebt und senkt sich vor Wut bestimmt doppelt so schnell. ,,Passen Sie auf, was Sie sagen, General", faucht er. ,,Sie vergessen wohl, wer hier das Kommando hat!" Seine eh schon dunklen, beinahe schwarzen Augen verdunkeln sich noch mehr, pure Boshaftigkeit liegt in seinem Blick, als er den General mit der Macht an der Kehle packt und fest zudrückt. Das Röcheln und Keuchen seines Untergebenen ignoriert Kylo gekonnt, während er seine nächsten Worte spricht: ,,Die Tage der kleinen Wüstenratte sind gezählt- Ihre jedoch auch, wenn Sie nicht aufpassen!" Eine Zeitlang sieht er Hux noch in die Augen- sein Blick brennt sich förmlich in den des rothaarigen Generals- dann lässt er seinen Kontrahenten, der inzwischen noch blasser als eh schon ist, fallen. ,, Verschwinden Sie, General! Sofort!",knurrt Kylo. Noch immer hustend und nach Luft ringend steht Hux auf und eilt aus Kylos Reichweite. Dieser schüttelt nur den Kopf. Wie feige der General doch ist. Er wird schon bald lernen, dass sein Handeln Konsequenzen hat- und er niemals Oberster Anführer wird. Abfällig schnaubt Kylo und atmet tief ein und aus, um sich wieder zu beruhigen. Als Anführer der Ersten Ordnung muss er einen kühlen Kopf bewahren, egal, was passiert. Er kann seine Zeit nicht ständig mit so belanglosen Dingen wie dieser Schrottsammlerin oder diesem viel zu überheblichen General verschwenden. Dafür hat er nicht die Geduld- und auch der Wille dazu fehlt ihm. Er ist zu Höherem berufen, das spürt er einfach. Wie aus dem Nichts kühlt sich die Temperatur auf der Brücke ab, ein lauer Wind fegt durch den eigentlich geschlossenen Raum und eine seltsam lockende, verführerische Stimme erklingt: ,,Oh, ja. Wie recht du doch hast. Du bist eindeutig zu Höherem berufen, junger Solo." Erschrocken zuckt Kylo zusammen, eine Gänsehaut kriecht über seinen Körper. ,,Wer bist du?",fragt er unsicher. Sein Blick huscht durch den ganzen Raum, doch er entdeckt nichts, rein gar nichts. ,,Wer bist du?", wiederholt er, doch diesmal klingt seine Stimme wütender, fordernder. Ein leises Lachen dringt an sein Ohr, beinahe so, als würde die merkwürdige, unsichtbare Gestalt direkt neben ihm stehen. ,,So ungeduldig. Wie dein Vater, wie sie. Komm zu mir, Junge, wenn du alles erfahren willst. Ich spüre deinen Wunsch nach Macht. Nur ich kann dir diese Macht geben. Komm zu mir!",säuselt die Stimme ein letztes Mal, dann wird es still. Von dieser eigenartigen Erscheinung vollkommen überrascht und überrumpelt lässt Kylo sich zu Boden sinken. Sein Herz pocht hart gegen seine Rippen, eiskalte Schauer jagen in regelmäßigen Abständen über seinen Rücken. Was war das gerade? Woher kennt diese Stimme seinen Vater? Und viel wichtiger noch, wer ist SIE?

Den Kopf gesenkt und unruhig auf ihrer Lippe kauend sitzt Rey in sich zusammengesackt vor Leia. Sie wagt es kaum, sich auch nur ein Stück zu rühren. Zu erdrückend ist die Atmosphäre in dem kleinen Raum in der Widerstandsbasis, zu einschüchternd Leias deutlich spürbare Resignation. Aber viel schlimmer sind die Blicke, mit denen die Anführerin des Widerstands Rey die ganze Zeit über beobachtet und die ihre Enttäuschung ausdrücken. Noch nie fühlte Rey sich so klein. ,,Leia, ich...",beginnt sie, unterbricht sich jedoch selbst und schweigt lieber. ,,Du was?",schnappt Leia. ,, Willst du auf einmal sagen, dass es dir leid tut? Dass du alles bereust?" In ihrer Stimme schwingt Wut mit und obwohl es ihr wehtut, jetzt so mit Rey zu reden, fährt sie fort: ,,Warum hast du niemandem etwas erzählt? Warum hast du Luke nichts gesagt?" ,, Ich... ich konnte nicht!",ruft Rey aufgebracht. ,,Er hätte mich sofort weggeschickt!" ,,Er hätte dir helfen können, die Verbindung zu trennen!",korrigiert Leia sie. ,,Nein, hätte er nicht",mischt sich nun Maz, die vorher einfach nur reglos dastand, in das Gespräch ein. ,,Was?!" Vollkommen synchron wirbeln Rey und Leia zu ihr herum. ,,Was hast du gesagt?", wiederholt Rey und schaut Maz fragend an. ,,Er hätte dir nicht helfen können. Eine Verbindung wie die, die Kylo Ren und du habt, kann man nicht trennen. Ihr seid ein Zweiklang der Macht, sozusagen Seelenverwandte",erläutert die Ältere nun. ,,Für den Rest eures Lebens seid ihr aneinander gebunden." Frustriert seufzt Rey und sackt erneut in sich zusammen. Eine einzelne Träne läuft über ihre Wange, hinterlässt eine salzige Spur auf ihrer Haut. ,,Ich... ich will aber nicht mit einem Monster verbunden sein",schluchzt sie. Ihre Stimme wird immer leiser und bricht schließlich ganz. ,,Er war nicht immer so",flüstert Maz. ,, Komm mal mit, Kind." Sie verlässt den Raum und Rey bleibt nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Leias durchdringende, wütende Blicke bohren sich wie Pfeile in Reys Rücken und bringen die Jüngere dazu, ihre Schritte noch zu beschleunigen. Sie will dieser Situation einfach nur so schnell es geht entkommen.

Fast schon rennend eilt Rey Maz nach. Dafür, dass die Ältere so klein ist, hat sie ein verdammt schnelles Tempo drauf. Durch einen Hinterausgang verlassen sie schließlich das tempelartige Gebäude und treten ins Freie. Weite Grasebenen gespickt von unzähligen, hellblauen Blumen erstrecken sich vor ihnen, das Rauschen eines Baches erfüllt die andächtige Stille. ,,Wow",haucht Rey. ,,Es ist wunderschön hier." Ehrfürchtig folgt sie Maz, natürlich stets darauf bedacht, keine der schönen Blumen zu zertreten, und setzt sich ins weiche Gras. ,,Warum sind wir hier?",fragt sie leise und schaut zu Maz, die sich jetzt neben ihr niederlässt und eine ihrer rauen Hände an Reys Wange legt. ,,Dieser Ausdruck in deinen Augen. Ich sah ihn nur einmal zuvor. Bei Ben Solo." Maz' Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, doch für Rey reicht es aus, um ihr einen Schauer über den Rücken zu jagen. ,,W-wie meinst du das?",stottert die Jedi. Eine seltsame Röte kriecht ihre Wangen hinauf, ihr Herzschlag verschnellert sich. ,,Ben hatte den gleichen Schmerz, die gleiche Verzweiflung, in seinen Augen. Er wollte nie gehen. Er wollte kein Jedi werden. Aber Leia wollte es. Und das hat ihn zerrissen, gemeinsam mit Snokes Manipulation. Seit Ben ein Kind war, hatte Snoke ihn unter Kontrolle. Er hat ihn manipuliert, die ganze Zeit. Ich habe es gespürt, Leia auch. Nur Han... Er wollte es nicht wahrhaben." Traurig lächelt Maz. ,,Leia hatte die Hoffnung, dass Luke Ben helfen konnte. Aber so war's nicht. Für Ben war alles verloren." Entrüstet rückt Rey ein Stück von Maz ab. ,,Das stimmt nicht!",ruft sie. ,,Ich weiß",entgegnet Maz beschwichtigend. ,,Ich habe immer an ihn geglaubt. Er war so ein toller Junge. Und ich habe seinen Schmerz gespürt. Besonders deutlich war er, kurz bevor Ben zu Luke gegangen ist. Es hat ihn fast umgebracht." Wieder lächelt sie traurig und beginnt dann zu erzählen:
,,Bevor Leia und Han Ben weggeschickt haben, waren sie nochmal bei mir. Nach Jahren. Ben war nicht mehr der kleine Junge, der er damals war. Er war größer, stärker geworden. Die Macht in ihm wuchs von Tag zu Tag, genau wie die Dunkelheit. Als er so vor mir stand, konnte ich seine Wut förmlich spüren, sie fast schon mit den Händen greifen, so präsent war sie. Und der Schmerz in seinen Augen war so tief, so ausgeprägt, so erschütternd, dass es mich beinahe zerrissen hat. Das lebenslustige Funkeln war erloschen, nur tiefe Trauer erfüllte ihn. Es war... zermürbend. Als ich ihn in den Arm nehmen wollte, wich er vor mir zurück, sagte, ich solle ihn bloß nicht anfassen. Dabei hatten wir mal eine sehr starke Verbindung zueinander. Er schottete sich von allen ab, von seinen Eltern, von mir, von jedem, wirklich jedem. Es tat einfach weh, ihn so zu sehen. Also ließ ich ihn in Ruhe. Ich ertrug es nicht, seine Einsamkeit ständig zu spüren",schließt Maz ihre Ausführungen und drückt Rey, der inzwischen Tränen über die Wangen laufen, fest an sich. ,,Das ist, was euch verbindet. Eure Einsamkeit, euer Schmerz, das Gefühl, verraten und alleine gelassen worden zu sein. Das schweißt euch zusammen, nicht nur die Macht, Rey", flüstert Maz und steht schließlich auf. ,,Ich lasse dich dann mal alleine." Ohne Rey die Chance zu geben, überhaupt etwas sagen zu können, verschwindet Maz. Rey schaut ihr kurz nach, dann richtet sie ihren Blick auf den Horizont. ,,Ich verstehe dich, Ben", murmelt sie. ,,Mehr als du denkst. Ich kenne das Gefühl, alleine zu sein." Pure Stille herrscht um sie herum, nichtmal ein paar auf diesem Planeten heimische Vögel zwitschern. Doch dann dringt eine leise Stimme zu der reglos dasitzenden Rey durch. ,,Ich weiß, Rey. Ich weiß." Leise schluchzt sie auf, den Blick noch immer auf den Himmel gerichtet. ,,Danke, Ben",haucht sie und lächelt. Und diesmal kommt ihr Lächeln wirklich von Herzen.

Hey ❤
Das ist das fünfte Kapitel und ich entschuldige mich schonmal, weil es nicht ganz so spannend ist. Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem.
Liebe Grüße,
Cherriecookie14 ❤

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