111 ** Gang nach Canossa ** Mi. 5.2.2020

Es ist ganz praktisch, wenn man in der Bekanntschaft Leute mit verschiedenen Jobs hat. Mein Polizistenfreund Harry hat mir berichtet, dass der Brief an Frau Hartmann am Montag raus ist und dass sie am Freitag auf der Polizeiwache zu erscheinen hat. Frau Tucher und Dr. Fahrendorf haben sich am Donnerstag beim Direktor durchgesetzt, so dass diese beiden jetzt ganz legal ein Paar sein können. Sie haben für alle Fächer andere Mentoren gefunden. Und gestern sind die Unterlagen an das Lehrerseminar rausgegangen.

Bei Max und Frau Süß ist die Sache etwas komplizierter. Und ich halte eigentlich dauernd die Luft an. Der Junge ist ganz schön wagemutig. Aber seine Liebe zu „seiner Anni" ist auch unglaublich süß. Als er am Freitag Abend dann doch nochmal zu Hause aufgetaucht ist, ist er von sich aus zu mir ins Arbeitszimmer gekommen.
„Onkel Thorsten?"
„Hallo Max. Ich dachte, ..."
„Ja, werde ich auch. Ich habs eilig. Pass auf. Ich habe Anni in eine Entspannngsbadewanne geschickt und bin selbst jetzt hier, um nach dem Training zu duschen und mir was anderes anzuziehen. Dann werde ich bewaffnet mit Schlafanzug und Zahnbürste da wieder hinsausen, sie in ihre Decke wickeln, mich in meine eigene Decke wickeln und sie einfach im Arm halten, bis sie eingeschlafen ist. Und ..."
„Max, hast du das Gefühl, dass ich dir misstraue? Das täte mir leid, wenn ich vorhin am Telefon so gewirkt habe. Ich habe sehr wohl verstanden, dass du dir nicht selbst vorgreifen sondern den Weg mit deiner Anni genießen willst."
„Das weiß ich. Das ist es nicht. Aber ich möchte auch von mir aus hier ganz transparent handeln, damit sich das nicht ändert. Ich bin die Geheimniskrämerei soooo leid. Das kannst du dir nicht vorstellen."
„Oh doch, Max. Kann ich. Zisch ab!"
„Ich hab hier noch den Brief, den Anni heute bekommen hat. Und morgen fahre ich direkt von dort aus zur Lerngruppe bei Paul."
Und weg war er wieder.

Heute nun stehen Max, Frau Süß und ich vorm Zimmer von Direktor Dr. Miegel, um den Gang nach Canossa anzutreten. Frau Süß lehnt klein und verängstigt an der Wand und starrt auf ihre Schuhspitzen. Max hat nur Augen für sie und vergeht offensichtlich vor Sorge. Wäre die Lage nicht so beschissen ernst, würde ich vor lauter onkeligem Stolz und Bewunderung dahinschmelzen wie Eis in der Sonne. Wenn er könnte, würde er ihr wahrscheinlich eine Tarnkappe aufsetzen, damit sie sich sicherer fühlt.

Und ich werde dann zu dem Cocktail wohl den Verstand beisteuern müssen.
Aber ich habe zwei gute Argumente in der Hand. Frau Süß selbst wollte diese Situation verhindern. Und ihre jetzigen Arbeitsbedingungen sind nicht nur eine Zumutung sondern sogar tatsächlich in der Art, wie sie zustande gekommen sind, verboten. Außerdem habe ich Kopien der sechs Briefe mitgebracht und Axels Vollmacht für uns wegen Max.

Dr. Miegel macht uns die Tür auf, und spontan habe ich ein bisschen Mitleid mit ihm. Schon wieder eine Katastrophe, die er händeln muss, und Max Alter ist und bleibt die schwerste Hürde. Man sieht dem Direktor auch deutlich an, dass er von unserem Aufmarsch überhaupt nicht begeistert ist. Aber er streckt den Rücken durch, bietet uns Plätze an und ergibt sich in sein Schicksal.
„Womit kann ich dienen? Die Konstellation ist doch recht ungewöhnlich – ein Schüler, eine Tutorin und ein Onkel, der nebenbei auch noch Elternbeirat und Anwalt ist. Muss ich nervös werden?"
Wenn er jetzt gehofft hat, dass wir gleich den Kopf schütteln und „neeeeiiiiiiiin" sagen, hat er sich leider geschnitten.

„Dr. Miegel, ich bin hier in einer Mischfunktion. Zum einen lebt Maximilian Gersten zur Zeit in unserem Haushalt, weil sein Vater erkrankt ist, und darum bin ich Erziehungsberechtigter. Zum anderen ist Frau Süß wegen massiver Überlastung zum zweiten Mal innerhalb von einem Monat krank geschrieben, und ich bin hier als ihr Anwalt, um da arbeitsrechtlich einiges klar zu stellen."
Dem Mann bricht der Schweiß aus.

„Frau Süß hat mit ihrem Arbeitsvertrag im vergangenen Sommer die Aufgabe bekommen, sie möge sich doch bitte trotzdem für dieses Schuljahr nach einer anderen Arbeit umsehen, weil sie erst im nächsten wirklich gebraucht würde. Kaum hat sie das getan, haben Sie sie aktiv daran gehindert, indem sie über ihren Kopf hinweg entschieden haben, dass Frau Süß an beiden Schulen zu unterrichten hat. Frau Süß hatte überhaupt nicht die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wo und wie sie arbeiten möchte. Ihr Ultimatum war klar: entweder sie arbeitet an beiden Schulen oder nur hier. Ihnen ist sicherlich klar, dass Sie damit vor keinem Arbeitsgericht der Welt durchkämen. Und bevor Frau Süß für längere Zeit ausfällt und dann weder hier noch da arbeitet, sollten wir vielleicht doch nochmal nach einer etwas humaneren Lösung suchen."

Ich beobachte ihn genau, und sehe sehr gut, dass er mich am liebsten rausschmeißen würde.
„Wollen Sie mir drohen, Herr Seitz? Und zu welchem Zweck?"
„Ich bin durchaus in der Lage, das Wort Drohung oder das Wort Erpressung juristisch sauber zu definieren, Dr. Miegel. Nein, ich will Ihnen vielmehr ein Angebot machen, das allen Seiten dienen würde."
„Und das wäre?"

„Sie hätten Frau Süß nach dem Grund fragen sollen, warum sie die Schule wechseln wollte. Sie ist seit dem Beginn ihres Referendariats die Lehrerin und seit diesem Schuljahr auch Tutorin von Max. In der Angelegenheit um Frau Hartmann habe ich Frau Süß als eine rationale, gerechtigkeitsliebende und kooperative Frau kennengelernt. Sie und Max haben im vergangenen Herbst ..."
Ich merke, wie sich Frau Süß neben mir anspannt und die Luft anhält.
„... Gefühle füreinander entwickelt und sich das auch eingestanden. Aber aus gegenseitigem Verantwortungsgefühl heraus haben sie sofort beschlossen, dass diese Beziehung nicht sein darf. Weil Sie ihm noch Prüfungen abnehmen muss. Weil Max noch minderjährig ist. Weil ihnen Betrug vorgeworfen werden könnte. Sie haben sofort alle nötigen Notbremsen gezogen. Max hat seitdem keine einzige Leistung mehr abgeliefert, die nicht von einem Kollegen von Frau Süß gegengelesen oder sonstwie kontrolliert worden wäre. Max hat sich sehr zurückgehalten. Und Frau Süß ... hat versucht, sich wegzubewerben, damit sie sich nicht strafbar macht und das Ganze nicht zu einer endlosen Quälerei für beide ausartet."

Dr. Miegel ist bleich geworden und hat die Lippen zusammen gekniffen. Max dagegen hat offensichtlich nur auf den Startschuss gewartet. Kaum habe ich das ausgesprochen, ist er mit seinem Stuhl zu Frau Süß gerutscht und hat ihre Hand genommen, um ihr Halt zu geben. Dr. Miegel folgt ihm mit seinen Blicken.

„Ah, und was ist das? Das würde ich nicht als beendete Beziehung bezeichnen."

So leicht kommst du mir nicht davon.
„Nicht beendet. Sondern im Herbst gar nicht erst angefangen. Und dass die beiden dennoch Gefühle füreinander haben, kann ihnen ja keiner abgewöhnen. Das, was Sie da jetzt sehen, ist ganz, ganz frisch und der Tatsache geschuldet, dass Max nicht mehr mit ansehen konnte, wie sehr Frau Süß unter Druck steht. Denn ..."
Ich lege die Kopien der Briefe auf den Tisch.
„Frau Süß und Maximilian werden erpresst."

„Hier kommt meine zweite heutige Funktion ins Spiel. Als derzeitige Erziehungsberechtigte ..."
Ich lege die Vollmacht von Max Vater auf den Tisch.
„... haben meine Frau und ich die beiden auf Herz und Nieren geprüft und können nichts anderes sehen als zwei sehr vernünftige, besonnene junge Menschen, die sich selbstkontrolliert im Rahmen der Legalität bewegen. Max ist in dreizehn Tagen achtzehn Jahre alt, ein Altersunterschied von sechs Jahren ist heutzutage nichts Außergewöhnliches mehr. Und sobald Max sein Abiturzeugnis in der Hand hat, können die Karten neu gemischt werden. Alles, was wir jetzt tun müssen, ist, den Druck aus der ganzen Angelegenheit rauszunehmen, damit Max sich auf sein Abitur konzentrieren kann, damit nicht der Hauch eines Betrugsvorwurfes auf die beiden fallen kann und damit Frau Süß in der Lage ist, vernünftig zu arbeiten und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Solange die beiden Angst vor Entdeckung haben müssen, sind sie dieser Erpressung hilflos ausgeliefert und konzentrieren sich auf rein gar nichts anderes mehr. Da können wir Erziehungsberechtigten noch so einverstanden sein. Nur eine Konstellation, die ihr Handeln legal sein lässt, kann diese Misere beenden und der Erpresserin das Handwerk legen."

„Aber dafür kann ich doch nun wirklich nichts!"
„Die Polizei ist bereits involviert und wird sich der Dame annehmen. Aber Sie müssen Frau Süß die Chance geben, vernünftig zu arbeiten."
„Das heißt, Sie wollen mich dazu zwingen, Frau Süß ganz an die Helen-Keller-Schule gehen zu lassen und hier ihre beiden Abiturkurse im Stich zu lassen. Und das mit dem Argument, es müsse eine strafbare Beziehung zwischen einer Lehrerin und einem minderjährigen Schüler gedeckt werden. Das ist doch die Höhe!"

Der Mann ist unmöglich!
„Nein. Ich kündige Ihnen einfach an, dass Frau Süß sich aus ihrem Vertrag rausklagen wird, wenn Sie nicht vernünftig werden. Dr. Miegel - es ist ausgeschlossen, dass sie damit nicht durchkommt. Es würde nur einfach bedeuten, dass an Ihren Personen und dieser Schule ein Skandal haften würde, dass Max Abitur weiter gefährdet wäre, dass der komplette Jahrgang verunsichert würde und dass sie schon vorher einfach zusammenklappen würde. Lassen Sie es doch bitte nicht so weit kommen."

Stille. Jetzt habe ich so ziemlich alle guten Karten ausgespielt. Der Direktor schaut von mir zu Max, der die zitternde Frau Süß im Arm hält und zurück. Hinter seiner Stirn rattert es. Dann greift er sich die Vollmacht. Dann die Briefe. Der Einfachheit halber habe ich die Fotos jeweils auf das entsprechende Blatt dazu kopiert. Ich habe die jeweiligen Daten der Aufnahme und den Ort daneben geschrieben. Und als er die Bilder sieht, wird er doch kleiner auf seinem Stuhl.
„Das ist ja entsetzlich. Und Frau Tucher und Dr. Fahrendorf wurden gleich auch noch mit reingezogen. Wer macht sowas?"

Gott sei Dank, der Mann hat doch ein Herz.
„Das ist nicht schwer zu erraten und inzwischen auch so gut wie bewiesen. Ich spreche den Namen nicht aus, aber wir wissen alle, wer Maximilian so unsinnig und abgrundtief hasst, dass diese Person keine Rücksicht auf Verluste nimmt. Sie darf damit nicht durchkommen!"

Seine Augen weiten sich für einen ganz kleinen Moment. Er hat verstanden. Und er gibt sich einen Ruck.
„Frau Süß?"
Sie löst sich schnell aus Max Armen und richtet sich so weit auf, wie ihre Angst es zulässt.
„Ja?"
„Wer hat die Mathearbeiten gegengelesen?"
„Das war die Kollegin Schiller. Von der ersten Klausur im September an. Weil ich ja die Nachhilfe von Maximilian übernommen hatte."
Wie mit Zentnerlast beladen steht Dr. Miegel hinter seinem Schreibtisch auf, geht zur Tür und fragt nach draußen:"Frau Zimmermann. Sind Herr Recksing, Herr Severin und Frau Schiller schon nach Hause gegangen?"
Nebenan raschelt es, und dann kommt die Antwort.
„Wahrscheinlich nicht, denn alle Drei haben heute Nachmittagsunterricht."

„Könnten Sie eben Herrn Severin aufsuchen und ihn bitten, nach dem Unterricht zu mir zu kommen? Und wo finde ich die anderen beiden?"
"Her Recksing ist ... Moment ... in der kleinen Sporthalle, und Ines Schiller ... in D17."
Er wendet sich wieder zu uns in den Raum.
„Maximilian, könntest du zur Sporthalle flitzen und Herrn Recksing Bescheid sagen? Und ich mache mich auf den Weg zu Frau Schiller."
Mit diesen Worten ist er verschwunden. Wir anderen atmen tief durch.

„Anni? Schau mich an, Anni. Wir haben es geschafft. Er wird dich nun ganz gehen lassen, und andere werden uns sicher zum Abitur führen. Hab keine Angst mehr. Jetzt kann uns nichts mehr passieren. Du bist frei. Von dem Druck, von der Erpressung und von der Doppelbelastung."
Frau Süß nickt nur an Max Schulter, und ich schaue dezent weg.

Ich war mir vorher nicht soooo sicher, ob ich mit meiner Argumentationskette durchkommen würde. Aber es ist ja alles gut gegangen.

Max drückt seine Anni nochmal, bevor er zur Sporthalle joggt. Und er ist auch sehr schnell wieder da. Auch Frau Zimmermann kehrt zurück und stellt drei weitere Stühle bereit. Um 15.20 Uhr schließlich sitzen wir etwas beengt zu sechst in dem Büro des Direktors.
„Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir ad hoc eine weitere Veränderung im Kollegium und im Stundenplan meistern müssen. Es hat sich herausgestellt, dass Frau Süß objektiv der Doppelbelastung nicht gewachsen ist. Und da ich selbst sie am Anfang des Schuljahres gebeten hatte zu wechseln, falls sich eine Möglichkeit auftut, und sie auch nicht zurückgehalten habe, als sie mir im Oktober mitgeteilt hat, dass sie sich wegbewerben würde, ist es nur fair, ihr jetzt den Freiraum zu lassen und sie bis zum Sommer ziehen zu lassen. Das bedeutet, dass nun auch der Sport-LK in der Zwölften und der Mathe-GK bis zum Abitur eine neue Lehrkraft auf Dauer bekommen müssen. Und dass dann so schnell wie möglich der Stundenplan nochmals angepasst werden muss."
Alle drei Lehrer horchen auf und haben weithin sichtbare Fragezeichen im Gesicht.

„Darf ich zunächst Sie, Herr Recksing fragen, ob Sie den Leistungskurs vollständig übernehmen könnten? Es handelt sich um Präsenzunterricht bis zu den Osterferien, um die Korrektur der Abi-Vorklausur und der Abi-Klausur. Und um die Abnahme der praktischen Prüfungen."
„ Wenn ich das vergütet bekomme – und wenn Frau Süß die Abi-Klausuren zumindest gegenliest, so wie ich es bisher gemacht habe bei ihr. Das würde den Schülern die größtmögliche Kontinuität bieten."
Kurz überlege ich, ob das für meine beiden Schützlinge ausreichend ist. Ich spüre den fragenden Blick von Dr. Miegel auf mir ruhen und nicke leicht.

„Das würde mir reichen. Die Vergütung werde ich mit dem Förderverein klären.
Herr Severin. Ich weiß, dass sie die Vertretung für Ihre Vorgängerin nicht vollständig bekommen haben und gerne mehr Stunden unterrichten würden. Könnten Sie den Grundkurs ganz übernehmen?"
„Ich wehre mich nicht. Es ist doch bisher finanziell noch recht eng für mich. Und ich bin mit Frau Süß ja schon gut im Gespräch über die Schüler dieses Kurses."

„Gut, dann kommt Ihnen das ja sogar entgegen. Frau Schiller. Sie haben schon einige Mathematik-Klausuren des Kurses in diesem Schuljahr gegengelesen. Darf ich Sie bitten, das auch weiterhin zu tun und auch in den mündlichen Prüfungen dabei zu sein? Dann wären diese Schüler wirklich auf der sicheren Seite."
„Das mache ich gerne für Antonia. Ich wollte sowieso nach der Elternteilzeit wieder etwas aufstocken."
Kurz streicht sie Frau Süß, neben der sie sitzt, über den Arm.
„Ich bin froh für dich, Toni. Das ist wirklich besser so."
Zum ersten Mal heute Nachmittag schleicht sich ein Lächeln auf das Gesicht von Frau Süß.
„Danke, Ines. Das bedeutet mir sehr viel. Ich liebe meine Schüler, aber ich schaffe das einfach nicht beides."

„Gut, dann wäre das soweit geklärt. Ich werde Frau Schuchardt benachrichtigen, dass sie sich nochmal an die Stundenplan-Bastelei machen muss, und mich anschließend mit der Kollegin von der Helen-Keller-Schule in Verbindung setzen."
Frau Süß richtet sich ein wenig auf.
„Ich denke, wir sollten aus unseren Fehlern lernen, Herr Dr. Miegel. Ich werde sie selbst informieren. Das hat ja dann mit der Beethoven-Schule eigentlich nichts mehr zu tun."

Bravo! Da ist ja die Kämpferin wieder!

„Dann dürfen Sie jetzt alle in den wohlverdienten Feierabend gehen."
Die drei anderen Lehrer stehen sofort auf und verabschieden sich. Max und Frau Süß bleiben völlig selbstverständlich sitzen. Kaum ist die Tür zu, ergreift Max das Wort.
„Ich vermute, Sie glauben, dass ich Ihnen jetzt dankbar sein muss. Das hält sich allerdings sehr in Grenzen, weil Sie uns das Leben wirklich schwer gemacht haben. Ich bin sehr froh, dass Frau Süß sich jetzt auf eine Aufgabe konzentrieren und dann vielleicht demnächst wieder ganz gesund sein kann. Wir werden uns noch zwei Wochen zurückhalten und hier an der Schule nichts durchsickern lassen. Die Erpressung wird ein Ende haben. Die Frau wird zur Verantwortung gezogen werden. Und ich werde mit Herrn Recksing und Herrn Severin sicherlich ein gutes Abitur machen können. Aber das wichtigste für mich ist, dass Frau Süß und ich selbst wissen, dass wir absolut für gar nichts ein schlechtes Gewissen haben müssen, weil wir unserer Verantwortung füreinander und gegenüber der Schule zu jeder Zeit gerecht geworden sind."
Dann steht er auf und reicht Frau Süß die Hand.
„Lass uns gehen."
Weg sind sie.

Na, der hat ja Schneid! Ich bin schon wieder beeindruckt. Von seiner Ruhe, von seiner Klarheit und von seinem konsequenten Einstehen für seine Freundin.

Ich erhebe mich auch, um den peinlichen Moment nicht zu sehr auszudehnen.
„Ich bin froh, Dr. Miegel, dass Sie sich dazu durchringen konnten. Es sieht so aus, als sei damit tatsächlich allen gedient. Wir bleiben im Kontakt, bis sich alles wieder zurecht gerüttelt hat und auch die Erpressungsgeschichte hinter uns liegt."
Ich reiche ihm die Hand.
„Und jetzt können auch Sie bald in Ihren wohlverdienten Feierabend starten. Auf Wiedersehen."
Dr. Miegel sieht auf einmal aus, als hätte er Zahnschmerzen. Aber – wie Max eben so schön gesagt hat – so richtig Mitleid habe ich nicht. Ich habe es tatsächlich geschafft, dass nicht wir sondern er den Gang nach Canossa antreten musste. Ich durchschaue zwar nicht, warum Frau Süß dermaßen in ihren Grundfesten erschüttert ist. Aber diese Tortur ist ja jetzt vorbei.

........................................................

4.1.2021

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top