039 ** Mathe-Klausur ** Do. 19.9.2019
Bio-Klausur am Montag. Erdkunde-Klausur am Mittwoch. Deutsch-Klausur am Freitag. Spanisch-Klausur am Montag. Englisch-Klausur am Dienstag. Dazwischen war der zweite Survival-Tag, der wieder riesig viel Spaß gemacht hat. Nachdem der Erste-Hilfe-Heini uns nochmal beschäftigt und uns am Ende unsere Teilnahmeurkunden ausgehändigt hat, haben wir vor allem Teambuilding-Übungen und Spiele gemacht. Meine Vorfreude auf die Woche in der Eifel hat sich echt erhöht. Mit einer Ausnahme – Antoine. Mann, was ist das für ein Idiot! Dagegen war sogar der Anfangs-Sebastian ein absoluter Streichelteddy.
Findet mich toll, oder ich mache nicht mit – was anderes kennt der Affe wohl nicht.
Heute ist Donnerstag, und nachher schreibe ich Mathe. In der fünften und sechsten Stunde.
Na, suuuuuuuper.
Aber anders haben sie die Klausurenblöcke wohl nicht verteilt gekriegt, alle anderen Jahrgänge schreiben ja gleichzeitig auch Arbeiten in diesen Wochen.
Naja, Augen zu und durch.
Die ersten vier Stunden kriege ich gut rum, aber dann steigt die Aufregung. Wir gehen frühzeitig aus der Pause in den Raum und setzen uns auf unsere Plätze.
„Habt ihr die Süß heute schon irgendwo rumlaufen sehen?"
„Nö."
„Mist!"
„Ach, Max. Mach dir nicht in die Hose. Du gibst dein Bestes und wartest ab. Und wenn du jemand zum Händchenhalten brauchst, sind wir ja auch noch da."
Ich boxe Moritz empört vor den Arm. Ich brauch ja niemand zum Händchenhalten. Nur - ein paar aufmunternde Blicke von der Süß oder die Möglichkeit, Verständnisfragen zu stellen – darauf hatte ich schon gehofft.
Aber das Schicksal meint es heute nicht gut mit mir. Die Tür geht auf, und Herr Brunner kommt rein.
Ach, du Sch... - der olle Hardliner. Und fachfremd! Hätte die Süße mich nicht wenigstens vorwarnen können???
Ich schlucke eine blöde Bemerkung runter.
„Guten Tag, meine Damen und Herren. Frau Süß ist für heute krank gemeldet, darum werde ich die Klausur beaufsichtigen. Ich darf Sie daran erinnern, dass Betrugsversuche mit einer sofortigen Sechs belohnt werden. Vergessen Sie bitte auch nicht, dass Toilettenpausen bei mir angemeldet werden müssen und nicht länger als fünf Minuten dauern dürfen."
Herr Brunner teilt die Arbeiten aus, und ich schalte alles andere aus. Ich lese mir erst alles durch, mache mich dann an zwei Aufgaben, wo ich mir den meisten Erfolg verspreche, und kämpfe mich durch. Unsere Devise für heute ist: keine Sechs, besser noch keine Fünf. Ob Papa das auch so sieht, darüber denke ich lieber nicht nach. Ich versuche, alles rauszuholen. Mal arbeite ich mich durch eine Rechenfolge, mal schreibe ich zumindest die richtige Formel hin, auch wenn ich grade völlig auf dem Schlauch stehe, wie ich sie anwenden soll. Jeder Punkt zählt am Ende.
Mein Hirn halte ich wie immer bei Klausuren mit viel Wasser bei Laune. Allerdings habe ich diesmal in der Pause vergessen, aufs Klo zu gehen, und so muss ich leider jetzt mittendrin. Ich melde mich ab zur Toilette und sehe, dass der Brunner beim Notieren der Zeit gleich mal 'ne halbe Minute abrundet.
Arsch.
Ich sprinte los, denn ausgerechnet von diesem Raum aus sind die nächsten Schülertoiletten ziemlich weit weg.
Nicht aufregen, rennen ist gut für die Konzentration.
Wenn ich gewusst hätte ... Als ich aus den Toiletten wieder rauskomme, steht plötzlich Frau Hartmann vor mir.
„Herr Gersten, ich habe gehört, dass der Schulelternbeirat sich gegen mich engagieren will. Darf ich fragen, ob das was mit Ihnen zu tun hat?"
ICH.MUSS.HIER.WEG!!!
„Frau Hartmann, es tut mir leid, aber ich schreibe grade Klausur, ich muss sofort wieder zurück in den Raum."
„Na, soviel Zeit, dass Sie mir meine Frage beantworten können, werden Sie sicher noch haben."
Die weiß ganz genau, wo ich hin muss, denn sie stellt sich so auf, dass ich komplett um sie drumrum laufen müsste, um vorbei zu kommen.
„Frau Hartmann, ich muss wirklich sofort zurück in meinen Raum, der ist ziemlich weit weg, ich hab kaum noch Zeit!"
„Ach, welches Fach ist denn heute dran?"
Mein Hirn rast. Wenn ich jetzt verkacke, weil sie mich nicht vorbei lässt, dreh ich durch. Wie hat die Süß vor dem Gespräch mit Papa gesagt? 'Nicht betteln! Du hast ein Recht darauf!' Also - Gibt es einen anderen Weg, den ich schaffen kann? Ihr fieses Grinsen wird immer breiter, während sie mich praktisch gegen die Toilettentür nagelt. Egal. IRGENDWIE weg hier! Ich renne einfach nach links los und reiße die nächste Klassenzimmertür auf.
Ich brauche jetzt dringend einen Zeugen, dass ich nichts dafür kann.
„Frau Siemens, ich ... hab ein Problem. Ich schreib grade Klausur, ich war auf Toilette und jetzt lässt mich Frau Hartmann nicht wieder zurück. Ich komm jetzt zu spät und krieg 'ne Sechs, wenn Sie mir nicht helfen!"
Frau Siemens zieht die Stirn kraus, dann dreht sie die Augen zur Decke. Dann funkelt sie Frau Hartmann an, die hinter mir auftaucht.
Oh nein, jetzt komm ich erstrecht nicht weg!
Energisch geht Frau Siemens auf Frau Hartmann zu und drängt sie zurück in den Flur.
„Lauf, Max. Ich komm gleich nach."
„Raum 117. Tausend Dank!"
Ich schnalle meine inneren Flügel um und fliege zurück zur Klausur. Ich reiße die Tür auf und will schon am Brunner vorbei. Da zückt der seine Uhr und verkündet mein Urteil.
"Zu spät. Sie können dann gehen. Sechs."
Mir schießen die Tränen in die Augen, als ich mich völlig außer Puste auf meinen Stuhl fallen lasse. Paul und Moritz starren völlig entsetzt Herrn Brunner an.
Mir reichts. Ich kann nicht mehr. Diesmal hat sie gründlich gewonnen.
„Herr Gersten. Ich sagte, Sie können gehen. Heulen Sie sich doch bitte woanders aus."
Arsch!
Da geht die Tür auf. Frau Siemens.
Gott sei Dank! Bitte, bitte, lieber Gott, wenns dich gibt. Mach, dass sie sich durchsetzen kann.
„Herr Kollege, ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, dass Frau Hartmann eben Max in ein aufgezwungenes Gespräch verwickelt und ihn wissentlich aufgehalten hat. ... Alles ist gut, Max. Holen Sie einmal tief Luft, und dann konzentrieren Sie sich wieder. Ich wünsche Ihnen viel Glück!"
Der Brunner läuft dunkelrot an.
„Das ist ja wohl ..."
„... auch meine Angelegenheit, weil ich Zeugin war und Gerechtigkeit liebe. Max ist nicht absichtlich zu spät gekommen. Er ist absichtlich aufgehalten worden, damit er zu spät kommt. Also schreibt er weiter."
Ihr Tonfall ist so bestimmt, dass dem Brunner jedes weitere Wort im Halse stecken bleibt.
„Ich gebe eben noch Dr. Miegel über den Vorfall Bescheid. Ich will gar nicht weiter stören."
Tür zu. Weg. Einatmen. Ausatmen. Weiteratmen. Keine Ahnung, ob ich jetzt noch irgendeinen vernünftigen Gedanken hinkriege. Ich versuchs einfach. Ich schließe kurz meine Augen und spüre, dass Moritz und Paul mir ganz schnell einmal über den Rücken streichen.
Also los!
Viel kommt nach dem Trubel zwar nicht mehr bei raus. Aber wenigstens steht keine kategorische Sechs unter der Arbeit.
Völlig erschöpft von der Aufregung schlappe ich hinter den anderen her zur Mensa. Da hängt ein großes Schild neben der Tür.
„Sport-LK, Q3, 8. und 9. Stunde, bei Frau Süß fällt heute aus. Wir beschließen zügig, dass wir uns dann heute das Mensaessen schenken, und machen auf dem Absatz kehrt, um zu unseren Fahrrädern zu gehen. Morgen kommt nämlich noch eine letzte Klausur, Geschichte. Da ist jede Minute kostbar heute.
Auf dem Weg nach draußen laufen wir Frau Siemens in die Arme.
„Danke nochmal, dass Sie mich vorhin gerettet haben. Sonst hätte ich jetzt eine Sechs, und mein Vater hätte mich geköpft dafür. Ich bin einfach unglaublich dankbar!"
Frau Siemens lächelt mich an.
„Es tut mir leid, dass das passiert ist, Max. Ich hoffe, Sie konnten sich dann nochmal konzentrieren."
„Ach, najaaaa – aber Hauptsache, es steht nicht gleich 'ne Sechs drunter."
„Das war aber auch Pech, dass Sie ausgerechnet Herrn Brunner in Vertretung hatten. Er ist leider ein großer Verfechter von Strenge. Und von Frau Hartmann."
Stille.
Was heißt DAS denn?
„Ähhh ..."
„Ach, das dringt nicht so raus, sagen Sie es besser nicht weiter, aber Frau Hartmann hat es geschafft, mit ihrem Verhalten Ihnen gegenüber das gesamte Kollegium in zwei Lager zu spalten. Ein paar Fans hat sie ja leider schon. Aber die meisten stehen fest hinter Ihnen, keine Sorge."
„Ja ... dann ... danke nochmal."
Völlig verwirrt setzen wir unsren Weg fort.
Erst an den Fahrradständern macht es klick.
„Jungs, ich muss nochmal eben zu Frau Zimmermann!"
Und schon bin ich weg. Bei Frau Zimmermann bitte ich um eine kleine Auskunft.
„Wer war heute als Vertretung für Frau Süß bei unserer Klausur eingetragen? Dürfen Sie mir das sagen?"
„Klar, Max. Warum nicht?"
Sie greift nach der Mappe mit den Vertretungsplänen. Und schaut etwas irritiert.
„Stimmt. Das war seltsam. Eigentlich war Frau Schiller vorgesehen, weil sie auch Mathe unterrichtet. Aber dann hat sich Herr Brunner angeboten, weil ihre eigene Klasse sonst Leerlauf gehabt hätte."
Ich knirsche mit den Zähnen.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?"
Ich schüttele den Kopf.
„Nichts ist in Ordnung. Dürfen Sie mir diese Seite kopieren?"
„Leider nicht. Aber ich muss eben kurz wo hin."
Ihre Worte hängen noch in der Luft, da ist sie schon auf dem Weg zu den Toiletten. Die Mappe liegt demonstrativ auf dem Tresen. Ich drehe sie schnell rum und fotografiere die Seite ab. Schiller durchgestrichen – Brunner eingetragen – Alles klar! Das wird Onkel Thorsten sicher brennend interessieren! Dann klappe ich die Mappe zu und schiebe sie an ihren Platz in die Ablage auf dem Schreibtisch, wo Frau Zimmermann sie eben hervorgezogen hat. Sie kommt grade wieder, und wir winken uns im Vorbeigehen zu.
Und dann renne ich schon wieder. Meine Jungs haben tatsächlich auf mich gewartet. Ich zücke mein Handy und halte ihnen wortlos die abfotografierte Liste unter die Nase. Die Jungs stöhnen auf.
„Das darf doch nicht wahr sein!"
„Aber warum nur? Das ist doch absurd!"
„Ich weiß noch nicht, warum. Aber ich habe einen Verdacht. Denn ihre Ausrede dafür, dass sie mich vorhin aufgehalten hat, war, dass ihr Gerüchte über die Initiative des Elternbeirates gegen sie zu Ohren gekommen sind."
„Scheiße!"
„Jepp. Aber jetzt ab nach Hause. Wir sollten die gewonnene Zeit nutzen. Lerngruppe fällt heute aus, weil wir diese Klausuren schon geschrieben haben?"
„Würde ich sagen. Ja. Die vierte Klausur in einer Woche – da sollten wir Kräfte sparen."
„Gut. Dann bis morgen in alter Frische."
Selten war ich so schnell zu Hause wie heute. Ich pfeffere mein Rad in die Garage, schnappe mir drinnen Tanja und ziehe sie förmlich durch die Küchentür nach nebenan. Dort präsentiere ich Tanja und Tante Jana meine Interpretation dieses überaus „entspannten" Vormittags.
Wir wissen nicht, ob wir Amok laufen oder uns die Hände reiben sollen. Tanja entscheidet sich für die zweite Option.
„Na, da wird Thorsten sich aber freuen. Frau Hartmann hat offensichtlich Gerüchte gehört und daraufhin Herrn Brunner auf dich angesetzt. Sie wusste, dass er dir eine Sechs verpassen würde, wenn sie dich aufgehalten hat. So war sie es nicht direkt. Nur dumm gelaufen, dass du, statt weiter zu betteln, in den nächsten Raum gelaufen bist."
Tanja atmet tief durch.
„Ich bin echt stolz auf dich, Max, dass du so geistesgegenwärtig reagiert hast. Sonst wäre das der GAU schlechthin gewesen. Das hätte Axel nie geschluckt."
Tante Jana eröffnet eine Hartmann-Gruppe auf WhatsApp und fügt Tanja, Thorsten, Lasse und mich hinzu.
„Schick doch grade mal das Bild von der Liste mit 'nem kurzen Kommentar, den Rest erkläre ich Thorsten heute Abend."
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23.20.2020 - 23.4.2021
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