004 ** Pfannkuchentorte satt ** 4. Ferienwoche Juli 2019
„So, morgen geht's noch über diesen Rücken da rüber, und abends müssten wir dann wieder in der Zivilisation sein."
„Jei - 'ne Dusche!"
Ich sitze mit Jenny vor der letzten Hütte auf unserer Klettertour und genieße die warmen Sonnenstrahlen. Wir haben uns ausgiebig mit schwedischem Mückenzeugs á la Djungle-Oil eingedieselt und alle Viere von uns gestreckt, mit dem Rücken an die Hüttenwand gelehnt.
Müde klappe ich ein Auge auf.
„Wer issn heute mit Kochen dran?"
„Immer die Sau, die quiekt."
Jenny kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Allerdings hört das ziemlich schnell wieder auf, denn ich bringe sie sofort darauf so richtig zum Quieken, indem ich sie durchkitzele.
„O.K., du hast grade gequiekt. Ab in die Küche!"
„Vergiss es! Das war unlauterer Wettbewerb."
„Sagt die, die sich sonst immer vor allem drückt."
„Pöh!"
„Zusammen?"
„Naaaaaaa gut. Weil du's bist."
Wir gehen in die Hütte, besehen uns die Vorräte und kochen dann mit einer wilden Mischung aus Tütensuppe und auf der Wanderung gesammelten Kräutern ein leckeres Essen. Die fünftägige Wanderung mit einigen Kletterpartien hat uns ziemlich herausgefordert, aber auch unglaublich viel Spaß gemacht und Referendariat, Prüfungen und zwergengleiche Quälgeister gaaaanz weit in unseren Köpfen nach hinten rutschen lassen. Also verziehen wir uns bald in unsere Schlafsäcke und träumen von richtigen Betten.
Am nächsten Morgen packen wir unsere sieben Sachen in unsere Rucksäcke und begeben uns auf die letzte Etappe. Eine Kletterwand, eine Geröllhalde und ein Wasserfall sind heute zu überwinden. Als wir auf dem Pass stehen, genießen wir die weite Aussicht auf die Strecke, die schon hinter uns liegt, und auf den Abstieg, der zu einem Dorf im Tal führt.
„Wer zuerst unten ist!"
„Ernsthaft, Findus? Du weißt genau, dass junge Katzen schneller rennen als alte Männer."
„Soll ich dich runter tragen, alter Mann?"
"Au ja, gute Idee!"
„Vergiss es ..."
Gemeinsam und durchaus auf den eigenen Beinen schlendern wir gemächlich ins Tal, wo wir sofort das Hotel anpeilen und noch auf dem Weg nach oben zu unserem Zimmer per „Stein, Schere, Papier" auskaspern, wer zuerst unter die Dusche darf. Als wir uns wieder wie menschliche Wesen fühlen, waschen wir einige unserer Klamotten durch, damit wir nicht wie entsprungene Yetis durch Stockholm laufen müssen.
Den Abend verbringen wir in einer sehr gemütlichen Kneipe im Dorf, wo wir mit ein paar einheimischen Jungs flirten, riesige Teller mit „Janssons frestelse" vernichten und Vanilleeis mit heißen Preiselbeeren suchten.
„Puh! Ich wusste gar nicht, dass ein schwedischer Kartoffelauflauf NOCH besser schmecken kann als französisches Gratin. Wir sollten diesen Jansson nach Hause entführen."
„Neee, zu teuer. Sonst müssten wir den ja auch noch durchfüttern."
„Uuuups. Neeee, dann doch lieber selbst kochen. Das Rezept gibt's bestimmt bei ..."
„Chefkoch.de"
Wir schlendern zurück zum Hotel und freuen uns auf die Betten, in die wir uns ohne Umwege fallen lassen.
„Wie geht's morgen weiter, Frau Reiseplanerin Pettersson?"
„Schlafen."
„Hm. Und dann?"
„Hmmmm ... Schlafen."
„Und wenn alles Schlafen durch ist?"
"Augen aufklappen, duschen, packen, frühstücken, auschecken, den Zug nach Stockholm kriegen, die Landschaft bewundern, das „Rygerfjord"-Schiffs-Hotel finden, einchecken ... ins Bett fallen, Augen zuklappen, schlafen."
„Uiuiui, übernimm dich nicht. So viel Aktivität auf einmal! Schaffst du das, alter Mann? ... Obwohl ... da du das Aufwachen zwischendurch vergessen hast, kanns ja gar nicht sooooo anstrengend werden."
„Ach, eins hab ich aber tatsächlich vergessen. Wir müssen sofort rausfinden, wo man echte Pfannkuchentorte kriegt!"
Leider sind wir jetzt so eingealbert, dass an Schlafen erstmal wieder nicht zu denken ist. Also machen wir im Dunklen Ratespielchen, bis Jenny nicht mehr antwortet und ich direkt hinterher ins Land der Träume gleite.
Am nächsten Morgen halten wir uns streng an die vorgegebene Reihenfolge und zelebrieren ausgiebig das Schlafen, Schlafen, Augen aufklappen, Duschen, Packen, Frühstücken, auschecken, den Zug nach Stockholm kriegen (auf den letzten Drücker, eins von den vielen 'Schlafen' war dann wohl doch zuviel), die Landschaft bewundern, das „Rygerfjord"-Schiffs-Hotel finden, einchecken. Dann allerdings stellen wir fest, dass wir nach fünf Tagen Bewegung und einem Tag stillsitzen viel zu kribbelig sind. Also beziehen wir unsere Kabine, stecken uns nur Handys und Geld ein und stürmen die Stadt. Bummeln auf der Gamla Stan, Shoppen, was das Zeug hält. Denn: unsere Rucksäcke sind zwar klein, aber jetzt leergefressen und -getrunken, da passt wieder ein bisschen was rein.
Dann gehen wir ins erstbeste Café und bestellen Pfannkuchentorte. Zu unserer grenzenlosen Enttäuschung schaut uns die Kellnerin mit seeeeehr vielen Fragezeichen im Gesicht an.
„Pfannkuchentorte??? Was soll das denn sein?"
Wir verrenken uns halb, um der Frau unseren Wunsch zu erklären, und googeln nach einem Bild von der Torte aus dem Bilderbuch. Da fällt bei der Kellnerin der Groschen.
„Ahhh – jetzt verstehe ich. Nein, das haben wir leider, leider nicht, obwohl schon sooo viele Touristen danach gefragt haben. Unser Koch weigert sich. Auch Suppe mit Nägeln und Blaubeersuppe will er nicht kochen."
Dann flüstert sie.
„Er hasst Kinder. Und Kinderbücher. Und IKEA. Deshalb gibt es auch keine Köttbullar."
Schon bei der Suppe mit Nägeln á la Pippi Langstrumpf mussten wir uns schwer zusammenreißen, nicht loszuprusten.
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie suchen sich ein Getränk aus und verlassen sich auf mich. Ich stelle Ihnen einige typisch schwedische, fruchtig süße Kleinigkeiten zusammen, und da können Sie sich dann durchprobieren."
Jenny kriegt glänzende Augen.
„Au jaaaa. Einen heißen Kakao und Kühlschrank-Roulette bitte."
Nachdem ich das „Kühlschrank-Roulette" erklärt und auch einen Kakao bestellt habe, zwitschert die Kellnerin ab, macht zwei heiße Schokoladen und legt lauter leckere Kleinigkeiten auf einen großen Teller. Da schleckern wir uns dann durch, bis wir fast platzen.
In den nächsten Tagen lassen wir uns treiben, besuchen Museen, die alte Wikingerstadt Birka oder gammeln einfach auf Deck unseres Hotelschiffs herum. Als krönenden Abschluss unserer Reise haben wir uns die Insel Djurgarden vorgenommen, denn da gibt es das „Junibacken". Eigentlich ein Erlebnismuseum für kleine Kinder – aaaaaber: hier gibt es jede Menge zu „Pettersson und Findus", und das lassen wir uns nicht entgehen. Mit großem Vergnügen krabbeln wir zusammen mit unzähligen kleinen und großen Kindern durch die Villa Kunterbunt, bestaunen die geschnitzten Figuren in Michels Tischlerschuppen und streifen über den Hof des alten Pettersson. Eine Fotowand mit einem Bild der beiden Figuren, wo wir unsere Köpfe durchstecken könnten, gibt es leider nicht. Aber lebensgroße Figuren stehen überall herum, und so lassen wir uns mit diesen „Stellvertretern" fotografieren, damit wir unserer alten Erzieherin einen Gruß schicken können.
Und dann kommt die Stunde der Wahrheit. Gibt es hier ...? Ja! Es gibt!!! Genüsslich schlagen wir uns im Museumsrestaurant den Bauch mit Pfannkuchentorte voll, bis wir uns schon selbst wie Pfannkuchen fühlen. Dabei rätseln wir die ganze Zeit, mit was diese Torte wohl gefüllt ist und wie man die zum Stehen bekommt. Denn all unsere eigenen Versuche der letzten Jahre waren schön bunte Rutschpartien, die sich nicht schneiden, nicht auf einen Teller heben und irgendwie auch nicht richtig essen ließen.
„Oh Mann, bin ICH satt! Jetzt ist der Urlaub perfekt. Jetzt können wir nach Hause fahren."
Jenny grinst vergnügt und hält sich den Bauch.
„Jepp. Das sehe ich auch so. Und auf der Fähre von Trelleborg nach Travemünde können wir sogar ein paar Stunden pennen."
„Wann geht der Zug?"
„Moderat. Nach dem Aufwachen."
Wir grinsen uns an, sammeln unseren Kram zusammen und machen uns auf den Weg zurück zu unserem „Hausboot".
Die Rückreise verläuft problemlos. Wir haben einen Haufen toller Erinnerungen im Gepäck, haben uns so richtig ausgetobt und freuen uns nun auf das nächste Schuljahr.
„Erzähl mir mehr von den Kollegen."
Ich wackele mit den Augenbrauen.
„Wohl mehr von einem ganz bestimmten Kollegen. Ja, Lennart ist klasse. Er ist sachlich UND einfühlsam, humorvoll UND ganz bei der Sache. Ich habe mich in jeder einzelnen Lehrprobe so sicher gefühlt, weil er immer ausgestrahlt hat: du schaffst das. Auch, wenn die Stunde mal totaler Müll war oder die Klasse ein mistiger Haufen provokanter Pubertiere."
„Was kommt auf Dich zu in diesem Schuljahr?"
„Ich habe ja schon im letzten Schuljahr als Referendarin den Sport-LK selbständig unterrichtet und bin nur vom Sportkollegen Recksing betreut worden. Diesen LK übernehme ich jetzt ganz, und zwar als Tutorin. Und mit fast identischer Besetzung kriege ich die selben Schüler im Mathe-GK. Ansonsten Sport und Mathe quer durch alle Jahrgänge. Als Kontrast zu den Abgängern hab ich dann z.B. eine frische Fünfte mit so niedlichen, unverdorbenen Zwergen."
„Ich bin so gespannt, wo sie mich reinstecken werden."
„Naja, dein Stundenplan wird im Wesentlichen dem von Lennart folgen. Da wir nicht genug Reli-Lehrer haben, macht er das als Philosophie-Lehrer. Er lässt dich aber auch gerne bei jedem anderen geeigneten Fachlehrer mal mitlaufen, damit du ein Gefühl für die Bandbreite der Möglichkeiten bekommst. Dazu hat er Physik, wie du. Und du dackelst immer einfach mit. Nur für Sport wirst auch du zu irgendwelchen anderen gesteckt. Denn Lennart kann vieles. Sehr viel. Aber sportlich ... ist er nicht."
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18.9.2020 - 5.3.2020
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