68. Beziehungen
»Also stimmt es, was Basti erzählt? Du bist wirklich mit Manuel zusammen?«
Palle warf einen kurzen Blick zu Manu, der sich immer noch an ihn lehnte, und legte demonstrativ einen Arm um dessen Taille. Dass er Felix' Frage unhöflich fand, konnte man ihm ansehen. Genauso gut hätte er ja auch sie beide fragen können, anstatt so zu tun, als wäre Manu gar nicht in Hörweite.
»Sieht es so aus?«
Natürlich konnte Felix sein genervter Tonfall nicht entgehen. Der ging sofort in Abwehrhaltung und hob verteidigend die Hände.
»Wow. Ganz ruhig. War nur eine Frage. Seit wann so zickig?«
Noch ehe Patrick etwas erwidern konnte, hatte er sich abgewandt und war mit einem Kopfschütteln wieder in der Menge verschwunden. Patrick runzelte leicht verärgert die Stirn.
»Was geht bei dem denn gerade falsch?«
Viel weiter kam er aber nicht. Sie wurden von Dado unterbrochen, der auf ein Mal von irgendwoher auftauchte und im nächsten Moment Manu um den Hals fiel. Der ertrug die Freude seines Freundes mit einem Lächeln und sah nicht, wie Dado und Palle hinter seinem Rücken ebenfalls ein solches austauschten. Ohne dass er es wusste, waren seine beiden besten Freunde verdammt stolz darauf, dass er seine Ängste vor dem Outing endlich überwunden hatte.
Als Dado Manu schließlich wieder freigab, sah dieser auch Micha, der anscheinend mit ihm zusammen zu ihnen gekommen war – und der sie jetzt bloß angrinste. Als Maurice sich Manu und Palle gegenüber auf den Boden sinken ließ, tat er es ihm nach kurzem Zögern gleich. Erst wirkte er ein wenig verspannt, wurde dann aber lockerer, als er merkte, dass er keine allzu private Szene zu stören schien.
Eine ganze Weile lang unterhielten sie sich über alles mögliche, Micha gratulierte Manu noch ein Mal persönlich und fragte ihn, was er bekommen habe. Dado antwortete an seiner Stelle, da er ja immer noch mit niemandem außer ihm und Patrick sprach – auch wenn er langsam das Gefühl hatte, dass er es irgendwann schaffen konnte, wieder normal zu reden. Momentan musste es aber so gehen – und ging auch erstaunlich gut. Er hatte sich inzwischen so an seine Stummheit gewöhnt, dass die ihm gar nicht mehr bewusst auffiel – es war schlichtweg Normalzustand geworden.
»Irgendwie passt ihr gut zusammen.«
Michas Blick war ruhig und nachdenklich geworden. Wobei – eigentlich war er das schon immer gewesen. Micha war keiner dieser Menschen, die aufgedreht immer ihre Meinung herausposaunen mussten. Er war von Natur aus eher ruhig und überlegt. Soweit konnte Manu ihn inzwischen einschätzen.
Er lächelte über die Worte des Anderen, die er als Kompliment empfand.
»Das ist keine Beleidigung oder so, versteht das nicht falsch ... Aber ich hätte das echt nie vermutet. Ich dachte immer, ihr könntet euch nicht ausstehen.«
Patrick seufzte und dieses Mal war es an Manu, seine Hand zu suchen und zu drücken. Er wusste, dass er sich größere Vorwürfe machte, als es noch sein musste.
»Ja. Das war meine Schuld. Ich hab mich Manuel gegenüber scheiße verhalten.«
Micha schien zu merken, dass er nicht mehr erklären wollte und akzeptierte es.
»Na, wenn ihr euch ausgesprochen und das beseitigt habt ... ist doch schön. Ein Happy End für euch beide. Wie im Märchen.«
Patrick nickte, aber dass er ihren Blicken dabei auswich verriet, dass es sich für ihn nicht so anfühlte. Manu jedoch musste Micha Recht geben. Klar, das was gewesen war, war scheiße gewesen – aber das hier war es wert.
*
Da es sich bei dem Feierkeller ja um ein mehr oder weniger offizielles Angebot der Schule handelte, mussten sie diesen bereits um Mitternacht räumen. Dass dann aber noch nicht Schluss war, war für sie schon weit im Voraus klar gewesen – weshalb Manu sich mit Patricks Hilfe und Bastis Ausweis – er selbst war schließlich leider erst 17 geworden – mit Alkohol eingedeckt hatte. Jetzt saßen sie in Manus Zimmer – natürlich nicht mehr in der ganzen Gruppe, sondern stark verkleinert. Dazu gehörten wirklich nur die Leute, von denen Manu sich wünschte, seinen Geburtstag mit ihnen zu feiern – und nicht mehr jeder, mit dem er ganz gut zurechtkam. Geplant gewesen waren neben Patrick und Dado nur Stegi, Tim, Alex, neben denen er in einigen Fächern saß, und Rafi, jedoch war Micha spontan auch noch dazugeladen worden. Hier floss schon um einiges mehr Alkohol als noch zuvor - acht Leute betrunken zu machen kostete nunmal sehr viel weniger, als die ganze Stufe abzufüllen. Die Kombination aus mehr Vertrauen zu den Anderen und diesem Alkohol-Faktor brachte Patrick und Dado auch dazu, im Laufe des Abends das erste Mal so richtig in der Öffentlichkeit rumzuknutschen, ohne sich von den Anderen stören zu lassen. Nicht dass einer von ihnen versucht hätte, sie zu stören. Bloß im Nachhinein hagelte es wieder Kommentare dazu.
»Das erklärt übrigens auch die Knutschflecken. Mir wollte ja keiner glauben, dass das nicht normal ist.«
Stegi grinste. Er war schließlich einer der Ersten gewesen, die die Theorie aufgestellt hatten, dass Patrick etwas Ernsteres hatte. Bloß auf Manu wäre auch er nie gekommen. Das schien ihnen allen so zu gehen.
»Ich hätte das auch echt nie gedacht.« Micha sah von Manu zu Dado und zurück, dann zu Patrick. »Ich dachte echt immer, ihr beide hättet etwas miteinander.«
»Echt?« Dado grinste, ihn schien diese Vorstellung zu amüsieren. Manu tat es ihm gleich und jetzt erschien es ihm so unendlich irreal, dass er wirklich ein Mal darüber nachgedacht hatte, auf seinen besten Freund zu stehen. Wobei er, wäre Patrick nickt, sich dessen wahrscheinlich immer noch nicht ganz sicher wäre. Seine und Dado Freundschaft war ihm nun mal so wichtig und so eng, dass es schwer war, diese Gefühle, die er für ihn hatte, von romantischen zu unterscheiden. Noch dazu, wenn man keine Erfahrungen mit letzteren hatte.
Dado grinste und Manu konnte ihm den Schalk in seinen Augen förmlich ansehen. Jedoch schaffte er es nicht rechtzeitig, zu reagieren, als sein bester Freund auf ein Mal nach seinem Oberteil griff und ihn daran bestimmt zu sich zog. Für einen kurzen Moment presste Dado seine Lippen auf Manus – Himmel, was war das denn auf ein Mal, so unerwartet und überhaupt – bevor er sich wieder von ihm entfernte und bloß verschmitzt grinste. Im ersten Moment war Manu nicht in der Lage, überhaupt irgendwie zu reagieren. Nicht, dass er es schlimm gefunden hätte, dass Dado ihn küsste – war schließlich nicht das erste Mal und dieses Mal war er sich absolut sicher, dass keiner von ihnen mehr für den Anderen empfand - aber was würde Palle davon halten?
Bevor er jedoch den Blick seines Freundes finden konnte, sah er, dass auch Dado diesen suchte – immer noch so lieb lächelnd, dass man ihn für einen reinen Unschuldsengel halten müsste.
»Sorry. Ich hab das ältere Recht. Aber ich will ihn dir gar nicht streitig machen.«
Dado zwinkerte – und Manu sah zu seiner Erleichterung, dass Patrick nicht wirklich sauer wirkte. Stattdessen lachte auch er leise.
»Tja. Du hattest deine Gelegenheit. Jetzt ist das mein Privileg.«
Irgendwie mochte Manu es, wie sein bester Freund und Patrick sich auf liebevolle Art und Weise um ihn stritten – auch wenn sie von ihm sprachen, als hätte er selbst gar kein Mitspracherecht. Und trotzdem gab es ihm das Gefühl, den Beiden viel wert zu sein.
Um dem zu widersprechen, zu beweisen dass er eben doch ein Mitspracherecht hatte und der – wenn auch freundschaftlichen - Diskussion ein Ende zu setzen, beschloss Manu, doch noch selbst Initiative zu ergreifen. Also war auch er mit einer Bewegung bei seinem besten Freund und schnitt Dado das Wort ab, indem er seine Lippen auf dessen drückte – kurz und fest, ohne jeglichen romantischen Hauch – und direkt darauf Patrick an sich zog und diesen küsste – dieses Mal länger, mit offenen Lippen und stockendem Atem – intensiv und prickelnd. Dado lachte irgendwo leise und auch Micha schien einzustimmen. Manu seufzte und grinste, als sie sich wieder voneinander lösten.
Er spürte, dass Patrick verstand, was er dachte. Dass es für Patrick okay war und er wusste, was Dado und ihn verband. Dass es Zeiten gegeben hatte, in denen sie sich nun mal körperlich und psychisch nah gewesen waren – ohne romantischen Hintergrund – und es immer noch waren. Und dass es keinerlei tiefere Bedeutung hatte, wenn sie sich so verhielten – nicht mehr als Freundschaft und Alberei. Aber auch, wenn Patrick es verstand, würde Manu das nicht zur Gewohnheit werden lassen – es gab für Dado und ihn, außer ihren Albereien, schließlich keinen Grund, sich zu küssen (wenn man dieses Lippen-aufeinander-Pressen überhaupt so nennen konnte).
Und auch, wenn der Besitzanspruch, den Palle danach deutlich machte, indem er sich weigerte, Manu aus seinen Armen freizugeben übertrieben und gespielt war - es fühlte sich verdammt gut an.
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Heute bisschen länger.
Feedback?
Was sagt ihr zwischen dieser Kuss-Sache am Ende?
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