51. Besuch

Aufgeregt hibbelte Manu in seinem Zimmer auf und ab und kontrollierte ein fünftes Mal in dieser Minute, ob alles vorzeigefertig war.

Er hatte die letzten zwei Wochen fast jeden Tag mehr oder weniger lang mit Patrick geschrieben - während er sich wohl mehr gewünscht hatte, ihn sehen zu können, als er zugeben wollte. Viel zu sehr belastete ihn der ungünstige Zeitpunkt dieser Zwangs-Pause voneinander und das, was zwei tage vor den Ferien geschehen war und worüber sie immer noch nicht gesprochen hatten. Also hatte er irgendwann seinen Mut zusammengekratzt – und seine Eltern gebeten, ob ein Freund von ihm das letzte Wochenende vor Ferienende vorbeikommen könne. Seine Eltern hatten sofort eingewilligt und so hatte Manu Palle mit klopfendem Herzen vorgeschlagen, doch schon zwei Tage früher anzureisen und seinen Zwischenstopp in Essen einzulegen.

Patrick hatte sofort eingewilligt und auch seine Eltern hatten nichts dagegen gehabt - weshalb Palle nun jeden Moment hier aufkreuzen musste und zwei Nächte hier übernachten würde, bis sie am Sonntag gemeinsam zurück ins Internat fahren würden.

Natürlich war Manu nervös – nicht nur, weil noch so viel zwischen ihnen ungeklärt war. Er hatte auch Angst davor, Patrick zu zeigen, wie es für ihn war, hier zuhause mit seinen drei Brüdern zu leben, hatte Angst davor, dass sein Freund ihn für schwach halten würde – aber die frischen blauen Flecken auf seiner Brust und seinen Armen waren nun mal auch nicht zu verleugnen. Gleichzeitig befürchtete er, dass das den Spott seiner älteren Brüder nur noch anheizen würde – die ihn teilweise ja eh schon für schwul hielten, ohne die Wahrheit zu kennen.

Er seufzte und versuchte, diese dummen Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen. Es würde schon alles gut werden.

Das versuchte er auch, sich einzureden, als es wenig später an der Tür klingelte und er dorthin stürmte, um Patrick zu begrüßen. Verlegen stand er auf ein Mal wieder ihm gegenüber - und noch dazu dessen Vater, dem er verlegen die Hand reichte. Bevor er ihn jedoch aus Höflichkeit hereinbitten konnte, war dieser auch schon wieder auf dem Rückweg ins Auto, mit der Erklärung, sich beeilen zu wollen, um nicht in den Berufsverkehr zu geraten. Der Abschied von Vater und Sohn fiel kurz aus und so standen sie wenig später nur noch zu zweit da.

»Hey.«

Manu hätte sich für seine verräterische Verlegenheit schlagen können. Palle jedoch grinste ihn bloß lieb an und umarmte ihn schließlich von sich aus zur Begrüßung freundschaftlich.

»Hi.«

Manu bedeutete ihm, reinzukommen und wartete, bis er seine Schuhe ausgezogen hatte, bevor er sich Palles Tasche schnappte – und einen pflichtbewussten Besuch im Wohnzimmer abhielt, um seinen Eltern Patrick vorzustellen. Zu seiner Erleichterung war keiner seiner Brüder in der Nähe.

Manus Eltern begrüßten Patrick freundlich und sie schienen ganz gut Smalltalk zu halten – wofür Manu echt dankbar war, weil er als Vermittler dabei wohl haushoch versagt hätte. Patrick schaffte es zwar ganz gut, ihn auch ohne gesprochene Worte zu verstehen – dafür waren seine Eltern denkbar untalentiert, was das anging. Also ließ er sie bloß ein paar Minuten lang reden, bevor er nach Palles Ärmel griff, um sich bemerkbar zu machen – und mit seiner Hand zuerst auf sich und Patrick und dann nach oben zeigte. Das verstanden selbst seine Eltern.

Palle folgte Manu die Treppen rauf in sein Zimmer und musterte den Raum neugierig, während Manu bloß verlegen vesuchte, nachzuempfinden, was Patrick denken musste, wenn er diesen für ihn fremden Raum das erste Mal sah. Angenehme Größe, nicht sonderlich aufgeräumt und seit einigen Jahren nicht mehr ausgemistet, wie man an diversen Büchern – er las schon seit Jahren nicht mehr – und sogar noch ein paar Kinderspielen ganz unten im Regal erkennen konnte. Patrick lächelte ihm jedoch bloß zu und setzte sich auf das Fußende von Manus – ausnahmsweise mal gemachten – Bett. Ein fragender Blick, um sich zu vergewissern, dass das für Manu okay war – der mit einem schnellen Nicken beantwortet wurde.

Etwas unschlüssig ließ Manu sich kurzerhand neben Patrick auf das Bett fallen und hoffte innerlich, dass sie sich möglichst schnell an die Anwesenheit des Anderen gewöhnen würden und dieser unangenehme, verlegene Moment vorbeigehen würde.

Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis er sogar mehr als seine gekrächzte Begrüßung von vorhin herausbekam und die Stimmung langsam entspannter wurde, während die Jungs sich über dies und das unterhielten.

Trotz dem, dass dieser Gedanke beinahe greifbar zwischen ihnen im Raum stand, dauerte es noch ein Mal bis zum frühen Abend, bis sie sich das erste Mal wieder küssten.

Manu genoss es, dieses Gefühl wieder zu spüren, das ihn in Patricks Gegenwart so oft befiel und vergaß für einen kurzen Moment sogar seine Sorgen, seine Familie könnte etwas hiervon mitkriegen.

Der Kuss war noch zurückhaltend und vorsichtig – schließlich hatten sie sich seit zwei Wochen nicht mehr gesehen und keiner von ihnen wusste so ganz, was das zwischen ihnen jetzt eigentlich genau war. Dennoch genoss Manu ihn und konnte sein Grinsen nicht wirklich unterdrücken, als Palle sich irgendwann wieder von ihm löste und sie bloß so dicht beisammen wie zuvor auch sitzen blieben. Patrick versuchte merklich, zu überspielen, was dieser Kuss auch in ihm ausgelöst hatte:

»Ich hab heute keine Zigarette angerührt. Ich habs dir versprochen.«

Manu dachte augenblicklich zurück an ihren letzten Kuss – so irreal ihm das gerade schien, nachts und betrunken im menschenleeren Lehrerzimmer – und musste bloß noch weiter Grinsen. Mit leichtem Herzklopfen bekam er mit, wie Patrick irgendwie fasziniert mit einer Hand über sein Kinn strich. Manu genoss die Berührungen, schaffte es aber nicht, der Versuchung zu widerstehen, den Anderen damit aufzuziehen:

»So faszinierend?«

Patrick grinste und verdrehte die Augen - nickte dann aber.

»Irgendwie schon, ja.«

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