38. Spiel
»Manuel?«
Es klang ungewohnt, bei seinem vollen Namen genannt zu werden – und trotzdem störte es ihn bei Palle nicht. Aufmerksam sah Manu zu dem Älteren.
»Warum sprichst du nicht? Also ... wenn du nicht darüber reden willst, sag das einfach. Aber ... es würde mich interessieren. Also ... Ja. Du weißt schon. Wenn das okay ist.«
Manu atmete ein Mal tief durch und schloss die Augen. Für einen Moment lehnte er sich zurück an die kühlende Wand in seinem Rücken – trotz der Kälte, die ihn bis eben noch gequält hatte, beruhigte ihn das etwas.
Erschrocken zuckte er zusammen, als er Patricks Hand spürte, die sich auf seinen unteren Oberschenkel legte, entspannte sich dann aber schnell wieder. Die Berührung hatte nichts sexuelles. Vertraut, ja, aber nicht anzüglich.
Konnte er Patrick davon erzählen?
Ja, er mochte ihn. Das konnte er nach dieser Nacht nicht mehr leugnen - sonst würde er kaum seit fast sieben Stunden Zeit mit ihm verbringen - aber vertraute er ihm? Er hatte das immer für unmöglich gehalten - nicht ausgerechnet Patrick - aber sein Gefühl sagte ihm, dass er falsch gelegen hatte. Er wusste – oder hoffte zumindest, dass Patrick ein Geheimnis, das er ihm heute erzählen würde, nicht morgen in der ganzen Schule verbreiten würde. Und dennoch – dieses eine Geheimnis war so privat, dass er einfach nicht konnte. Langsam bewegte er den Kopf von rechts nach links, schluckte erneut. Der Druck von Patricks Hand auf seinem Bein verstärkte sich.
»Hey. Kein Problem. Tut mir leid, ich wollte dich nicht unter Druck setzen oder so. Ich kann total verstehen, wenn du nicht darüber reden willst.«
Manu musste an die Worte seiner Therapeutin denken. Zuerst musste das Symptom bekämpft werden – sein Schweigen – bevor man sich der Ursache widmen konnte. Davor würde sein Unterbewusstsein es nicht zulassen, dass er das bewältigte. Vielleicht hatte sie ja recht. Zumindest erschien es Manu momentan um einiges wahrscheinlicher, dass er es irgendwann schaffen würde, mit Patrick zu reden, als das er ihm ... davon würde erzählen können.
Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass nicht mehr viel fehlte. Es würde nur noch einen kleinen Anstoß brauchen, dieses kleine letzte Stückchen, dann würde er sich selbst überwinden können. Und irgendwie gefiel ihm dieser Gedanke.
»Lass und etwas spielen!«
Wahrscheinlich hatte Patrick einfach nur das Thema wechseln wollen, doch so energisch und energiegeladen, wie er auf ein Mal wirkte, glaubte Manu ihm sofort, dass er diesen Einfall gerade wirklich super fand. Er selbst zog bloß eine Augenbraue hoch.
»Ja. Komm! Irgendein Trinkspiel oder so. Zur Not auch ohne Alkohol, wenn du nicht mehr willst! Irgendetwas, bloß ... nicht nur rumsitzen und irgendwann halb vor uns hin dösen. Jetzt schlafen zu gehen lohnt sich eh nicht mehr!«
Manu entsperrte sein Handy.
Und ... was?
»Keine Ahnung. Wahrheit oder Pflicht.«
Schon wieder? Und nur zu zweit?
Palle grinste bloß überzeugt.
»Ja! Gerade zu zweit isses doch nice. Keine zu krassen Pflichten und ... keine Sorge wegen den Wahrheiten. Jedes einzelne Wort würde unter vier Augen hier bleiben! Versprochen. Und ... wer nicht antworten oder eine Pflicht wirklich nicht machen will ... der passt einfach.«
Manu zögerte, wenn auch nicht lange. Jedoch noch bevor er etwas erwidern konnte, hatte Patrick schon weiter gesprochen.
»Also ... Ich kann auch verstehen, wenn du keine Lust drauf hast, aber ... Ich fänds nice.«
Manu schnaufte ein weiteres Mal tief durch – wenn er diese Nacht bereuen würde, dann würde er das so oder so tun. Dann konnte er jetzt wenigstens auch noch einen weiteren Grund dafür schaffen.
Okay.
»Ja?« Palle klang wirklich erfreut. »Cool! Nice. Okay ... du darfst beginnen, wenn du willst. Mit einer Frage.«
Manu überlegte kurz. Überlegte länger. Überlegte lange.
Er war schon immer schlecht darin gewesen, Anfänge zu machen. Die Ideen kamen ihm meistens erst während des Spiels. Patrick jedoch zeigte Geduld und nuckelte bloß ohne zu meckern an seiner Bierflasche, bis Manu endlich etwas eingefallen war:
Mit wie vielen Typen warst du schon im Bett?
Palle grinste, zuckte kurz gespielt anzüglich mit den Augenbrauen. Sofort fiel Manu eine weitere Frage ein. Wie gesagt, wenn das Spiel erst ein Mal lief, ging es.
»Zuhause mit drei. Mit einem davon aber zwei Mal ... mit einem Jahr Abstand dazwischen. Und ... seitdem ich hier bin ... auch drei. Ne, stopp. vier, sorry. Aber zwei davon hab ich nur ein Mal getroffen.«
Manu zog die Augenbrauen hoch. So, wie die Anderen von Patricks Bettgeschichten gesprochen hatten – hätte er fast mehr erwartet. Klar, vier Typen in dreieinhalb Monaten war nicht wenig ... aber auch nicht extrem krass.
»Okay. Du. Wahrheit?«
Manu überlegte kurz, nickte dann aber. Wie aus der Pistole geschossen kam Palles Frage.
»Du hattest damals erzählt, du hast schon Jungs geküsst ... Wen? Dado?«
Manu biss sich auf die Unterlippe, nickte dann aber.
»Ist er auch ... schwul? Oder bi oder so?«
Obwohl diese zweite Frage eigentlich gegen die Regeln war, schüttelte Manu den Kopf.
Er ist hetero. Aber ... sagen wir: Er hat mir geholfen, mir über meine Sexualität klar zu werden. Als bester Freund. Er hat zu der Zeit selbst ein bisschen ... gezweifelt. Aber er ist hetero.
Patrick nickte nachdenklich.
»Nicht falsch verstehen ... aber hätte ich eigentlich echt nicht gedacht.«
Manu zuckte bloß mit den Schultern. Ihnen war durchaus bewusst, dass die Vertrautheit, die sie beide hegten, natürlich solche Folgerungen bewirken konnte. Aber Dado schien das wirklich egal zu sein.
»Okay. Du?«
Wolltest du mich mal ... ins Bett kriegen?
Als Patrick bloß die Augenbrauen hochzog, schob Manu schnell eine Erklärung hinterher:
Dado hatte da so eine Theorie. Also? Wolltest du?
Er brachte es nicht über sich, diese Frage außer in der Vergangenheit auch in der Gegenwart zu denken. Es durfte nicht sein, dass Patrick mit allem, was heute Nacht geschehen war, bloß das eine bezwecken wollte. Nein. Das wollte und konnte Manu nicht ein Mal theoretisch glauben.
»Du meinst ... Als One-Night-Stand oder so?«
Manu zuckte mit den Schultern, nickte. Ja, wahrscheinlich meinte er das. Die Frage wäre ihm zu jedem anderen Zeitpunkt wahrscheinlich wahnsinnig unangenehm gewesen. Aber heute waren alle Grenzen anders gesteckt.
»Nein.«
Manu nickte bloß, versuchte, einen neutralen Gesichtsausdruck zu behalten. Irgendwie aber beruhigte ihn diese Antwort. Ein Patrick, der ihn ... ins Bett kriegen wollte, machte ihm irgendwie Schiss.
»Wahrheit?«
Manu nickte erneut.
»Oben oder unten?«
Überrascht hielt Manu die Luft an. Diese Frage kam unerwartet und direkt. Und das Schlimmste – er wusste keine Antwort darauf.
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Ein kleines Wochenend-Start-Kapitel direkt nach Schichtende ;)
Feedback? Die beiden gehen ja ganz schön zur Sache ;) Was denkt ihr, werden noch für Fragen und Aufgaben kommen?
Lasst mal ein bisschen Mitleid da für den Autor dieser wundertollen Fanfiktion (hier stinkts nach Eigenlob ...) der morgen früh um sechs Uhr aus dem Haus muss!
Wer mir beim Leiden zusehen will, kann mir gerne auf Instagram oder Twitter folgen (@minnicat3), ich werde mich morgen bestimmt zu Reich darüber beschweren ;)
Liebe Grüße, minnicat3
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