36. Zurück

»Okay, ich bin drin. Du hast gewonnen.«

Manu grinste bloß und ließ nun auch tatsächlich von Patrick ab, den er bis eben noch regelmäßig mit Wasser bespritzt und versucht hatte, ihm die Beine wegzuziehen, damit er auch im Wasser landete. Nun, mit nassen Haaren, die ihm ins Gesicht hingen, sah er so harmlos und irgendwie liebenswürdig verpeilt aus, dass Manu sich im Moment kein bisschen mehr vorstellen konnte, dass die Angst vor diesem Jungen ihm vor nicht allzu langer Zeit regelmäßig den Schlaf geraubt hatte.

»Boah. Es ist arschkalt! Können wir bitte wieder raus?«

Manu jedoch grinste nur und schüttelte den Kopf. Stattdessen griff er, ohne groß nachzudenken, nach Patricks Hand und zog ihn ein paar weitere Schritte ins Wasser. Stumm deutete er Schwimmbewegungen an und rubbelte sich dann demonstrativ über die Arme. Patrick verstand und begann, sich zu bewegen, um die Kälte etwas aufzuhalten.

An sich hätten sie jetzt natürlich schon wieder raus gehen können, sich ihre Klamotten schnappen und zusehen, dass sie ins Warme kamen. An sich wäre das wahrscheinlich auch das einzig Vernünftige gewesen. Aber Manu machte es gerade viel zu viel Spaß, zuzusehen, wie Palle sich zierte, während ihn die Kälte zumindest nicht ganz so sehr zu treffen schien.

»Lass uns raus, Manuel! Komm schon, ich erfrier hier noch!«

Palle tat überdramatisch so, als könne er sich kaum noch bewegen, doch als er sich an Manu vorbeidrängen wollte, wurde er von diesem erneut am Handgelenk zurückgehalten. Sein demonstratives Kopfschütteln quittierte er bloß mit einem Augenrollen.

»Manuel! Du kannst mich nicht abhalten. Ich bin stärker als du!«

Der Kleinere jedoch zuckte nur mit den Schultern und hätte er in diesem Moment nicht so verdammt süß und viel zu sehr nach nassem Welpen ausgesehen, hätte Palle sich wahrscheinlich einfach losgerissen und wäre gegangen. So aber blieb er, ließ sich wieder ins Wasser ziehen und tat nichts, außer die Augen zu verdrehen. Irgendwie war er es dem Kleineren ja auch schuldig.

»Okay. Dann lass mich halt erfrieren ... Jetzt bist du hier der Gemeine!«

Seine Worte klangen vielleicht hart, aber das Zwinkern seiner Augen bewiesen Manu, dass er es keinesfalls so vorwurfsvoll meinte.

»Sieh es als Revanche. Für ... damals am Steg und so.«

Auf ein Mal war die Stimmung, passend zu Palles Stimme beim letzten Satz, wieder viel ernster und Manu musste kurz schlucken, während er sich die dunklen Strähnen aus dem Gesicht strich. Viel zu leicht vergaß er immer wieder, dass das hier eben doch noch der selbe Mensch war, der ihm all das angetan hatte.

»Es tut mir leid, Manuel. Wirklich. Ich war ein absoluter Arsch.«

Manu zuckte bloß mit den Schultern, nickte aber dann. Sie hatten schon längst aufgehört, sich zu bewegen und standen nun einfach nur noch da, sich gegenüber und Manu irgendwie verlegen, während Palle sich wirklich anstrengte, zumindest einen Teil wieder gut zu machen.

»So etwas wird nie wieder vorkommen. Versprochen. Es ist irgendwie eskaliert, und ... es tut mir leid. Wirklich.«

Erneut nickte Manu – und meinte es auch tatsächlich so. Wenn Patrick der Mensch bleiben würde, der er momentan zu sein schien – dann konnte Manu ihm wirklich verzeihen. Ob das nun ein Fehler war, oder nicht. Er hatte ja schon irgendwie begonnen damit. Wirklich böse war er ihm schon lange nicht mehr - sonst stände er gerade wohl kaum hier, mitten in der Nacht mit Palle zusammen im eiskalten See.

Um die bedrückte Stimmung zu durchberechen, aber auch, weil es langsam wirklich unerträglich kalt wurde, zwang Manu sich schließlich, die ersten Schritte zu tun und griff auffordernd nach Palles Hand, um ihn ein paar Meter mit sich in Richtung Ufer zu ziehen, wo er erst kurz bevor sie ganz ins Trockene traten, die Hand des Älteren wieder losließ.

Eilig zogen sie beide sich ihre Klamotten über die nassen Körper. Keiner von ihnen sagte mehr etwas, aber wann immer sich ihre Blicke begegneten, grinsten sie einander an.

»Hier. Nimm du wieder. Danke.«

Manu schüttelte abwehrend den Kopf, als er sah, wie Patrick ihm seine Jacke entgegenstreckte, aber der Größere bestand darauf, dass er sie nehmen sollte, um wenigstens ein bisschen wärmer angezogen zu sein. Manu verdrehte zwar die Augen, als er sich das Kleidungsstück über seinen Hoddie zog, aber innerlich fand er es doch verdammt süß, wie Palle sich Gedanken um ihn zu machen schien.

»Komm. Lass uns ins Warme rein! Das hat doch mindestens minus zehn Grad hier ...«

Manu grinste. Dass Patrick Dinge gerne überdramatisierte, hatte er schon gemerkt. Er zeigte demonstrativ vier Finger auf.

»Minus vier Grad? Fühlt sich kälter an.«

Ein weiterer Blick auf sein Handy und die Wetteranzeige verriet Manu, dass er sich nicht getäuscht hatte. Grinsend ließ er das Handy wieder in seiner Tasche verschwinden und überkreuzte seine Finger so, dass ein Plus entstand.

»Plus vier grad? Niemals ... nee.«

Manu grinste bloß, doch Patrick schüttelte ungläubig den Kopf, selbst dann noch, als Manu ihm die Wetteranzeige zeigte.

»Nee. Niemals. Das ist kaputt oder so. Es hat bestimmt Minusgrade.«

Den ganzen Rückweg zum Internat lang, den sie gemeinsam zurücklegten, beharrte er darauf und mit jedem Mal fand Manu es ein kleines Bisschen lustiger.

Durch die Hintertür des inzwischen lang verlassenen Partykellers schlichen sie sich zurück ins Gebäude. Als sie den Flur betraten, wo sie sich würden trennen müssen, fand Manu es wirklich schade. Zwar war es inzwischen nach fünf Uhr in der Früh, aber dennoch war er kein Bisschen müde und hätte die gemeinsame Nacht gerne noch weiter ausgekostet. Ein bisschen fühlte es sich an wie ein Abenteuer.

Jedoch sollte es gar nicht erst zum Abschied kommen, denn noch bevor Manu irgendwelche Anstalten machen konnte, in Richtung seines Zimmers zu gehen waren dort auf ein Mal Palles Finger, die sich mit den seinen verschränkten und sein süßes Lächeln, während er ihn in die entgegengesetzte Richtung zog.

»Komm mit. Ich schulde dir noch ein Geheimnis.«, auf ein Mal schien Palle viel ruhiger und zurückhaltender, fast schon schüchtern, »Also ... wenn du heute noch ... jetzt nicht irgendwie ins Bett oder so willst. Dann ...«

Weiter jedoch kam er nicht, denn Manu hatte schon zustimmend genickt und folgte Patrick bereitwillig zu ihrem ehemalig gemeinsamen Zimmer.

Diese gemeinsame Nacht war noch zu jung, um hier zu enden.


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Danke an dieser Stelle übrigens Mal für jedes Sternchen und ganz besonders für JEDES Kommentar! Das freut mich wirklich jedes Mal mega!

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Was denkt ihr, könnte das für ein Geheimnis sein? Vermutungen / Wünsche?

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