33. Zu zweit

»Hey, alles okay?«

Patricks Stimme war leise und irgendwie sanft, was Manus Wut auf ihn jedoch nicht wirklich senkte. Der konnte doch jetzt nicht einfach so tun, als wäre nie etwas zwischen ihnen gewesen!

»Wills du ... etwas trinken?«

Manu schien fast schon ein bisschen nervös und musterte mehr seine Fingerspitzen als sein Gegenüber. Die Situation war auf jeden Fall für beide Seiten unangenehm. Erst monatelanges Mobbing, dann eine Art unbenannter Waffenstillstand und zuletzt dieser Kuss und Patricks Höflichkeit, fast schon Freundlichkeit. Jetzt, wo sie zu zweit waren, kam ihm das alles nur noch viel abgedrehter vor.

Also nickte Manu und sah zu, wie Patrick von einem der Tische Getränke holte und etwas zusammenmischte, um einen der Plastikbecher Manu in die Hand zu drücken.

Sie stießen an und Manu zog kurz das Gesicht, als er die etwas zu alkohollastige Mische probierte, trank dann aber direkt einen weiteren Schluck hinterher.

Das Schweigen zwischen ihnen war beiden unangenehm, viel zu viele unausgesprochene Dinge lagen zwischen ihnen. Manu beschloss, einen Anfang zu machen und holte sein Handy heraus, um eine Notiz zu tippen:

Danke wegen Mathe. Dass du die Aufgabe noch fertig gemacht hast.

Patrick las die Worte, schmunzelte dann und nickte.

»Kein Problem. Es war ja irgendwie ... meine Schuld.«

Manu nickte bloß, nahm einen weiteren Schluck. Was sollte er auch dazu sagen? Patrick hatte recht – es war seine Schuld.

Als er sich verlegen im Raum umsah, konnte er Dado erkennen, der nahe der Toilettentür bei einer Gruppe Mitschüler stand und sich unterhielt. Ihre Blicke trafen sich und Dado deutete fragend auf die Gruppe. Manu nickte bloß. Dado sollte ruhig Spaß haben - er kam auch alleine zurecht.

»Ich geh ein wenig raus, bisschen frische Luft schnappen. Willst du mitkommen?«

Manu zögerte einen Moment lang, nickte dann aber aus irgendeinem Grund und folgte Patrick zu der Tür, sein Getränk immer noch fest umklammert.

Kaum dass er ins Freie trat zog Manu die Ärmel seines Hoodies, die er in der Hitze des Kellers hochgekrempelt hatte, wieder nach unten und bis über den Großteil seiner Hände. Draußen war es viel zu kalt, um mit nackten Armen rumzulaufen.

Ziellos und immer noch schweigend begannen sie, ein paar Schritte zu gehen, ziellos an der Wand des Gebäudes entlang, bis sie zu einer der Grünflächen kamen und Patrick auf ein mal wieder zu sprechen begann:

»Das mit ... wegen Donnerstag. Tut mir leid, dass ich dich so bedrängt habe. Ich wollte dich nicht verschrecken.«

Manu ließ die Worte kurz sacken, bevor er wieder sein Handy aus der Tasche zog. Beim Tippen der Zeilen merkte er schon deutlich, wie viel schwerer es ihm fiel, die jeweiligen Tasten zu treffen. Er war wohl doch schon betrunkener, als er sich vorkam.

Warum hast du das getan?

Palle zuckte mit den Schultern und Manu wartete, ob da noch etwas kommen würde, doch dem schien nicht so zu sein. Also schwiegen sie wieder, gingen schweigend weiter den Kiesweg entlang, bis Patrick auf ein Mal nach Manus Arm griff, nur knapp über seinem Handgelenk, und ihn eine kleine Böschung hinunter zog, wo einer der Sportplätze lag. Manu ließ ihn machen und sah zu, wie Patrick sich unter einem der Basketballkörbe auf den kühlen Boden fallen ließ, setzte sich dann aber ebenfalls zu seinem Klassenkameraden.

Eine ganze Weile lang schwiegen sie weiter und die Situation war so merkwürdig wie bisher nichts zuvor zwischen ihnen. Aber Manu merkte, wie Patrick in seinen Gedanken festzuhängen schien, also ließ er ihn und betrachtete bloß die Bäume, die sich hinter einem Zaun erhoben, darauf wartend, dass irgendetwas passieren würde. Und tatsächlich war dem irgendwann so:

»Manuel? Es tut mir leid. Also ... das alles. Wie scheiße ich zu dir war. Du hast einfach immer ... total arrogant auf mich gewirkt und ... komisch – sorry. Und dann das mit der Homophobie und ... tut mir leid, ich weiß, dass das keine Rechtfertigung ist. Ich hab mich Kacke benommen.«

Manu nahm sich einen kurzen Moment, um die Augen zu schließen und ein Mal tief Luft durch seine Lungen zu saugen. Die Kälte, die ihn bis eben noch verfolgt hatte, spürte er nun nicht mehr.

Irgendwann nickte er. Nickte, dass er verstanden hatte, nickte, dass er die Entschuldigung angenommen hatte. Ja, Patrick hatte sich entschuldigt und das war okay. Vielleicht war es ein Fehler, dass Manu immer so schnell verzieh – etwas, das ihn schon seit seiner Kindheit verfolgte. Aber schließlich hatte er, auch wenn sein logisches Denken ihm sagte, dass er sich davon nicht beeinflussen lassen sollte, in den letzten Tagen gesehen, dass Patrick auch anders konnte. Vielleicht war auch sein Alkoholpegel ein Grund dafür - Manu wusste es nicht. Er wusste bloß, dass er Patrick verzieh und er daran auch nichts ändern konnte, selbst wenn er gewollt hätte. Was noch lange nicht hieß, dass er ihn mochte oder ihm in irgendeiner Weise vertraute. Aber es war okay, das was zwischen ihnen war, war zumindest kein Hass mehr.

Was auch immer es jetzt war.


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Von der Länge ein etwas kürzeres Kapitel - dafür umso bedeutender für die Geschichte!


Feedback?

Wie denkt ihr, wird es mit den Beiden jetzt weiter gehen?

Wie realistisch, denkt ihr, ist die Entwicklung bis jetzt und Manus Reaktion?


Wer will, kann gerne auch noch ein Mal Fragen an die Charaktere stellen - das letzte Mal bin ich einfach nicht dazu gekommen, sie beantworten zu lassen. Gerne also auch schon mal gestellte, noch unbeantwortete Fragen noch mal!


Liebe Grüße!

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