28. Geküsst
»Patrick hat mich geküsst.«
»Was bitte?« Wenn Dado eben noch auf seinem Bett gelegen war und lustlos auf sein Handydisplay gestarrt hatte, so schien er jetzt hellwach. Manu nickte bloß. Er konnte es ja genauso wenig begreifen wie sein bester Freund.
»Er hat mich geküsst.«
»Manu! Wie? Was ist passiert? Warum?«
Manu erzählte Dado die ganze Geschichte. Wie sie ihre Aufgabe gemacht hatten, eigentlich ganz gut miteinander ausgekommen waren, irgendwann ein bisschen getrunken hatten, von seinem Schluckauf und wie Palle ihn auf ein Mal geküsst hatte.
»Warum hat er das getan?«
Manu zuckte mit den Schultern. Als er sich neben Dado auf dessen Bett fallen ließ, war er merkwürdig erschöpft.
»Ich weiß es nicht.«
Es hatte nicht lange gedauert, bis Palle ihn wieder losgelassen hatte und Manu hatte die erste Gelegenheit genutzt, um sich seine Sachen zu schnappen und zu flüchten. Und so war er jetzt hier, suchte Zuflucht in seinem eigenen Zimmer und hatte selbst noch nicht ein Mal realisiert, was vor nicht ein Mal zehn Minuten passiert war.
»Und jetzt? Glaubst du ... er wird wieder so werden?«
»Mich schlagen? Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Aber ... ich glaube es eigentlich nicht. Es war ja schon die letzten Wochen – nicht mehr so schlimm. und auch so ... er war heute echt nett zu mir. Halt einfach ... normal. Aber ... warum macht er das?«
»Ich weiß es nicht.«
Palle seufzte. Da war dieser eine Gedanke, der ihn nicht mehr losließ:
»Glaubst du ... Was du meintest, wegen dieser Nachricht: dass er Gefühle hätte. Für mich. Glaubst du, da ist etwas dran?«
»Ich weiß es nicht, Manu. Es würde Sinn machen. Die Nachricht klang stark danach. Und ... das heute ja auch. Aber ... er verhält sich sonst halt gar nicht so! Eher das Gegenteil!«
»Ich weiß.«
Manus Stimme klang so unsicher, wie er sich fühlte und er war froh, als Dado sich einfach wortlos zu ihm beugte und ihn in seine Arme schloss. Eine ganze Weile lang saßen sie so in ihrer Umarmung da, bevor Dado sich wieder von ihm löste und Manu ernst ansah:
»Wie ging es dir damit?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr.«
»Aber ... Was würdest du machen, wenn Palle wirklich ... Gefühle für dich hätte?«
Manu schluckte. Dieser Gedanke war ihm gerade zu groß, um ihn zu denken.
»Er ist ein Arsch, oder?«
Als Antwort zog Dado bloß Manus Shirt ein Stück hoch, wo man immer noch die, wenn auch zurückgegangenen, Verfärbungen auf seinem Oberkörper sehen konnte. Manu nickte.
»Und auch, wenn er sich gerade vielleicht nicht mehr so scheiße verhält, sondern ... normal: Ich kann ihn nicht mögen. Und das kann er auch nicht erwarten. Ich kann ihn vielleicht neutral, ohne starke Abneigung betrachten, so wie heute: wie mit jedem Fremden eben auch. Aber mögen ... ich kann mit niemandem befreundet sein, der mich ...«
Manu schien kein richtiges Wort zu finden, also sprang Dado ein: »Misshandelt hat.«
Das klang fast schon zu hart für Manu, also zuckte er bloß etwas hilflos mit den Schultern. Im Prinzip stimmte es.
»Also ... hoffen wir einfach, dass er es vergisst und nie wieder etwas in die Richtung passiert?«
»Natürlich!«
»Gut ...«
Eine Weile lang schwiegen sie beide, gingen getrennt ihren Gedanken dazu nach und so oder so konnte Manu nicht verhindern, dass das alles ihm unangenehm war und Angst machte.
»Ich bin einfach gegangen. Wir haben die Herleitung nicht ein Mal fertig gemacht. Das heißt, ich kann meine Mitarbeitsnote in die Tonne treten.«
Dado lächelte beruhigend.
»Vergiss die doofe Note. Deine restlichen Noten in Mathe stimmen so weit. Mach dir darum jetzt keinen Kopf, ändern kannst du es eh nicht.«
Manu nickte, ein bisschen hilflos. Dado hatte recht. Aber über seine Noten nachzudenken war ein willkommener Weg, sich von Patrick abzulenken. Jetzt, wo ihm wieder nur das übrig bliebt, kam ihm noch ein anderer Gedanke:
»So oder so würde Patrick es nie zugeben. Ich bin viel zu uncool für ihn. Und außerdem ... die Anderen beleidigen mich immer noch als Schwuchtel, auch wenn sie es nicht wissen. Wenn rauskommt, dass ich ihn ... mich küssen habe lassen: Ich bin verloren.«
Dado winkte ab.
»Quatsch. Du warst zu geschockt, um zu reagieren.«
»Aber ... Das wird die Anderen nicht interessieren. Nur die Tatsache, dass ich es zugelassen habe. Außerdem ... ich glaube, ich habe es irgendwann realisiert. Und trotzdem nicht ... reagiert. Ich habe ihn einfach machen lassen.«
»Manu?« Dado wirkte nun auch unsicher. »Ich dachte, Palle ist ein Arsch? Ich dachte, wir mögen ihn nicht?«
Manu hob bloß verzweifelt die Arme.
»Ich weiß! Dado, ich ... ich weiß ja selbst nicht, was los ist!«
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So, das Kapitel ist heute mal en bisschen kürzer.
Allerdings wollte ich das Gespräch nicht noch künstlich in die Länge ziehen, andererseits war es aber nötig, um einfach noch ein Mal alles ein bisschen zu reflektieren und Manus Gedankengänge zusammenzufassen. Und um noch eine vernünftige Szene dranzuhängen war es dann doch schon zu lang.
Aber ich denke, bei momentan täglichen Updates ist das auch mal okay :)
Wer will, kann gerne wieder Fragen stellen!
Liebe Grüße!
PS: Danke für eure vielen tollen Kommentare! Gerade bei so Schlüsselszenen ist mir Feedback besonders wichtig!
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