22. Gemeinschaft

Manu hatte Horrorfilme schon immer gemocht und so war es schließlich Dado, der im Dunklen zu seiner Hand griff und sie umklammerte, anstatt umgekehrt.

Manu vermutete, dass die meisten der Anderen gerade gerne das gleiche getan hätten, aber im Gegensatz zu Dado waren sie sich alle zu cool dafür - obwohl man es eh nicht sehen würde.

Auch Patrick links neben ihm wirkte sichtbar eingeschüchtert, sogar ein bisschen verängstigt. Felix - dem das Ganze auch nicht wirklich etwas auszumachen schien - machte sich einen Spaß daraus, Patrick immer wieder unerwartet von der Seite anzustupsen und ihn so zu erschrecken. Und Manu musste zugeben, dass das durchaus amüsant anzusehen war. Patrick dahingegen schien es zu wurmen, dass sogar der uncoole Manu den Film mit mehr Fassung trug, als er und trotzdem konnte Manu sehen, wie er bei einer besonders blutigen Szene die Augen schließen musste und ein wenig in sich zusammensank.

Am Ende des Films war Patrick einer derer, die noch am längsten in ihren Sitzen zusammengekauert hocken blieben und Manu bemerkte, wie er auf dem Heimweg durch die dunkle Stadt bewusst immer an irgendjemandes Seite blieb.

Auch dass Dado sich näher an ihn hielt als noch auf dem Hinweg fiel ihm natürlich auf, aber anders als Patrick versuchte der dabei nicht, irgendeinen coolen Ruf zu wahren und so war es eher süß, wie verschreckt er nach dem Film war. Zumal Dado auch selbst darüber lachen konnte, wie er unter Beweis stellte, als es ein Mal von irgendwo schepperte (wahrscheinlich eine umgefallene Mülltonne oder so) und er sofort erschrocken nach Manus Hand griff. Nach der kurzen Schrecksekunde konnten sie es beide mit einem Grinsen abtun. Und trotzdem hätte Manu nichts dagegen gehabt, hätte Dado seine Hand noch ein bisschen länger gehalten. Einfach durch die Stadt laufen können, mit einem Jungen Händchen haltend, ohne dass einer der Idioten hier etwas dazu sagte, das wäre sein absoluter Traum. Genauso wusste er aber, dass es für ihn nie so sein würde wie für Patrick, wo alle schlichtweg akzeptierten, dass er schwul war. Bei ihm würde es für die Anderen immer ein Thema bleiben. Das war es ja schon jetzt, wo sie es noch nicht ein Mal wussten.

*

»Kommt ihr noch mit?«

Stegi sah erwartungsvoll in ihre Richtung und Manu hatte den Eindruck, dass es fast wieder wie vor Dados Wegsein war, als man ihn ganz einfach als Dados besten Freund akzeptiert und so auch bei vielen Unternehmen dabei gehabt hatte. Während Maurice in der Klinik gewesen war, war Manu so von allen anderen abgekapselt gewesen, dass das jetzt schon wieder ein ziemlich unbekanntes Gefühl war.

Dado warf einen Blick zu seinem besten Freund, der bloß mit den Schultern zuckte. Er hatte immer noch kein Wort in der Anwesenheit anderer Leute als Dado gesprochen und inzwischen war er sich nicht mehr ganz sicher, ob er es nicht sogar gekonnt hätte, wenn er es wirklich gewollt hätte. An sich aber war es okay, so wie es jetzt war. Er wollte nicht mit sich selbst kämpfen, nur um wieder mit Leuten reden zu können, denen er eh nichts zu sagen hatte.

Dado stimmte also zu und so fanden sie sich wenig später im Zimmer von irgendeinen der Anderen wieder (Manu wusste nicht ein Mal, wessen Zimmer es war), in der Hand etwas zu trinken. Dado war in eine Unterhaltung mit Tim verwickelt, was Manu ein wenig wunderte, weil gerade Tim normalerweise auch nicht gerade der Gesprächigste war. Anscheinend war das etwas, was Dado schon geradezu anzuziehen schien: Die Leute, die sonst eher ruhig und verschlossen waren. Manu konnte es verstehen.

Das waren also die Freitag Abende, wie seine Klassenkameraden sie verbrachten. Manu war sich nicht sicher, ob ihm seine Ruhe an solchen Tagen dann nicht doch lieber war.

Dado sah immer wieder zu ihm, vergewisserte sich, dass es für Manu okay, war, wenn er sich nicht mit ihm unterhielt, wo er doch mit niemandem anders sprach. Manu bedeutete ihm jedes Mal bloß stumm, dass es für ihn okay war. Er hörte auch gerne ein Mal einfach nur zu und beobachtete einfach den Rest der Leute.

Nach einiger Zeit war auch Stegi zu ihnen gekommen, hatte ein paar Worte mit Dado und Tim gewechselt und hatte sich dann zu seinem besten Freund gesetzt und war seitdem am Handy. Ab und zu, wenn er aufsah, trafen sich ihre Blicke und entgegen Manus Erwartungen schenkte der Blondschopf ihm jedes Mal bloß ein kleines Lächeln, das Manu stets erwiderte. Die Vertrautheit, mit der Stegi und Tim miteinander umgingen, die Nähe, in der sie beieinander saßen, sowie die kurzen Blicke, die Tim Stegi immer wieder zuwarf und die wie zufälligen Berührungen, wenn einer von ihnen sich bewegte entgingen Manu natürlich nicht. Er war sich sicher, dass es auch den Anderen längst aufgefallen war und fragte sich wirklich, warum die Beiden es nicht einfach öffentlich machten. Genau wie Palle hätte es ihnen bestimmt keiner übel genommen.

Irgendwann schien es auch Stegi genug zu sein, immer nur am Handy zu hängen und, begleitet von einem aufmerksamen Blick Tims, stand er auf, um sich tatsächlich zu Manu zu hocken, sodass sie sich unterhalten konnten. Kurz war Manu ein wenig überfordert. An sich waren Tim und Stegi diejenigen aus seiner Stufe, mit denen er immer noch am besten ausgekommen war. Die beiden waren ihm in gewisser Weise sympathisch und dass sie seine Sexualität teilten, auch wenn sie selbst es nicht wussten, trug dazu wahrscheinlich einen nicht unwesentlichen Teil bei. Und trotzdem war da das Problem, dass er nicht sprach, was Stegi eigentlich auch wusste. Und trotzdem saß er jetzt hier.

»Du bist nicht homophob, oder?«

Überrascht zog Manu eine Augenbraue hoch. Das war tatsächlich nicht der typsche Beginn eines Gesprächs. Er brauchte einen kurzen Moment, in dem er Stegis Worte verarbeitete, bevor er den Kopf schüttelte. Er enstperrte sein Handy und öffnete die Notizen, wo er eine Antwort tippte.

Und du nicht Hetero.

Er wusste selbst nicht, woher er den Mut dazu nahm, doch zu seiner Erleichterung grinste Stegi nur und warf einen verräterischen Blick zu Tim. Weiter schien er trotzdem nicht darauf eingehen zu wollen.

»Jeder denkt, du wärst homophob. Letztes Jahr warst du noch die Schwuchtel, jetzt auf ein Mal das Gegenteil.«

Manu zuckte erneut mit den Schultern. Was sollte er dazu schon sagen? Das beides nicht stimmte? Lüge. Dass ersteres eigentlich wahr war? Gefährlich. Er entschied sich für eine ganz andere Lösung:

Patrick hat dieses Gerücht verbreitet.

Stegi nickte, ihm schien das durchaus bewusst gewesen zu sein.

»Ja. Er meinte, du wärst ihn irgendwie homophob angegangen.«

Schon wieder dieses unangenehme Thema. Manu seufzte, tippte erneut. Er wollte es sich mit Stegi nicht verderben, wenn er schon ein Mal von sich aus mit ihm sprach.

Hatte ich auch. Ich hatte ihn irgendwann mal im Effekt als Schwuchtel bezeichnet. Ich weiß, dass das kacke war, aber homofeindlich bin ich deswegen noch lange nicht.

Stegi schien kurz zu stocken, sah Manu dann nachdenklich an und nickte schließlich.


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Sorry, dass es doch wieder so lange gedauert hat.

Der erste Teil des nächsten Kapitels steht aber mal wieder schon!

Mit Glück kommt es morgen schon!

(Update: Ich hatte vor zwei Stunden schon mal versucht, das Kapitel hochzuladen, erfolglos. Inzwischen ist das nächste Kapitel fertig und kommt morgen sicher online!)


Feedback?

Was haltet ihr von Tim und Stegi?

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