21. Kino

Als sie am nächsten Vormittag beim Frühstück saßen, konnte Manu nicht anders, als Patrick immer wieder verstohlene Blicke zuzuwerfen. Eigentlich hatte er erwartet, dass man ihm die Nacht, die er hinter sich haben musste, ansehen würde, aber nichts dergleichen. Weder wirkte Patrick sonderlich mitgenommen (geschweige denn genommen, allerdings bezweifelte Manu auch stark, dass Patrick in der passiven Rolle war – er wollte sich aber eigentlich auch gar keine Gedanken darüber machen), noch war irgendwo auch nur eine Spur des fremden Jungen zu sehen.

Nicht ein Mal einen einzigen Knutschfleck konnte man auf Patricks Hals erkennen, was wirklich einem Wunder glich, wenn man bedachte, dass seine Begleitung schon am Vorabend nicht davon verschont gebliebe war.

Nicht viel später erhielt Manu auch bereits die Antwort auf die unausgesprochene Frage nach dem Warum. Patricks nächtliches Abenteuer schien nicht unbemerkt geblieben zu sein.

Während Manu und Dado ihr Frühstück am selben Tisch mit einigen ihrer Klassenkameraden einnahmen, dabei aber selbst kaum ein Wort sprachen, schienen die Anderen kein anderes Thema zu kennen. Niemand schien den fremden Jungen zu kennen, bis Rafi auf ein Mal meinte, dass er auf eine andere Schule nur eine Stufe unter ihnen ginge. Ein Klassenkamerad seines Cousins, von dem bisher keiner gedacht hätte, dass er schwul wäre.

Warum man Patrick nichts von der Nacht anmerkte, wusste Stegi zu erzählen:

»Palle merkt man das nie an. Er tut am nächsten Morgen immer so, als wäre nichts gewesen. Seine Onenightstands ignoriert er danach entweder, wenn sie von wo anders kommen - bisher hat er sich nur mit den wenigsten nochmal getroffen - oder er tut, als wäre nie etwas passiert, bei Leuten von hier.«

»Wie von hier? Vom Internat?«

Stegi zuckte mit den Schultern.

»Natürlich.«

»Woher weißt du das so genau? Auch schon mal in seinem Bett gelandet?«

Rafis Frage war riskant. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass keiner darüber sprach, dass Stegi und Tim wohl auch nicht ganz hetero waren und so provokativ, wie er geklungen hatte, hätte es niemanden gewundert, wenn Stegi ihm im nächsten Moment eine gescheuert hätte. Stegi jedoch sagte kein Wort und stattdessen war es Tim, der die Stimme erhob.

»Halt die Klappe.«

Wenn auch ruhig, hatte seine Stimme einen drohenden Ton und sofort hob Rafi abwehrend die Hände. Stegi schien es ihm jedoch nicht wirklich übel zu nehmen.

»Ich habe mit ihm gesprochen. Ganz einfach. Palle hat nicht das geringste Problem damit, über seine nächtlichen Abenteuer zu sprechen. Abgesehen davon nimmt er sie übrigens nie mit zu sich. Bei ihnen oder irgendwo, aber nie bei ihm. Zumindest war es das letzte Mal noch so.«

Das hätte Manu bestätigen können. In den Wochen, in denen er sich mit Patrick ein Zimmer geteilt hatte, hatte er kein einziges Mal jemanden mitgebracht. Zumindest nicht auf diese Art.

Und Manu war auch mehr als nur dankbar dafür.

*

»Manu?«

Der Dunkelhaarige brummte kurz, ein Zeichen an seinen besten Freund, dass er zuhören würde.

»Die Anderen gehen ins Kino. Sie haben gefragt, ob wir mitkommen wollen.«

Manu verdrehte kurz die Augen. Es war ziemlich eindeutig, dass sie wohl nur nach Dado gefragt hatten und der ihn einfach mit ins Boot geholt hatte. Keiner von ihnen hätte nach Manu gefragt, das wusste er sicher.

»Wer sind die ›Anderen‹?«

»Einige aus unserer Klasse und der Parallelklasse. Ich weiß es selbst nicht genau. Stegi, Tim, Rafi, Basti, Felix, ... Keine Ahnung, wer noch.«

»Patrick?«

Maurice seufzte.

»Vermutlich.«

»Dann nicht.«

»Komm schon, Manu. Lass dir von ihm doch nicht jeden Spaß verderben.«

»Mit Patrick ins Kino. Sonst noch was? Sollen wir vielleicht noch Händchen halten?«

Dado seufzte, zog jedoch einen Mundwinkel hoch.

»Tut, was ihr nicht lassen könnt. Aber nee, im Ernst: Er is doch nur einer von vielen, die mitkommen. Außerdem wollen wir diesen Horrorfilm schauen. Also wenn du wirklich ein Händchen zum halten brauchst, biete ich mich freiwillig an.«

Manu verdrehte erneut die Augen, musste aber trotzdem grinsen.

»Na gut. Weil der Film gut sein soll und ich ihn eh schauen wollte. Aber wenn Patrick mich dumm anmacht, kapsle ich mich ab und gehe alleine irgendwo in die Stadt. Darauf habe ich wirklich keine Lust heute.«

Dado nickte sofort.

»Deal. Wenn Patrick dir scheiße kommt, machen wir etwas anderes. Ansonsten gehen wir in den Film.«

Das breite Grinsen und die Vorfreude, die sich in Dados Gesicht spiegelte waren es fast schon alleine wert, dass Manu zugestimmt hatte.

*

Tatsächlich waren sie vierzehn Leute, die sich kurz darauf in der Aula sammelten, um zusammen zum Kino zu laufen. Basti, der die Karten reserviert hatte, sammelte von allen das Geld ein und stellte sich dann an, um ihre Tickets zu holen.

Zu Manus Erleichterung schien Patrick heute außerordentlich milde gestimmt und sogar, als sie alle zusammen in der Vorhalle vor dem Kinosaal in einem Kreis auf dem Boden hockten und warteten, bis Einlass war, gab er keinen einzigen bissigen Kommentar über oder zu Manu ab. Der Einzige, der einmal kurz spöttisch zu Manu schaute, als es um irgendetwas mit Mode ging, war Basti, aber damit konnte er definitiv leben. Als Patrick sich noch ein Mal anstellte, um sich etwas zu Trinken und Popcorn zu holen und herumfragte, wer mitkommen würde, wandte er sich sogar auch an Manu, der aber bloß verdutzt den Kopf schüttelte. Während Dado mit den Getränkekäufern mitging, wurde der Saal geöffnet und der Rest der Gruppe ging bereits rein, um ihre Plätze zu suchen.

Manu setzte sich auf einen Platz ganz außen der Gruppe, hielt zwischen sich und den Anderen noch einen Platz für Dado frei und sah befriedigt zu, wie sich eine Familie mit Kindern links neben ihn setzte. Als der Rest zurück kam lief bereits die Vorschau und so bekam Manu nur am Rande mit, wie Dado sich auf den für ihn bestimmten Stuhl fallen ließ und ihm seine Popcorntüte zum Angebot hinhielt. Manu lehnte ab - irgendwie stand er nicht so auf Popcorn - und beobachtete dann den Rest ihrer Gruppe, bei denen es irgendein Problem mit den Sitzen zu geben schien. Tickets wurden verglichen, einer leuchtete mit dem Licht seines Handydisplays und am Ende waren es ausgerechnet Patrick und Felix, der sich umdrehte und auf Dado zustapfte, um sich dann zu den Leuten neben ihm zu beugen. Kurz diskutierten sie im Flüsterton, erneut wurden die Tickets beleuchtet und schließlich ruckte die Familie zwei Plätze weg, woraufhin sich erst Felix setzte und dann Patrick direkt neben Manu Platz nahm.

Dieser warf einen kurzen ungläubigen Blick zu seinem besten Freund, der bloß hilflos mit den Schultern zuckte.

So viel Pech konnte doch kein Mensch haben.


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Feedback?

Die Hälfte vom nächsten Kapitel steht schon. Mit ein bisschen Motivation kommt das auch direkt morgen! Also motiviert mich ruhig ;)

(Kann aber nichts versprechen. Schule is schon wieder richtig übertrieben am Start)

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