14. Morgen

Der nächste Morgen war komisch.

Patrick war in der Nacht irgendwann einfach aufgestanden, war eine Weile am Fenster gestanden und nach draußen gestarrt, während sie noch gesprochen hatten und war dann ins Bett gegangen.

Manu hatte danach nicht mehr dran gedacht, sich einen Wecker zu stellen und so war sein Mitbewohner am nächsten Morgen schon wach, als er langsam aufwachte.

Eine Weile lang sagte keiner von beiden etwas, Manu wusste nicht, wie Patrick sich ihm gegenüber heute, nach dieser merkwürdigen Nacht, verhalten würde und hatte beschlossen, einfach abzuwarten.

Obwohl der Größere mitbekommen haben musste, dass er inzwischen wach war, schien Patrick ihn gar nicht zu beachten und verschwand schließlich irgendwann einfach wortlos aus dem Zimmer, wahrscheinlich um frühstücken zu gehen.

Kurz spielte Manu mit dem Gedanken, die Mahlzeit wie so oft ausfallen zu lassen, dann jedoch entschied er sich doch dagegen. Zum einen war fast die ganze Schule abgereist, er würde sich also irgendwo alleine hinsetzen können und nicht irgendeinen anderen Tisch nerven müssen, zum anderen aber hatte er auch das Gefühl, dass gestern Nacht vielleicht ein paar Dinge hatte besser werden lassen.

Er schlüpfte bloß in eine Jogginghose und zog sich ein frisches Oberteil an - jetzt in den Ferien lief keiner von ihnen sonderlich ordentlich gekleidet rum - fasste seine Haare in einem losen Zopf zusammen und verschwand kurz im Bad, bevor er sich ebenfalls auf den Weg in den Speisesaal machte.

In der Mensa hatte das Basketball-Team mehrere Tische zu einer großen Tafel zusammengeschoben und nachdem Manu sich einen Teller Essen geholt hatte zögerte er kurz.

Eigentlich wollte er sich nicht irgendwo alleine hinsetzen, er wollte nicht der Außenseiter sein. Unsicher steuerte er ebenfalls auf die zusammengeschobenen Tische zu, an denen sich seine Teamkollegen unterhielten und setzte sich schließlich auf eine m freien Platz am Rand. Wäre gestern Nacht nicht gewesen, hätte er sich das wahrscheinlich nicht einmal getraut, aber irgendwie gab ihm das, was er in den letzten Stunden von Patrick bekommen hatte und das eindeutig kein reiner Hass gewesen war, Mut. Sowieso war hier fast das ganze Team versammelt, in so einer großen Gruppe störte er wahrscheinlich eh nicht sonderlich, hier redete man eh nicht über Dinge, die nur den kleinen Freundeskreis etwas angingen und Manu würde hoffentlich niemanden stören.

Tatsächlich wurde er weitestgehend ignoriert, während er sein Frühstück aß, bloß Sebastian schubste irgendwann im Vorbeigehen seinen Kopf nach vorne, sodass Manu kurz erschrocken die Luft anhielt - er hatte ihn nicht kommen sehen - sonst aber tat niemand ihm etwas.

Der Umkleide entkam Manu erfolgreich, indem er sich in seinem Zimmer seine Sportsachen anzog, sich nur noch irgendeinen Hoodie überwarf und dann über den windig kalten Pausenhof zu den Sporthallen lief.

Er wechselte seine Schuhe, bevor er die kühle Halle betrat, stellte seine mitgebrachte Trinkflasche auf die Bank und beschloss angesichts der Temperatur, den Pulli erst einmal an zu lassen. Gerade, als er sein Handy ebenfalls weglegen wollte, um sich zu den Anderen zu hocken, die mehr oder weniger wach auf den Trainer warteten, vibrierte es und Manu öffnete eine Nachricht von Dado.

»Wie jetzt? Was ist genau passiert? Wie ist er heute zu dir?«

Manu grinste leicht.

»Keine Ahnung. Bis jetzt ist noch nicht viel passiert. Ich schreib dir nach dem Training.«

»Mach das unbedingt!«

»Klaro.«

Damit sperrte er sein Handy wieder und legte es nun endgültig weg. Als er zu den Anderen ging, wurde er auch schon gleich von einem grinsenden Patrick empfangen. Für einen kurzen Moment wagte Manu es, zu hoffen - doch Patricks Grinsen war kein freundliches, vielmehr war es spöttisch, fast schon gemein, irgendwie hinterhältig.

Am liebsten wäre Manu auf der Stelle wieder umgedreht und diese Halle geradewegs wieder verlassen - wohin auch immer, denn Rückzugsort hatte er ja keinen.

Sollte wirklich alles wieder so werden wie zuvor? Hatte die letzet Nacht gar nichts bewirkt? Würde Patrick das, was er ihm anvertraut hatte, jetzt sogar noch gegen ihn verwenden?

Anstatt wegzulaufen, atmete Manu tief durch, machte den nächsten Schritt und ließ sich schließlich in der Nähe der Anderen auf den Boden fallen.

»Wo hast du denn den Pulli ausgegraben? Aus der Altkleidersammlung oder was? Hatten die nichts mehr in deiner Größe?«

Manu schluckte, versuchte, Sebastians Kommentar zu ignorieren.

Den Hoodie, den er trug hatte er irgendwann ein Mal von Zuhause mitgenommen - ursprünglich hatte er Tobi gehört - aber sein Bruder würde ihn wohl kaum vermissen. Tatsächlich war das Teil sichtbar getragen (wahrscheinlich hatte er vor Tobi sogar schon Peter gehört), ausgewaschen und an den Säumen leicht aufgescheuert. Am linken Ärmel hatte er unten mehrere kleine Löcher und war ihm außerdem tatsächlich deutlich zu groß - doch Manu trug ihn trotzdem gerne. Er half gegen Heimweh und Einsamkeit, wenn es mal wieder schlimmer war. Seit diesem Schuljahr trug er den Pulli auffällig oft - vor allem am Wochenende, wenn er nur im Zimmer herumsaß, aber an manchen Tagen auch nachts zum Schlafen, wenn er das Gefühl von ein wenig Geborgenheit brauchte.

»Was hast du erwartet?« Dieses Mal war es Patricks Stimme, die Manu ängstlich auf die nächsten Sätze lauern ließ. Wie sehr würde er ihm weh tun? »Geschmack? Von ihm?«

Er hasste ihn. Obwohl er wusste, dass er falsch gelegen hatte mit Manus Homophobie, hasste er ihn.

Erschrocken schrie Manu auf, als ihn auf ein Mal etwas seitlich am Kopf traf, hörte die Anderen lachen. Stegi fischte sich den Ball, der von ihm weg über den Boden rollte und warf ihn kommentarlos, aber mit einem leichten Grinsen auf den Lippen, zurück zu Patrick - wo auch immer der ihn her gehabt hatte.

Manu sagte nichts, versuchte abzuschalten und auszublenden, wie sie über ihn lachten und unterdrückte den Drang, sich an die getroffene Stelle zu fassen. So blieb er einfach sitzen, regungslos und mit gesenktem Kopf und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.

Irgendetwas hatte dafür gesorgt, dass jetzt ein Schalter in ihm umgelegt geworden war und ohne so wirklich zu wissen, warum, spürte Manu auf ein Mal, wie er von seinen Gefühlen überrannt wurde. Vielleicht waren es diese Hoffnungen, die er seit gestern Nacht irgendwie gehabt hatte und die nun zerplatzt hatten, die ihn nun so zerstört und an den Rand seiner Emotionen gedrängt hatten.

Über Minuten hinweg versuchte er, seine Tränen zurückzuhalten und als dann schließlich doch noch der Trainer kam, sah er ein, dass er gescheitert war. Würde er jetzt aufstehen und Basketball spielen wollen, würde er unweigerlich zu heulen anfangen. Also rappelte er sich bloß auf, murmelte irgendetwas von »Bauchschmerzen« und »hinlegen«, schnappte sich sein Handy und die Trinkflasche und verschwand nach draußen.

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An Patrick:

Warum denkst du, hat Manu dir das erzählt?

»Keine Ahnung. Ich war betrunken. Er wusste das.«

Trinkst du oft? Und wenn ja, wie viel?

»Naja, am Wochenende halt, wenn wir feiern. Unterschiedlich.«

An die Brüder von Manu: 

Seid ihr nur zu Manu so oder auch zu Anderen?

»Wie ›so‹? Es geht bei uns halt ziemlich drunter und drüber, gibt viel Streit. Aber mit Manu zumindest nicht absichtlich mehr, als mit jedem Anderen. Er nimmt das halt bloß schlechter auf.«

An Manu:

Glaubst du, dass der Alkohol einen "anderen" Patrick gezeigt hat?

»Natürlich. Auf jeden Fall.«

An Maurice:

Wieso warst du so panisch, als Manu alleine durch die dunklen Strassen gehen musste? Hat das was mit deiner Essstörung zu tun, oder ist es einfach nur so gewesen?

»Was soll das damit zu tun haben? Außerdem ist »panisch« wohl etwas übertrieben ... Man macht sich halt Sorgen, wenns so spät schon ist und alles. Ist doch normal.«

An Freddie und Co.:

Hat Patrick euch jemals einen logischen Grund genannt, Manu so zu hassen? Ihr habt ihn davor zwar auch nicht gemocht, aber ihr wurdet nicht handgreiflich.

»Er ist halt einfach merkwürdig. Keiner mag ihn.«

An die Therapeutin von Manu:

Haben Sie einen Verdacht, was mit ihm los ist?

»Er hat wahrscheinlich irgendein Trauma erlebt.«

An dich:

Wieso steht im Titel "Was sich Liebt..."?

»Weil ich im Discord nach einem Titel gesucht habe und dann »Was sich liebt, das mobbt sich«, (gemäß: »Was sich liebt, das neckt sich«) vorgeschlagen wurde. Das war mir aber too much, und so ist »Was sich liebt ...« als Titel entstanden.

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Ohoh. Doch kein Friede Freude Eierkuchen.

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