Ersetzbar
Ersetzbar. Austauschbar. Ausgegrenzt.
In meinen jungen zwanzig Jahren habe ich viele Freunde gehabt, die sich nachträglich als "falsche" Freunde herausgestellt haben. Anfänglich lag das Problem darin, dass ich jeden meiner Freunde als "besten" Freund bezeichnet habe (ich muss dazu sagen, dass das noch in der Grundschulzeit gewesen war) und dazu viel zu viel Hoffnung und Vertrauen in die Personen gesteckt habe, nur um schließlich enttäuscht zu werden. Als ich in der achten/neunten Klasse von meiner damaligen besten Freundin ausgegrenzt wurde und durch eine andere Freundin von mir ersetzt wurde, habe ich zum ersten Mal den Begriff "beste Freundin" hinterfragt und von da an stand für mich fest - es sind zwei Worte, die viel zu oft zu pauschal und meistens falsch eingesetzt werden.
Von da an habe ich diese Worte weder verwendet noch gerne gehört. Die Leute, die zu meinem engsten Freundeskreis gehören, wissen, dass sie zu meinen engen Freunden zählen und das man dies mit "besten Freunden" gleichsetzen kann.
Doch was ist mit den falschen Freunden? Oder den Freunden, die einen austauschen, so wie es ihnen gefällt?
Bevor ich genauer dazu komme, will ich eine Art Exkurs zu "Verschiedene Freunde für verschiedene Themen" (wenn man das jetzt mal so seltsam ausdrücken kann) machen:
Oft ist es so, dass man verschiedene Leute in verschiedenen Gruppen kennenlernt, wenn man z.B. in der Schule/Uni, in einer Tanzgruppe oder bei einem Sportverein ist oder eine Band usw. hat. Dass man sich nicht mit jedem über dasselbe Thema unterhält, ist verständlich. Mit manchen Leuten redet man über seine persönlichen Anliegen, während man mit anderen nur über seine Hobbys redet o.ä.
Auch kann es zu Unterschieden in einem Freundeskreis kommen. Selbst wenn sich alle kennen, kann es passieren, dass man mit jemandem eher weniger über seine persönlichen Probleme spricht, obwohl man mit jemand anderem genauso gut befreundet ist.
Warum ist das so?
Dafür gibt es viele Gründe. Bei mir ist es so, dass ich mich mit manchen einfach besser über gewisse Themen unterhalten kann, weil sie es besser verstehen oder mir hilfreiche Ratschläge geben können. Das bedeutet nicht, dass die Freundschaft zu anderen weniger wert ist und es ist auch nicht so, dass ich gar nichts mehr erzähle, nur setze ich das nicht an die oberste Spitze.
[Ist das bis hierhin irgendwie verständlich?]
Warum ist es für mich nicht so schlimm?
Weil jeder Freund eine eigene, besondere Bedeutung in meinem Leben hat. Es sind unterschiedliche Menschen, jeder hat seine eigenen Eigenarten, Vorlieben, Interessen - und diese verbinden mich mit ihnen auf ihre Art und Weisen.
Wann wird es kritisch?
Wenn man anfängt, gewisse Freunde über andere zu stellen.
Natürlich gibt es die Freunde, denen man mehr oder weniger erzählt, aber wenn es ständig variiert (und zwar nach dem, wie man Lust hat und wie man gerade auf den anderen zu sprechen ist), dann sollte man eines hinterfragen - wie viel bedeutet mir die Freundschaft eigentlich? Nehme ich mir die Freunde so, wie es mir gerade passt? Danach, wie und ob ich meinen eigenen Vorteil daraus ziehen kann (was nicht immer bedeutet, dass man böse Absichten verfolgt)?
Vielleicht passiert es auch nur unterbewusst, vielleicht ist es nicht beabsicht. Das weiß man allerdings nur selbst.
Was sind die Gründe derjenigen, die jemanden "ausgrenzen" bzw. "austauschen"?
Wie gesagt, vielleicht passiert es nicht bewusst. Manchmal ist man selbst nicht in der Stimmung, mit einem Freund über etwas zu sprechen, was einen bewegt (hier geht es im Übrigen hauptsächlich um persönliche Anliegen!). Mir passiert so etwas auch öfter mal - manchmal fühle ich mich einfach nicht danach, zwei-, dreimal dieselbe Geschichte zu erzählen oder sie überhaupt zu erzählen.
Doch hier geht es nicht unbedingt um ein einmaliges Erlebnis, sondern viel eher um ein sich häufendes bzw. reguläres Verhalten, welches ständig variiert; nach den Punkten, ob man gerade Lust auf den anderen hat oder nicht.
Dieses "Ersetzen" kann auch nach einer zerbrochenen Freundschaft erfolgen, indem man versucht, die verlorene Person durch einen anderen/neuen Freund zu ersetzen und beispielsweise nun dieselben Orte besucht oder dieselben Aktivitäten durchführt. Man erzählt dem anderen Dinge, die man zuvor nur dem ehemaligen Freund erzählt hat.
Das ist aber kein Muss, dh., dass das nicht immer nach einer zerbrochenen Freundschaft passiert!
Ist es eine Verarbeitung oder einfach eine Strategie?
Es kann das eine oder das andere sein, vielleicht sogar beides. Manche Leute machen das "on purpose" (eng. absichtlich), weil es sich entweder immer nur um sie drehen muss oder Freundschaften ihnen nicht sonderlich viel wert sind. Also so unter dem Motto: Solange ich meine Sorgen loswerde und es mir besser geht, sind mir Freunde und deren Gefühle egal.
Wie fühlt es sich für denjenigen an, der "ersetzt" wird?
Es hängt natürlich von den Umständen ab, aber damals in der achten/neunten Klasse war es schrecklich für mich gewesen. Ich habe meine Freunde verloren, wurde ausgegrenzt und sogar noch schlecht geredet.
Wie fühlt es sich für denjenigen an, der jemanden "ersetzt"?
Manche Leute realisieren es nicht wirklich, vor allem bei neuen Freunden fällt es nicht auf. Aber diejenigen, die schon zum Freundeskreis dazugehört haben und zuvor nur die Brotkrumen abbekommen haben, greifen entweder auf einmal voller Freude nach dem ganzen Brot, wenn sie es endlich kriegen, oder zögern einen Moment, weil sie merken, dass etwas nicht stimmt.
Also auf Klartext:
Viele Leute freuen sich auf einmal über die Aufmerksamkeit des Freundes, da ja nun der andere "fehlt". Andere hinterfragen es und überlegen, ob es jetzt "wahre Freundschaft" ist oder ob man einfach die Figur bei dem Spiel des anderen ist.
Fazit:
Ob ihr jemanden ersetzt, könnt ihr nur selbst herausfinden - egal, ob ihr derjenige seid, der die "Position" eines anderen übernimmt, oder ob ihr derjenige seid, der seinen Freund durch einen anderen austauscht. Fakt ist, wenn ständig euer Gemütszustand und eure Meinung zu einem Freund schwankt und ihr dessen Bedeutung in eurem Leben ändert, solltet ihr hinterfragen, wie viel euch die Freundschaft wert ist.
Es ist dem anderen gegenüber einfach nicht fair.
Fragen an euch:
Wurdet ihr schon einmal ersetzt? Wenn ja, wie habt ihr euch gefühlt?
Habt ihr schon einmal jemanden ersetzt (= ihr wart der neue Freund)?
Habt ihr schon einmal einen Freund gegen einen neuen ausgetauscht? Bewusst oder unbewusst?
Ich würde gerne eure Meinung dazu wissen!
Liebe Grüße,
Julia
Stand: 25. Mai 2020
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