Bindungsangst

Ich wollte den Beitrag erst mit "Ich habe ein Problem" beginnen, doch dann ist mir etwas aufgefallen.

Es ist kein Problem. Es ist eine Angst. Ein Problem klingt so, als wäre es etwas Schlimmes, als müsste man es unbedingt beheben, und wenn nicht, könnte man nicht "normal" (weiter-)leben.

Also noch einmal auf Anfang:

Ich habe eine Angst. Eine Angst vor Beziehungen. Vorher habe ich diese Angst nie einem Wort zugeteilt. Es war immer nur ein Gefühl, was ich nicht erklären konnte, was mich denken ließ, als wäre etwas bei mir falsch, während bei allen anderen, weil sie diese Angst nicht haben, etwas anders, richtig und normal läuft.

Nur nicht bei mir.

Ich habe eine Bindungsangst.

Erst jetzt, wo ich mir wirklich richtig darüber bewusst werde, dass es dazu ein Wort, eine Bezeichnung gibt, klingt das negative Gefühl allmählich bei mir ab. Dennoch belastet mich das Thema dadurch nicht weniger.

Ich bin 20 Jahre alt, werde in ungefähr sechs Wochen 21, und war noch nie in einer richtigen Beziehung. Das zu sagen, fällt mir nicht einfach. Es ist so, als würde ich mir dadurch selbst einen Stempel aufdrücken, auf dem steht, dass ich nicht der Norm entsprechen würde. Dass ich die Eintrittskarte zur echten, wahren Welt nicht besitze, weil ich gewisse Erfahrungen nie gesammelt habe. Sogar jetzt, wo ich das schreibe, überlege ich, es im nächsten Moment wieder zu löschen, weil ich doch damit erst recht das Buh-Kommando eröffne.

Doch was ist eine Bindungsangst?

"Als Bindungsangst wird eine unüberwindliche Angst vor Gefühlen, Nähe, Intimität, Selbstverpflichtung und Commitment bezeichnet, die solchen Personen zugeschrieben wird, die mit einer anderen Person zwar eine Sex- oder Liebesbeziehung unterhalten, den Wunsch des Partners nach einer vollen Partnerschaft aber zurückweisen."

[Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bindungsangst]

Erst dachte ich, ich wäre asexuell, aber ich habe nichts gegen Sex. Es ist auch nicht so, dass ich kein Bedürfnis nach sexuellen Interaktionen habe. Ich habe Angst davor, mich Menschen zu öffnen, und das auf der körperlich-näheren Ebene.

Das bedeutet nicht, dass ich nicht den Wunsch nach einer festen Beziehung habe. Den habe ich durchaus (manchmal zumindest). Das bedeutet auch nicht, dass ich kein romantisches Interesse entwickeln kann. Doch, das kann ich, nur halt bis zu einem bestimmten Punkt. Bis zu dem Punkt, an dem der Schritt gemacht werden müsste, indem man diese eine Grenze überschreitet und der anderen Person auf körperlicher Ebene näherkommt.

Ich kann das nicht. Alles in mir blockt ab, ich ziehe mich zurück, rede mir ein, ich hätte keine Gefühle oder kein romantisches Interesse mehr. Und das ist mir bisher jedes. verdammte. Mal. passiert.

Ich habe auf Instagram eine Umfrage gemacht und festgestellt, dass ich nicht die Einzige bin, und ich muss sagen, dass das sehr erleichternd ist. Deswegen will ich euch noch ein paar grundlegende Fakten darüber geben.

URSACHEN

Wie bei vielen Ängsten liegen auch hier die meisten Ursachen wieder in der Vergangenheit.

"Negative Erfahrungen wie Enttäuschungen, Verletzungen und Traumata, die nicht richtig aufgearbeitet wurden [...]. Dahinter kann eine sehr schmerzhafte Trennung aus der nahen Vergangenheit stecken, die das Vertrauen in einen Menschen erschüttert hat. Dann fällt es schwer, sich wieder fallen zu lassen. Die Angst davor, eine solche Situation erneut zu eleben, ist viel größer als die Sehnsucht nach Nähe und Liebe."

Auch als pägend gilt die frühere Kindheit. Dabei gelten folgende Merkmale:

"einem unerfüllten Wunsch nach Geborgenheit und Näheeiner Zurückweisung oder Vernachlässigung durch die Elternin Konflikten zwischen den Eltern oder aber auch in einer überbehüteten Kindheit"auch der Verlust eines Elternteiles oder einer engen Bezugsperson

Hinzu kommen fehlendes Selbstbewusstsein und ein negatives Bild von sich selbst. Wenn man denkt, dass man nicht besonders "liebenswert", wie es im unten markierten Beitrag heißt, ist, glaubt man auch weniger daran, dass man es in einer Beziehung sein könnte.

Bei Angst vor körperlicher und emotionaler Nähe können auch Missbrauchsvorfälle der Grund sein. Dies kann bei der betroffenen Person zu Schwierigkeiten mit Berührungen, Sexualität und Vertrauen führen.

[Quelle: https://www.diana-boettcher.de/bindungsangst-in-beziehungen/]

SYMPTOME

Es gibt eine aktive und eine passive Bindungsangst, d.h., dass man die Beziehung entweder distanziert halten will (Fernbeziehung, Affäre usw.) oder man sie vor dem anderen verstecken kann.

Natürlich gibt es auch körperliche Anzeichen wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Gefühle von Beklemmungen oder Panikattacken, aber auch andere Anzeichen können Hinweise darauf sein. Die euch zuvor verlinkte Seiten hat hier auch eine Zusammenfassung der Symptome gemacht, die euch genauso wiedergeben will (nicht alles davon muss gleichzeitig zutreffen, auch ein oder zwei Merkmale können Hinweise darauf sein!):

Die Angst vor dem Scheitern ist größer als der Wunsch nach einer Beziehung.Verpflichtungen und Verbindlichkeiten einer festen Beziehung verursachen Panik.Es herrscht ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis.Bindungsphobiker stellen unrealistisch hohe Erwartungen an einen möglichen Partner.Bindungsängstliche Personen wechseln sehr häufig den Partner.Nach einer Trennung stürzen sie sich schnell in eine neue, eher oberflächliche Beziehung.Sie wählen häufig oder gar ausschließlich unerreichbare Partner wie zum Beispiel Personen, die bereits vergeben sind.Wenn es nach den ersten Verabredungen ernst wird, gehen sie auf Abstand und sind eine Zeit lang unerreichbar.In Beziehungen provozieren sie oft Streit, um Distanz zum Partner aufzubauen, oder suchen nach Gründen für eine Trennung.Personen mit Bindungsangst ergreifen bei emotionaler Nähe reflexartig die Flucht oder reagieren kalt und distanziert.Bindungsphobiker meiden Themen wie Liebe, gemeinsame Zukunft, Heirat und Familienplanung.Bindungsphobiker möchten ihren Partner nicht ihrer Familie und ihrem Freundeskreis vorstellen.Eine gemeinsame Wohnung kommt für Bindungsängstliche nicht in Frage.Zärtlichkeiten wie Küsse, Umarmungen oder Händchen halten in der Öffentlichkeit sind ihnen sehr unangenehm und daher äußerst selten.Personen mit Bindungsangst sind eher unzuverlässig und sagen beispielsweise romantische Verabredungen zu zweit oft kurzfristig ab.[Quelle: https://www.diana-boettcher.de/bindungsangst-in-beziehungen/]


WAS KANN MAN DAGEGEN TUN?

Wie bei vielen Ängsten wird auch hier wieder geraten, professionelle Hilfe im Sinnes eines Psychotherapeuten zu suchen, um die Ursachen und Gründe dafür zu finden und das dann aufzuarbeiten und die Angst zu lösen, da es sonst ziemlich schwer wird, so etwas alleine zu lösen.

In bereits bestehenden Beziehungen kann auch der Partner/die Partnerin Beistand leisten und helfen.

FAZIT

Bei mir weiß ich tatsächlich, wo die Gründe liegen. Nur um kurz ein paar aufzuzählen - meine Eltern haben sich 2010-2012 in einem sehr schwierigen Scheidungskrieg getrennt. Ich habe bereits davor sowie danach kaum bis eher gar keine elterliche Liebe und Zuneigung erfahren. Auch wurde ich ziemlich viel enttäuscht in meiner Kindheit und Jugend, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht.

So viel zu mir.

FRAGEN


Habt ihr eine Bindungsangst? Wenn ja, wo liegen bei euch die Ursachen?

Wo trifft diese Bindungsangst in eurem Alltag auf Probleme?

Was tut ihr dagegen bzw. habt ihr dagegen unternommen?


Das war es dann heute auch mit dem Beitrag. Ich hoffe, dass er euch geholfen und gefallen hat. Zumindest war das mal ein kleiner Einblick in mein Leben und darin, was mich momentan so wirklich belastet.

Liebe Grüße,
Julia

Stand: 16.01.2021


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