38. Zurück In Der Gegenwart

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Als Shisui wieder zu Bewusstsein kam und sich langsam rührte, war das Erste, was ihm auffiel, wie sein Körper von Kopf bis Fuß schmerzte, als wäre etwas Schlimmes passiert.
Stöhnend fuhr er sich durch seine verknoteten Locken, rieb sich mechanisch über die Stirn und drückte vorsichtig gegen seine Unterlippe, die nach Blut schmeckte. Ekelhaft.
Blinzelnd verzog Shisui sein Gesicht, öffnete seine Augen und blickte desorientiert durch die gesprungene Windschutzscheibe und starrte danach auf den ausgelösten Airbag, der vor ihm schlapp aus dem Lenkrad hing.
Aber was ihm am meisten auffiel:
Wie still es war.

Und plötzlich kam alles wieder hoch.
Ihre Suche nach Naruto.
Die aggressive Stimmung im Auto.
Wie sie von der Fahrbahn abkamen.
Alles überschlug sich und dann...
Scheiße! Bitte! Nein!

Angsterfüllt drehte er den Kopf nach rechts und hielt den Atem an, bei dem Bild, was sich ihm bot, Itachi, der bewusstlos auf dem Beifahrersitz saß, schlaff und ohne Regung, mit dem Kopf gegen die kaputte Seitenscheibe gelehnt.
Innerhalb von Sekunden setzte der Instinkt ein und Shisui schnallte sich ab, griff rasch nach dessen Handgelenk, um einen Puls zu fühlen. Um ein Lebenszeichen zu fühlen.
Bitte nicht!
Aber als er das stetige Pochen unter seinen Fingerkuppen spürte, durchströmte ihn unfassbare Erleichterung, dem Sicherheitsgurt sei Dank. Er wollte sich nicht mal in seinen ärgsten Albträumen ausmalen, wenn Itachi nicht angeschnallt gewesen wäre...
Was passiert wäre... als es ihn plötzlich traf, wie ein Blitz.

Sasuke!

Sofort drehte Shisui sich um, blickte in wilder Angst nach hinten und suchte mit großen Augen den Innenraum ab.
Das durfte sich nicht wiederholen!
Und als er ihn schließlich entdeckte, halb auf der Rückbank, halb im Fußraum liegend, mit dem Gesicht nach unten, gefror ihm das Blut in den Adern.
Da Itachi soweit in Ordnung schien, trat er sofort die Fahrertür auf, stolperte aus dem Fahrzeug, direkt in den sandigen Staub, der hier allgegenwärtig war und riss die hintere Tür auf.

"Sasuke! Hörst du mich! Wach auf! Wach auf!", rief er in all seiner Panik und packte Sasuke unter den Achseln, zog ihn keuchend aus dem Wagen, bis er ihn flach auf dem staubigen Boden liegend hatte, und hoffte, damit nicht alles noch schlimmer zu machen.
Aber als er sich neben ihm auf die Knie fallen ließ und verzweifelt mit seinen zitternden Fingern an dessen Hals, nach einem verdammten Puls suchte und keinen finden konnte, weil es einfach keinen gab, wusste Shisui, das alles noch viel schlimmer war.
Nein! Nein! Nein!
Er schlug ihm sachte, links und rechts auf die Wangen und rief erneut:
"Sasuke! Kannst du mich hören! Wach auf! Bitte wach doch auf!"

Aber nichts. Sasuke wachte nicht auf. Ganz egal, wie sehr er auch flehte, dessen Gesicht blieb weiß und die Lippen blau, und Shisui merkte, wie seine Sicht verschwamm und einzelne Tropfen in den Sand fielen. Wenn der Junge jetzt starb, war das alleinig seine Schuld. Völlig egal, ob er ihm ins Lenkrad gegriffen hatte, oder nicht. Shisui hätte in seinem alkoholisierten Zustand niemals fahren dürfen.
Itachi würde ihm das nie vergeben. Auch nicht Mikoto. Fugaku nicht. Naruto...
Und am wenigsten...
Am wenigsten würde er sich selbst vergeben.

"Shisui! Wir müssen einen Krankenwagen rufen!"

Zerriss Itachis besorgte Stimme, die stickige Luft und Shisui blickte matt nach oben, dessen Gesicht war kaum zu sehen, weil er wie ein Geschenk der Götter direkt in der Sonne stand, und wann war er überhaupt gekommen, dachte Shisui und wischte sich mit neuer Energie über die Augen, schüttelte den Kopf und fasste hastig zusammen:
"Mit was? Wir haben kein Handy! Und bis der Krankenwagen da ist, ist es wahrscheinlich schon zu spät. Wir müssen ihn selbst reanimieren!"

Itachi ließ sich ebenfalls auf die Knie fallen, genau gegenüber von Shisui. Jetzt konnte er dessen Angst sehen. Sie war in jedem Winkel seines Gesichts erkennbar, während er betroffen antwortete:
"Ich... Ich weiß nicht, ob ich das kann. Mein letzter Erste-Hilfe-Kurs ist schon eine Weile her. Und die Gefahr, meinem kleinen Bruder, die Rippen zu brechen ist hoch, und..."

"Itachi! Itachi! Sieh mich an!", unterbrach Shisui ihn, griff über Sasuke hinweg und strich ihm voller Zuneigung, den ganzen verschwitzten Pony aus dem Gesicht.
"Das stimmt! Das könnte passieren. Aber was sind schon ein paar gebrochene Rippen, wenn wir ihm dafür das Leben retten!"
Itachi starrte ihn immer noch mit beklommenen Augen an und Shisui schenkte ihm ein zartes Lächeln, nahm dann dessen Hand, legte sie flach auf Sasukes Brustkorb und erklärte ermutigend:
"Du kannst das. Du wirst jetzt zehnmal hintereinander die Herzdruckmassage machen. Während ich die Beatmung übernehme! Und das ganze wiederholen wir solange, bis Sasukes Herz wieder schlägt, okay!"

Itachi nickte konzentriert und presste seine Lippen zusammen. Die Aufgaben waren verteilt. Shisui überstreckte mit zitternden Händen Sasukes Kopf und Itachi verschränkte seine Hände über dessen lebloser Brust und begann mit den Kompressionen:
Eins, zwei, drei, vier, fünf... zehn, bis Shisui dran war und Sasukes Lungen mit Sauerstoff füllte, nur um wieder von vorne zu beginnen.
Eins, zwei, drei, vier... Zehn.
Doch mit jedem verzweifelten Mal, lastete die Schuld schwerer auf Shisuis Schultern.
Mit jedem Fehlversuch, schwand die Zuversicht, ihn zurückzubekommen.

Und als jegliche Hoffnung schon verloren schien...
Itachi verschwitzt und zerzaust war und Shisui völlig außer Atem...
Fing Sasukes Herz wieder an zu schlagen, holten seine Lungen Luft und das Leben kehrte in sein blasses Gesicht zurück.
Es war geschafft.

Noch nie in seinem Leben, war Shisui so erleichtert, wie jetzt und fuhr sich erschöpft durch sein staubiges Haar, als er Itachi dabei zusah, wie er seinem jüngeren Bruder behutsam aufhalf, ihm mit geschwisterlicher Zuneigung den bebenden Rücken rieb und sanft fragte, während Sasuke langsam wieder zu sich kam:
"Wie fühlst du dich, Sasuke? Hast du Schmerzen? Kannst du aufstehen?"

"Was... Was ist passiert?", wollte Sasuke benommen wissen und hustete in seine Hand.

"Wir hatten einen Unfall und du warst bewusstlos", erklärte Itachi mit traurigen Augen, während sein Gesicht immer noch voller Staub war und das lange Haar ein einziges durcheinander.
"Shisui und ich mussten dich gerade reanimieren. Es war wirklich knapp."

"Niisan...", hustete Sasuke in seine Hand und blickte seinen großen Bruder argwöhnisch an.
"... Bitte sag mir jetzt nicht, dass das heißt, ich hab jetzt Shisuis spucke auf meinem Mund. Das wäre wirklich eklig"
Shisui rollte mit den Augen. Ein einfaches Danke und wow, ihr habt mir das Leben gerettet, wäre auch zu viel verlangt.
"Am Ende hab ich noch Herpes!"

"Nun...", amüsierte sich Itachi. All die quälende Anspannung war von ihm abgefallen.
"Wäre es dir lieber gewesen, du hättest meine Spucke auf deinem Mund gehabt?"

"Igitt! Ihr seid beide einfach nur eklig", würgte Sasuke und murmelte vor sich hin, während er sich müde, ein Auge rieb:
"Das nächste Mal bestehe ich auf einen Luftröhrenschnitt, verstanden. Du bist Anwalt. Also schreib das in meine Patientenverfügung."

"In Ordnung", lachte Itachi und schloss seine Arme um seinen jüngeren Bruder, froh darüber, dass er es noch konnte, während Shisui seufzend wusste, Sasuke war wieder ganz der Alte. Trotzdem sollten sie ihn noch ins Krankenhaus bringen, zum durchchecken, sicher war sicher, als er beobachtete wie der Junge völlig fertig und ohne Proteste, in Itachis Umarmung versank, schließlich hatte der Junge gerade einen Herz-Kreislauf-Stillstand.

Also wischte er sich Staub und Tränen aus seinem Gesicht und stand auf, um den verunfallten Cadillac zu begutachten.
Der Schaden war immens. Alles schien zerbeult und verkratzt. Damit konnte man definitiv nicht mehr fahren. Eigentlich war es sogar ein Wunder, dass der Wagen nach dem Überschlag überhaupt noch auf seinen vier Rädern stand. Vorsichtig spähte er hinein und entdeckte Sasukes Handy. Shisui holte es raus und beäugte das gesprungene Display.
Und auch, wenn er es nicht wollte, war das wohl jetzt der Moment, Izumi anzurufen, dass es vielleicht nicht mehr rechtzeitig schaffen würde.
Also wählte er ihre Nummer, es tutete, sie nahm ab und Shisui sagte:
"Ähm Hallo Izumi. Ich bin's Shisui..."

Tja. Und das war die ganze, irre Geschichte, wie Shisui dazu kam, die vermeintliche Verlobte, seines Ehemanns anzurufen, auf einem verlassenen, staubigen Parkplatz, irgendwo in Vegas, um ihr zu beichten, dass Itachis Junggesellenabschied etwas aus dem Ruder gelaufen war. Aber es könnte schlimmer sein, oder?

Und nun beschimpft sie ihn und schreit ihn an. Ihre schrille Stimme dringt durch die Leitung, dass er heute wahrscheinlich noch taub wird, als plötzlich noch jemand anruft.
Verwirrt nimmt er es von seinem Ohr, blickt auf das gesprungene Display und sieht; Shisui ruft an,
was eigentlich nicht sein kann, weil Shisui gerade definitiv mit Izumi telefoniert. Seltsam. Also würgt er ihre Schimpftirade einfach mittendrin ab und sagt kurz angebunden:
"Izumi, warte mal schnell, ja? Weil, ich werde gerade von mir selbst angerufen. Und da muss ich hingehen."

"Was? Was redest du da für einen Schwa..."

Er drückt sie einfach weg und fragt dann vorsichtig:
"Ja...?"

"Äh hi? Shisui? Wo ist Sas? Oder warte! Ich wollte bloß sagen, dass es mir gut geht, echt jetzt! Ihr habt euch wahrscheinlich Sorgen gemacht, und..."

"Naruto?!", ruft Shisui überrascht ins Handy und Sasuke blickt aus der Ferne her.
"Das kann man wohl sagen! Wo bist du und... Wie kommst du zu meinem Handy?!"

"Das ist eine lange Geschichte", hört Shisui Naruto schwer seufzen.
"Und die Kreditkarte von Sasukes und Itachis alten Herrn hab ich übrigens auch, also..."

"Echt?!", hellt sich Shisuis Stimmung auf.
"Weißt du was, ich geb dir gleich Sasuke, okay. Also bleib in der Leitung."
Dann holt er Izumis Anruf zurück und erklärt gewohnt verschmitzt:
"Hey, also, vergiss was ich gerade gesagt hab, ja. Wir werden es rechtzeitig schaffen. Es wäre nur ganz, ganz toll, wenn du dafür sorgen könntest, dass Fugaku seine Kreditkarte wieder entsperrt... Ähm was? Ich kann dich kaum mehr hören? Izumi? Der Empfang ist so schlecht? Ich leg jetzt auf, okay! Dankeschön! Also bis dann."
Und legt dann wirklich auf, in der Hoffnung, sie wird mit Fugaku sprechen.
Sonst müssen sie tatsächlich noch Strippen gehen, um die Rechnungen zu bezahlen. Und das für eine sehr, sehr lange Zeit.

Danach nimmt er, dass Handy runter, spürt die warme Sonne auf seinem Gesicht und blickt nochmals zurück, auf Itachi und Sasuke, die sich mittlerweile unter einen Stromkasten, in den Schatten gesetzt haben. Heute wäre beinahe der schlimmste Tag seines Lebens gewesen. Und das nur, weil er denselben Fehler gemacht hat, den er nie machen wollte, betrunken ins Auto zu steigen, wie sein Vater damals.
Allein der Gedanke, die beiden hätten dabei ihr Leben verloren...
Itachi hätte dabei sein Leben verloren... Lässt ihn fast wieder zusammenbrechen. Doch sie leben. Wenn auch etwas angeschlagen. Aber sind nicht tot. Und Shisui schwört ab hier, nie wieder zu trinken. Diesmal wirklich.
Auch wenn seine Zukunft mit Itachi gerade auf wackligen Beinen steht, und blickt dabei auf den Ring, an seinem Finger.
Bleibt seine Liebe zu ihm unerschütterlich.
Ganz egal wie das hier nun alles enden wird. Ob mit, oder ohne Happy End...

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