15. Ein Blick in deine Seele

🔸🔸🔶🔸🔸

Nachdem Shisui gestern, wie ein Verlierer, in seinem Bett, seinem Rausch erlegen war, klingelte plötzlich sein Handy und riss ihn aus dem Tiefschlag. Stöhnend fuchtelte er blindlings mit einer Hand, unter seiner Decke hervor, fischte das nervtötende Gerät vom Nachttisch, entsperrte es mit einem Wisch und murmelten gerädert, ohne zu prüfen, wer es war:
"Uchiha... Oder so. Und wenn nicht wenigstens einer gestorben ist, kannst du sofort wieder auflegen und direkt zur Hölle fahren."

"Shisui... Bitte verzeih mir das ich dich geweckt habe, aber es ist ein Notfall?"

In Sekundenschnelle war Shisui wach, er warf alle seine Decken runter, setzte sich auf wie eine Eins und fragte besorgt:
"Itachi? Ist was passiert? Geht es dir gut? Bist du verletzt?!"
War seine Reaktion übertrieben?
Ziemlich sicher. Aber wenn es um Itachi ging, war er noch nie besonders klug.

"Ich weiß nicht, was ich einpacken soll?"

Shisui blinzelte. Okay. Das war jetzt nicht gerade das, was er als Notfall bezeichnen würde und rieb sich mit einer Hand sein schläfriges Auge.
"Tachi...", begann er müde.
"...Wir haben 5:16 Uhr.
Unser Flug geht gegen Mittag. Denkst du nicht, es wäre gut gewesen, diesen Notfall vielleicht auf Sieben- oder Acht zu verschieben, zugunsten von Schlaf? Weil ich Schlaf brauche. Und normale Leute bis sieben,- oder acht schlafen?"

"Ja, es klingt albern...", seufzte Itachi niedergeschlagen in sein Telefon, während Shisui im Hintergrund Stoff rascheln hörte.
"...aber ich finde nichts in meinem Schrank, für ein Land, mit Temperaturen über vierzig Grad. Geschweige für einen Junggesellenabschied.
Ich habe gestern schon Obito gefragt, und er riet mir zu Tanktops, Bermudashorts, eine Speedo und ich glaube, es waren Hawaiihemden?
Leider besitze ich nur normale Hemden.
Und der Begriff Speedo sagt mir ehrlich gesagt überhaupt nichts."

"Grund gütiger Obito...", stöhnte Shisui erschöpft und knipste seine Nachttischlampe an.
"Aber du wirst doch bestimmt ein ganz normales T-Shirt haben, oder? Und eine Hose?"

Einen Moment lang herrschte Schweigen, dass Shisui kurz auf sein Display schauen musste, ob die Verbindung unterbrochen wurde, als Itachi verunsichert sagte:
"Also ich habe ein T-Shirt."

"Das ist schon mal ein Anfang", schmunzelte Shisui. Er konnte praktisch Itachis Stirnrunzeln durch die Leitung hören.

"Und ich habe eine Hose..."

"Ja, das denke ich mir", stimmte Shisui amüsiert zu und hielt sich eine Faust vor den Mund, um nicht zu lachen. Es war einfach mehr als liebenswert, wenn Itachi so hilflos klang, was ziemlich selten vorkam, wei er in seinem Job als Jurist, nichts anderes als, sachlich und fachlich perfekt war. Fast schon zum Fürchten. Deswegen waren diese kleinen menschlichen Momente auch so kostbar.

"Aber Sasuke hat gesagt, ich darf sie nicht tragen, weil ich darin aussehe wie ein, und ich zitiere: steifer Winkeladvokat, der bereit ist jeden zu verklagen, der vom Beckenrand in den Pool springt.
Naruto erklärte mir dann freundlicherweise, dass es darum ginge, sich bequem zu kleiden und Spaß zu haben.
Aber...", stoppte Itachi und fügte resigniert hinzu:
"...ich fürchte, einfach vergessen zu haben, was Spaß ist."

Itachis trauriges Geständnis schmerzte Shisui und er schwang seine Beine über die Bettkante, um ihm mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen anzubieten:
"Okay. Weißt du was? Ich bin jetzt eh schon wach. Dann komm ich einfach kurz vorbei und helf dir, ja? Also, wo bist du jetzt? Zuhause oder schon in der Wohnung?"

"In der Wohnung", informierte Itachi ihn.
"Und danke. Das hilft mir wirklich sehr. Wir sehen uns."

Itachi beendete das Gespräch und Shisui saß einen Moment da, als ihm schrecklich klar wurde, das vielleicht auch Izumi da sein könnte und wie tief er in ihre Privatsphäre eindringen würde. In ihrem Schlafzimmer. Mit eventuellen Beweise ihres Liebeslebens, wie zerwühlte Laken, oder andere Dinge?
Und dann fiel ihm die leere Weinflasche auf, die am Boden stand.
Scheiße. Das auch noch...

Er nahm sie hoch und versuchte nachzurechnen, wie viel Restalkohol er noch im Blut haben könnte, um Autofahren zu dürfen. Oder vielleicht sollte er einfach Obito schnell fragen, ob er kurz zum Blasen vorbeikam? Aber der Kerl würde ihn wahrscheinlich nur bis an sein Lebensende damit aufziehen. Und das nicht nur wegen der Zweideutigkeit.

Dann eben eine kalte Dusche, doppelten Espresso und ein paar salzige Chips. Das musste reichen.
Im Anschluss würfelte Shisui seine Reisetasche zusammen, stopfte alles wichtige rein, schnell schnell schnell, bis ihm Obitos geschmackloses Geschenk in die Hände fiel. Er bis die Zähne zusammen.
Mitnehmen? Ja oder Nein?
Es würde eh nichts passiere, oder?
Sex war etwas, um das er sowieso gerade einen großen Bogen machte.
Also warf er den Karton kurzerhand zu dem anderen Zeug und nahm sich vor, den Schweinkram unterwegs einfach irgendwo zu entsorgen.

Danach sprang er in seinen Dienstwagen, weil sein eigenes Auto immer noch in der Werkstatt stand und trat das Gaspedal durch.
Heizte am frühen Morgen damit durch die fast leeren Straßen Konohas, bis er da war, Itachi die Tür öffnete und ihn mit einem erleichternden Lächeln begrüßte:
"Ich stehe für immer in deiner Schuld."

"Ja, das tust du. Und äh...", stammelte Shisui nervös, während er Itachi durch die Wohnung ins Schlafzimmer folgte und sich vorsichtig umsah.
"Ich störe auch wirklich nichts. Also ich meine...", verstummte er und blickte auf das gemachte Ehebett, was ziemlich unberührt mitten im Raum stand.

Verwundert drehte sich Itachi von seinem Kleiderschrank weg, folgte Shisuis Blick und sagte sanft:
"Ich bin allein hier. Izumis Mutter möchte nicht, dass sie vor unserer Hochzeit hier mit mir übernachtet und ich respektiere das natürlich."

"Natürlich. Ähm, altmodisch, aber irgendwie romantisch", entgegnete er zweifelnd. Ihre Mutter dachte wohl auch, dass Izumi nach fünfjähriger Beziehung immer noch Jungfrau Maria war. Aber egal.
Stattdessen verkündete er voller Tatendrang:
"Gut, dann lass uns mal sehen, ob wir was finden, mit dem Sasuke zufrieden ist und nicht nach Poolrandverkläger aussieht."

Itachis Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln, während er seinen großen weißen Kleiderschrank öffnete und seufzte:
"Ich glaube, ihr werdet beide enttäuscht sein."

Shisui blickte hinein und ging die ordentlich aufgehängten Kleidungsstücke durch, dessen gesamte Garderobe wirklich nur noch aus teurem Businesszeug bestand, worin Itachi zweifelsohne hinreißend aussah.
Aber wo waren all die anderen, normalen Sachen? Die er früher hatte, wunderte sich Shisui, als Itachi scheinbar völlig aus der Luft gegriffen sagte:
"Du hast es nie erwähnt."
Shisui drehte sich fragend um und Itachi fuhr mit belegter Stimme fort:
"Das du eine Begleitung hast?"

"Ach...", winkte er leichthin ab und holte schließlich ein weißes T-Shirt aus dem Schrank.
"Es ist nur Anko. Also hast du nichts verpasst."

"Anko...?", begann Itachi überrascht.
"Dann seid ihr wieder... Zusammen?"

"Zusammen würde ich nicht sagen...", zuckte Shisui mit den Schultern während er das Shirt in der Luft betrachtete.
"Aber wir haben einen Deal gemacht.
Wenn keiner von uns bis zu unserem dreißigsten Geburtag verheiratet ist, dann heiraten einfach wir. Dafür begleitet sie mich auf deine Hochzeit."

"Findest du die Relation nicht etwas unverhältnismäßig?", meinte Itachi ungewohnt unterkühlt.
"Wenn nicht sogar... dumm?"

Langsam nahm er Itachis T-Shirt runter, starrte ihn an und entgegnete ungläubig:
"Achso. Schön. Du darfst also heiraten wenn du willst? Und wenn ich das mache, bin ich dumm? Wie nett."

"Nein! So war das nicht gemeint!", ruderte Itachi erschrocken zurück.
"Aber Anko ist... Sie ist nicht...", stolperte er über seine eigenen Worte, während Shisui gereizt wartete, wie der Satz endete.
Aber Itachi atmete letztendlich durch und fügte milder hinzu:
"Du hast Recht. Es war anmaßend von mir. Und wenn es das ist, was du möchtest, dann bin ich natürlich damit einverstanden, auch wenn es ungewöhnlich ist."

Shisui presste seine Lippen zusammen. Die einzige Person, die er jemals heiraten wollte, war Itachi. Und warum er ihm von dem lächerlichen Deal mit Anko überhaupt erzählt hatte, war ihm ein Rätsel.
Vielleicht aus Rache? Nach dem Motto:
Was du kannst, kann ich genauso?
Oder weil er erbärmlich darauf gehofft hatte, Itachi würde ihn auf Knien anflehen, es nicht zu tun? Das war natürlich dumm und würde nie passieren, dachte er niedergeschlagen und flüchtete sich wieder in Sarkasmus, indem er zwinkerte und sagte:
"Naja, vielleicht bist du dann ja mein Trauzeuge und tanzt dann auf meiner Hochzeit Walzer?"

Itachi ging nicht auf Shisuis Neckerei ein und griff stattdessen still nach dem T-Shirt in Shisuis Händen.
Ihre Finger berührten sich und der Kontakt brannte auf Shisuis Haut. Fragend blickte er auf und bemerkte wie Itachi nachdenklich auf ihre Hände schaute, als würde er dort nach irgendwas suchen. Als wolle er etwas wichtiges sagen.
Shisui machte sich Sorgen, und gerade als er fragen wollte, fuhr Itachis Daumen sanft über seine Fingerknöchel und murmelte leise:
"Shisui, warum willst du wirklich diesen Junggesellenabschied?"

Die intime Geste warf Shisui total aus der Bahn und er stockte:
"Weil ich dich..."

"Shisui, es ist immer wieder schön, den besten Freund meines Verlobten, in unserem Schlafzimmer begrüßen zu dürfen? Ich hoffe du fühlst dich wohl?"
Erschrocken fuhren beide Köpfe herum.
Die ganze, seltsame Spannung löste sich in Rauch auf, als Izumi mit verschränkten Armen in der offenen Tür stand und sie scharf beobachtete.
Zwar wurde Shisui noch nie von einem Barakuda gejagt, aber er glaubte, jetzt eine gewisse Vorstellung davon zu haben, wie sich das anfühlte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top