Keime für Gedichte
Es gibt Themen, Ideen, und es gibt Inspiration. Diese Phänomene können sich überschneiden, müssen aber nicht. Ich habe einen Entwurf in meinem Gedichtbuch, wo, glaube ich, drei Themen sind, über die ich mal was schreiben will, aber die Inspiration fehlt geradezu völlig. Umgekehrt fiel mir zu den Themen des Poetry Contests fast immer nach nicht allzu langer Zeit etwas ein. Frage: Wie kann so etwas möglich sein?
Themen bekommen wir zu jeder Tageszeit und überall. Ich bin überzeugt, dass der erste Abschnitt sowie der Titel einige unterschiedliche Themen beinhalten, über die sich etwas schreiben ließe. Ein Beispiel ist mein Gedicht "Keine Ideen", nagut, es ist auch kein Geniestreich.
Trotzdem besteht die meiste Zeit eine "Schreibblockade", wobei ich dies so zu nennen aber für so sinnvoll halte wie für die Zeit, während derer kein Bundesliga-Spiel läuft, einen herzzerreißenden Namen zu kreieren. Dabei gibt es gewisse Stufen der Blockade. Die erste ist die klassische, alltägliche, in der wir einfach zu angespannt und komplex in unseren Gehirnströmen sind. Davon gilt es sich zu lösen für ein Gedicht; das ist genau das Prinzip, das Alkohol in verantwortungsvollem Maße attraktiv macht und auf geistiger Ebene ein unaufgewärmter Zustand. Diese zweite Stufe lässt sich aber auch durch Musik (insbesondere wenn sie laut ist), und allgemein Dopamin oder Ähnliches hervorrufen. Dieses Suchthormon bekommt man nur durch Drogen, denkt man? Unsinn, es reicht eine warme Dusche (ernsthaft!) oder schlichtes Wachbleiben bei Müdigkeit. Darum habe ich auch abends die meisten Ideen. Nicht die besten, aber die meisten guten kreativen Ideen.
Hat man sich von Stufe 1 gelöst, braucht es noch immer die beiden Is - man ist bei der zweiten Stufe. Wenn man ein Thema gefunden hat. Es ist immer eine Möglichkeit, einen Rundumschlag zu machen - das ist auf der ganz primären Ebene unkreativ, aber auch nicht mehr. Wenn man nach Maßen dichten will, sollte man eine dazu passende Melodie im Kopf haben und am besten keinen allzu schwerwiegenden anderen Ohrwurm. Musik allgemein kann als Entblockierer von Stufe eins wirken, und solange sie einem nicht völlig die Gedanken zumüllt, auch hilfreich sein. Warum, erkläre ich später. Für mich ist ein Gedicht wie ein Makromolekül, das durch ionische (oder radikalische) Polymerisation entsteht(1). Für den Rundumschlag einfach recht uninspiriert beginnen, und ein Anion bzw Starterradikal bilden, also einfach einen passenden Start. Das gilt auch für Kreuzreim, das bekommt man dann für gewöhnlich schon hin. Beispiele: "In Zukunft wirst du sehen,/ und vorher kannst du nicht"; "Wer kennt ihn nicht den Segen?/ Wer hat ihn nie gesehn?"; oder auch "Dies ist kein Liebesbrief,/ denn du hast mich verlassen." Kreativ sind diese kaum, aber dann hat man einen Anfang und will und kann nicht mehr aufhören. Wenn man aus heiterem Himmel, bspw wenn du einfach mal die Gedanken schweifen lässt, auf etwas kommst, umso besser. Den Unterschied merkt man vielleicht auch. Beispiel: "Es sind Tage großer Zahle,/ mal ist es plötzlich, ungeschehn"
Ich muss eine Geschichte zunächst strukturieren und brauche nicht nur ein Thema, sondern weit und am besten facettenreich gedachte Ideen. Aber die Strukturierung - ein paar Stichwörter und vieel Denken - funktioniert ähnlich dem Dichten, was die Keime anbetrifft.
Wer auf einen Anfang kommen will, kann sich auch erst einmal unter Druck setzen, indem er einen Wattpad-Entwurf aufmacht, das Papier hervorholt, den Kugelschreiber... ihr findet was. Obligatorisch ist, auf das Papier bzw den Bildschirm zu starren. Druck scheint also ein probates Mittel zu sein, um das Dichten zu beschleunigen. Aber...
Es gibt noch eine dritte Stufe der Schreibblockade. Und zwar die, wenn man schon etwas geschrieben hat, und "der Worte Krieg führen" will, "braucht man nur freien Mut". (aus meinem Gedicht "Der klagende Poet") Wie lässt sich das einigermaßen zuverlässig provozieren? Durch Ablenkung, weniger durch visuelle(2) - du starrst nach wie vor viel - sondern durch akustische(3). Egal wie. Aufgelockert werden kannst du durch Konversationen, wobei es genau so gut funktioniert, sich ein bisschen entfernt von sich unterhaltenden Menschen hinzusetzen, oder eben durch (dir schon bekannte) Musik. Das bringt nicht garantiert, aber sehr wahrscheinlich dich weiter, denn wenn man "locker" denkt, ist man einfach wesentlich kreativer. (Darum sind unter anderem Träume oder das Denken unter der Dusche, auf einem (Heim-)Weg zu Fuß oder schweifende Gedanken kurz vorm geplanten Einschlafen mitunter so chancenreich.)
Das war eine geballte Ladung. Zum Abschluss noch kurz: Wenn ihr merkt, ihr seid entblockiert, dann seid ihr es wohl auch.
Ich würde mich wirklich freuen, wenn ihr mir Feedback gäbet oder eure Erfahrungen und Meinungen mitteilen würdet. Kurzum: Ich freue mich über fast jeden Kommentar, der mit den Wattpad-Richtlinien konform ist - wobei ich mir dessen sicher bin, das die Kommentare das sein werden. Etwaige Fragen beantworte ich auch gerne.
2) Visuell: das Sehen betreffend
3) Akustisch: Das Hören betreffend
1) Polymerisation: Ein Kunststoffmolekül bzw Polymer ist riesengroß - "Makromolekül" - und besteht aus vielen kleineren Einheiten, sogenannten Monomeren.
Eine Möglichkeit, wie sie entstehen können, ist die Polymerisation. Dabei besitzen die Monomere je mindestens eine Doppelbindung. An diese lagert sich irgendwas Instabiles - ein sogenanntes Radikal oder Ion - an und macht das Ganze wieder instabil. Instabile Moleküle sind verzweifelt genug, ihr Heil darin zu suchen, sich mit irgendwas zu verbinden - und das sind dann weitere Monomere. Mit einem zweitem Radikal bzw Ion, das sich ans andere Ende anlagert, hört der Spuk auf, aber das Makromolekül bleibt.
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