Kapitel 9

Wenige Tage später ging The Voice weiter. Und erneut spielte R5. Heute war es „Stay With Me". Währenddessen standen alle Kandidaten aus Team Ross bereits in den Startlöchern. Gleich sollten wir zu ihm auf die Bühne gehen, damit man sehen konnte, wer an diesem Tag so alles auftreten würde. Nun waren nur noch die Gewinner der Battles da, und es standen die Singoffs an.

Nachdem Riker, Rydel, Rocky und Ellington im Publikum neben Stormie, Mark und Ryland verschwunden waren, rief der Moderator jeden auf. Ich kam als letzte dran. Folglich stand ich als Einzige im Vorraum. Doch anstatt zu den anderen zu gehen, blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich wurde noch ein paar Mal aufgerufen, aber ich bewegte mich kein bisschen.

Auf einmal war Sam da. „Hey, was machst du denn?! Du musst sofort raus!", befiel sie mir. Ich konnte fast nicht fassen, was ich nun tat. Ich erklärte ihr: „Tut mir leid. Ich glaub, ich schaff das nicht. Wahrscheinlich hat das noch nie einer vor mir gemacht und das ist eigentlich total doof, weil ich schon im Viertelfinale bin, aber ich denke, ich steig aus." „Was? Warum? Das kannst du doch nicht einfach machen, oder?" Sam hatte so viele Fragen, die ich am liebsten gar nicht beantwortet hätte. „Ich werde dir das alles irgendwann mal erzählen. Aber nicht jetzt! Bitte sag Ross, dass ich nicht mehr an der Show teilnehme!", bat ich sie, bevor ich wegrannte. Zu meiner Familie, die es wieder nicht hinbekommen hatte, in diese Halle zu kommen und mich zu unterstützen.

„Und sie ist weg", stellte Sam fest. Als der Moderator fragte: „Weiß jemand, wo Liv ist?", lief sie auf die Bühne zu Ross und flüsterte ihm das, was ich ihr gesagt hatte, ins Ohr. Dies sagte er dann dem ganzen Publikum, welches traurige „Aww"-Geräusche von sich gab. „Weißt du, warum sie das getan hat?", erkundigte sich Sam bei Ross. „Kann sein", antwortete er. Dabei hatte er sein Mikro ausgeschaltet, das er danach anschaltete, und so sagte er: „Wir müssen wohl ohne sie weitermachen." Das war zwar echt fies, aber es hieß ja bekanntlich „The show must go on!". Und dies war Ross wirklich wichtig.

Als die Show zu Ende war, ging er zu seiner Familie und sagte: „Hört mal! Ich weiß, es ist spät und ich sollte eigentlich nicht um diese Zeit draußen im Dunkeln rumlaufen, aber ich muss Liv suchen und so schnell wie möglich finden!" Ohne eine Antwort abzuwarten, machte Ross den Abgang.

„Was hat er denn in letzter Zeit mit dieser Liv?", wunderte sich Stormie. „Er ist so oft bei ihr. Es ist, als ob sie eine besondere Beziehung zueinander hätten." „Ja, als ob eine Art magische Verbindung zwischen ihnen bestehen würde", stimmte Rocky mit ein. Rydel überlegte kurz, dann verriet sie: „Ich weiß nicht, ob das stimmt, da Ross ja schon eine Freundin hat. Zudem dürfte ich das hier bestimmt nicht sagen. Doch ich glaube, er hat sich wieder in Liv verliebt."

„Okay... Moment, was bedeutet wieder?", wollte Mark wissen. Anscheinend wussten Ross' Eltern auch nichts von der Beziehung. „Vor 4 Jahren waren die zwei schon mal ein Paar. Aber Ross hatte ziemlich schnell keine Gefühle mehr für Liv, sondern für eine andere", erklärte Riker. „Obwohl das ja zunächst gar keine richtige Liebe war." „Das arme Mädchen!", meinte Stormie mitfühlend. „Na ja, da war er noch jung und unerfahren. Meint er es denn jetzt ernst?" „Keine Ahnung, aber beim Briefschreiben hat er sich echt angestrengt", sagte Ryland. Sofort fragte Mark: „Er schreibt sogar Briefe an sie?" Darauf nickten so gut wie alle. „Und wenn Ross sich eine richtige Beziehung vorstellen könnte, was wird dann aus Mandy?"


Zuhause schauten Mom, Harry und ich „The Hunger Games". Gerade an der Stelle, wo Peeta erzählte, dass er in Katniss verliebt sei, klingelte es an der Haustür und wir konnten vom Film kein bisschen verstehen, was Harry aber auch in diesem Augenblick egal sein konnte. Mom öffnete dafür die Türe und schrie gleich, als sie die Person erkannte: „Liv, für dich!" Merkwürdig. Sonst kam zu dieser Uhrzeit nie irgendjemand zu mir.

Ich stand von der gemütlichen Couch auf und machte mich auf den kurzen Weg zur Tür. Bevor ich überhaupt dort ankam, wusste ich ebenfalls, wer dastand. Mom ließ mich alleine mit der Person, doch das reichte mir noch nicht. Ich wollte sichergehen, dass wirklich niemand uns zuhörte, weswegen ich hinausging und dann die Tür anlehnte. Dabei ging sie jedoch ausversehen ganz zu, aber ich konnte ja noch klingeln, wie es mein Gast getan hatte. Diesen fragte ich etwas genervt: „Was hast du hier zu suchen?"

„Wieso bist du ausgestiegen?", fragte er, anstatt mir zu antworten. „Ich kann dir nicht einmal mehr in die Augen schauen. Wie soll ich dann mit dir zusammenarbeiten?!", gab ich als Antwort auf seine Frage, wobei ich nur auf den Boden oder neben seinem Kopf ins Leere schaute. „Und sowieso hast du jetzt doch schon deine 3 Kandidaten fürs Halbfinale gewählt. Es gibt keinen Platz mehr für mich, also was soll das?" Der Blondie gab einfach nicht auf: „Möglicherweise könnten sie diesmal eine Ausnahme machen. Wärst du nicht gegangen, hätte ich wahrscheinlich sogar dich gewählt. In den Proben warst du mit Abstand die Beste. Hörst du? Ich brauche dich, und zwar nicht nur bei The Voice." Das war nun echt süß, aber so wirklich konnte mich es auch nicht überzeugen.

Deshalb sagte ich: „Ross... ich will mich nicht wieder von dir verarschen lassen! Ich habe das Gefühl, dass du mich nur ausnutzt!" „Vielleicht war das früher so, doch ich habe mich ganz sicher geändert, versprochen! Ich bin nicht mehr dieser scheiß Kerl, der nur das Beste für sich selbst will", behauptete Ross. Ich wusste immer noch nicht, ob ich ihm glauben sollte. „Du weißt ja, dass ich dich mag. Und ich will nicht, dass du mich damit demütigst oder das meiner Familie sagst", machte ich ihm klar. „Hey, keine Sorge! Das wird nicht passieren!", versicherte er mir nochmals.

Ich traute mich eigentlich gar nicht, das zu fragen, aber irgendwie rutschte es mir plötzlich heraus: „Wie findest du mich? Magst du mich auch, so wie ich dich?" Zuerst sah Ross mich komisch an, doch kurz danach holte er Luft. Da bemerkte ich Dad's Auto, das in diesem Moment geparkt wurde. Dad würde gleich zu uns kommen und alles mitbekommen, wenn wir nicht leise werden würden. „Psst!", machte ich zu Ross.

Wenig später lief Dad direkt an mir vorbei, wir grüßten ihn und er wollte wissen: „Was macht ihr beiden hier?" „Ach, nur ein bisschen frische Luft schnappen. Tut gut", antwortete Ross schnell. „Ja. Du solltest öfters hierherkommen. So würde Liv mehr rauskommen und nicht immer nur in ihrem Zimmer hocken", meinte Dad und zwinkerte mir zu. Ich fasste es nicht: Sogar er wollte mich wohl mit Ross verkuppeln! Bei diesem Gedanken durchschüttelte es mich. Von der einen Sekunde zur anderen hatte ich keinen Bock mehr, mit meinem möglicherweise zukünftigen Freund zu sprechen.

„Also, ich denke, du solltest mal gehen. Außerdem möchte ich wieder ‚The Hunger Games' angucken. Wegen dir habe ich schon voll viel verpasst!", beschwerte ich mich belustigt. „Ich kann dir ja Gesellschaft leisten", freute sich Ross. „Danke, aber nein", sagte ich. „Deine Familie erwartet dich bestimmt." Ich winkte ihm zu, ging ins Haus und schloss die Tür. Kurz blieb Ross noch stehen, doch dann ging er endlich.

Somit lief ich zurück ins Wohnzimmer, wo Mom mich sofort fragte: „Was habt ihr denn gemacht, das so lange dauert? Nur frische Luft schnappen jedenfalls nicht." Mist! Wieso musste sie immer alles bemerken? „Ähm... Noch einmal was für Mathe besprochen", log ich einfach, ohne darüber nachzudenken.

Scheiße! Jetzt denkt sie sicherlich, dass Ross meine Nachhilfe wäre und ich folglich einen halben Tag mit ihm verbracht hätte. Da ich in dem Alter war, in dem man sich durchschnittlich verliebte, hatte Mom bei dieser Situation gleich den Verdacht, ich sei in den Jungen verknallt, was mich so langsam störte, aber dieses Mal tatsächlich stimmte.

Glücklicherweise sprach sie das Thema heute nicht an. Ich war bereits echt müde. Zwar wollte ich den Film noch zu Ende gucken, aber ich sollte lieber schlafen gehen. Oben in meinem Zimmer sah ich, dass mein Handy noch auf dem Nachttisch lag. Schnell schaute ich, ob ich irgendwelche Nachrichten bekommen hatte. Fehlanzeige. Also legte ich es wieder hin und kuschelte mich in meine Decke ein.

Ein paar Sekunden später jedoch klingelte mein Handy. Es war eine Nachricht. Ich hatte doch eben noch geschaut! Und außerdem: Wer war so dumm und schickte mir so spät noch eine SMS, vor allem wenn morgen auch Schule war? Die Antwort bekam ich, sobald ich auf das Display schaute. Ross... An diesem Tag konnte er mich aber ganz schön nerven! Doch ich konnte nicht widerstehen. Ich musste einfach mit ihm schreiben und ab diesem Moment war ich auf einmal gar nicht mehr müde.

Ross: „Und was ist jetzt mit The Voice?"

Ich: „Hab mich noch nicht entschieden. Davor musst du erst meine Frage beantworten!"

Ross: „Was für eine?"

Ich: „Das ist jetzt nicht den Ernst, oder? Du weißt nicht, was ich dich gefragt hatte, bevor mein Dad kam?"

Ross: „Doch. Sorry, war ein doofer Scherz."

Ich: „Ja. Sonst würde ich mich ernsthaft fragen, wie ich so einen Dummkopf wie dich nur mögen kann! Aber was nun?"

Lange kam nichts mehr von ihm. Drückte er sich jetzt etwa? Er wirkte zwar echt hart, aber eigentlich war er ein großer Schisser! Auch vorhin versuchte er, sich herauszureden beziehungsweise zu schreiben.

Stattdessen erreichte mich eine Nachricht von Rydel.

Rydel: „Hey! Ich sitze gerade neben Ross und spioniere ihn ein bisschen. Du wartest wahrscheinlich auf eine SMS von ihm. Er wird sie auch bald verschicken, denke ich. Er musste etwas nachdenken und hat da ein Selbstgespräch geführt. Ich hab natürlich zugehört. Hehe! Tut mir leid, dass du das gleich lesen wirst, aber ich halte es für wichtig, dass du es erfährst. Ross hat nur geschrieben, dass er dich auch mag, damit du zu The Voice kommst, weil sein Team ohne dich nicht gewinnen würde..."

Ich: „Wie bitte?"

Rydel: „So ist es halt. Er weiß noch nicht wirklich mit Mädchen umzugehen."

Ross dachte wohl immer noch mehr an sich selbst.

Und es kam tatsächlich eine Antwort von ihm, die mein Herz höherschlagen ließ, aber von der ich wusste, dass sie nicht ernst gemeint war. Auch wenn ich deswegen fast wieder heulen hätte können, schrieb ich ihm, dass ich zurück zu The Voice kommen würde. Ich hatte auch Lust dazu.

Nachdem er ein „Juhuu!" gesendet hatte, machte ich mein Handy aus und legte mich auf's Ohr.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top