Kapitel 9: Farley
Ich lasse die Flasche wieder in meiner Jacke verschwinden, während ich ihn mustere. Sein Blick gerade eben war... genial. Irgendwelche Vermutungen anstellen, ohne sich die Folgen dieser zu überlegen. Das ist selten dämlich. Ob er dumm ist, oder ob er einfach keinen Selbsterhaltungswillen mehr hat, weiß wohl nur er. Weil hätte er den wahren Mörder erwischt und dieser hätte sich angegriffen gefühlt, hätte er Gott begrüßen können. Wenn ich so darüber nachdenke, könnte es auch eine Mörderin sein. Ich will ja nicht sexistisch sein.
Ich lächle immer noch innerlich, wegen allem.
"Wirklich, was hättest du getan, hättest du den echten Mörder gefunden und dieser hätte so reagiert. Das alles war nicht gerade durchdacht. Von mir gibt es höchstens drei von zehn Punkten für diese Taktik", lache ich.
"Naja, jemanden hier umzubringen, wäre auch nicht so klug, immerhin könnte jederzeit irgendwer von der Party reinkommen. Wenn mein Plan also nur drei Punkte erhalten soll, kriegt der des Mörders allerhöchstens zwei", antwortet er.
Ich werde das jetzt mal nicht persönlich nehmen und darüber hinwegsehen, dass er mich quasi als dumm betitelt. Dafür bin ich gerade zu gut gelaunt. Endlich habe ich jemanden gefunden, der meine Art von Humor nicht als psychiatrie-reif sieht.
"Was soll's. Ich werde mal über die versteckte Beleidigung hinwegsehen, da du dir definitiv ein paar Pluspunkte bei mir dazu verdient hast, indem du erstens ein sogar ziemlich gefasster Mensch bist. Weil, nach Ethik habe ich mich echt gefragt, wo deine Würde bleibt. Aber das nur am Rande. Und zweitens, weil du nicht vor meiner Art von Belehrungen zurückschreckst. Und du könntest dir sogar noch ein paar Pluspunkte dazu verdienen, indem du dir merkst, was passieren kann, wenn du rumläufst und Personen direkt beschuldigst", sage ich scherzhaft. Ich hoffe nur, dass er den Bezug auf Ethik nicht falsch auffasst, weil wenn ja, dann ist er doch so trocken und nachtragend, wie ich schon immer befürchtet habe. Plötzlich wirft er die Arme in die Höhe und ich denke schon, dass ich einen Krankenwagen holen muss, weil er komplett verrückt wird, als er mit vor Ironie triefender Stimme anfängt: "Oh mein Gott, ich habe mir tatsächlich Pluspunkte bei Farley Sullivan verdient. Endlich hat mein Leben einen Sinn!" Ich schüttele lächelnd meinen Kopf, während er immer noch mit den Händen dramatisch so tut, als ob er sich tatsächlich bei Gott bedanken würde.
"He, was soll das, wenn du schon danken willst, dann steht die passende Person dafür direkt vor dir. Ich bin der Gott der neuen Welt", beschwere ich mich gespielt empört.
"Tut mir leid, aber die einzig wahre Religion ist schon die mit dem Fliegenden Spaghetti-Monster."
Ich habe sogar mal etwas von dem Fliegenden Spaghetti-Monster gehört. Glaube ich zumindest.
"Weißt du, eigentlich bist du ganz okay. Zumindest verstehst du teilweise meinen Humor und teilst ihn", gestehe ich ihm. Meine Seite, die ihn immer noch dafür hasst, dass er mit der Bitch namens Macey befreudet war, zieht sich bei diesem Satz zwar zusammen, aber ich ignoriere das geflissentlich.
"Ähm ... klar, danke. Ich bin ja keiner von diesen korrektheitsbedachten Tumblr-Leuten. Schwarzer Humor ist ganz gut, in den richtigen Momenten zumindest."
Ich werde übergehen, dass das letzte als Beleidigung gegen mich auffassbar ist. Ich weiß selber nicht, warum ich gerade so freundlich zu ihm bin. Vielleicht fühle ich mich doch schuldig, dass ich ihm nicht nur einen Schrecken eingejagt habe, sondern ihn auch schmerzhaft an Macey erinnert habe. Selbst wenn sie eine Bitch war.
"Kann ich jetzt auch ganz offen sagen, dass mein Humor schwärzer ist, als ein Baumwollpflücker in Afrika?", lächle ich verschwörerisch, da ich genau weiß, dass ich damit normalerweiße von jedem ein 'Das ist richtig rassistisch' bekomme. Doch er lächelt genauso zurück und meint: "Niemand wird dich abhalten."
Ich bin ehrlich gesagt beeindruckt, dass er so liberal unterwegs ist.
"Weißt du, das Paradox, wenn Leute sagen, dass diese Aussage rassistisch sei, ist ziemlich amüsant", fange ich an, "Selber sagen, dass der andere rassistisch sei, ohne daran zu denken, dass, wenn man das sagt, man selbst rassistisch wird. Die wenigsten merken, dass ich Satire benutze, um Gesellschaftskritik loszuwerden. Und dann... " Ich breche ab, da ich merke, dass es ihn vermutlich nicht interessiert. Moment mal, das denke ich doch nicht wirklich. Er sollte froh sein, mit mir zu reden. Oder so.
"So, wir sollten gehen", überbrücke ich den peinlichen Moment des Schweigens. Er schaut mich, nicht gerade begeistert von der Idee sich wieder in in Menschenmassen zu stürzen, an. Das hätte er sich verdammt nochmal vorher überlegen müssen, bevor er mir zu Last gefallen ist. Außerdem soll er gar nicht so zur Tür schauen, denn ich könnte ich ihn auch einfach hier lassen.
"Wieso ist eigentlich niemand in der Küche? Ist das nicht irgendwie ungewöhnlich für eine Party?", fragt er plötzlich.
"Das selbe habe ich mir auch vorhin gedacht. Aber ich bin mir sicher, dass es hier in kurzer Zeit von Pärchen nur so wimmeln wird. Deswegen müssen wir so schnell wie möglich verschwinden. Nicht das wir uns plötzlich inmitten von einem Gangbang befinden."
Das Ding ist, dass ich das nur teilweise als Hyperbel gemeint habe. Es wird langsam echt schlimm mit den ganzen Leuten, die nur auf das Eine aus sind. Auch wenn ich mich eigentlich nicht wirklich darüber beschweren kann. Leicht panisch schaut Nate zur Tür, als ob er tatsächlich denkt, dass ein Haufen triebgesteuerte Jugendliche reinkommen würden.
"Dann lass uns echt lieber schnell zurückgehen", meint er mit drängendem Unterton. Wie lange ich wohl brauchen würde, ihn so zu konditionieren, dass er sich nicht mehr von den abgefuckten Sachen, die auf Partys passieren, irritieren lässt? Es würde definitiv lustig werden dabei zuzuschauen. Moment! Habe ich gerade wirklich daran gedacht, dass es lustig sein könnte, noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen! Nur weil er einen relativ ähnlichen Humor hat, bedeutet das nicht, dass ich ihn plötzlich ansatzweise mag. Er ist ein Feigling, Nichtsnutz, so wie er schon aussieht ein potenzieller Vergewaltiger, und am schlimmsten ein ehemaliger Freund von dieser Schlampe. Und all das sollte mir klar bleiben. Sicherlich tut er nur auf "Guter-Kumpel", damit ich mich von ihm einlullen lasse. So jemanden darf ich nicht an mich ranlassen und das Gespräch gerade eben, war ein Ausrutscher. Nur ein kleiner Ausrutscher.
Ich versuche, meine Miene wieder in den Griff zu bekommen und jegliche Sympathie zu verjagen. Demonstrativ beachte ich ihn nicht, als ich die Tür zu meinem natürlichem Lebensraum aufstoße.
"Hast du eigentlich immer noch vor, mich rauszuschmeißen?", ruft er mir hinterher. Könnte ich das beantworten, würde ich ihm gerne eine Antwort geben. Allerdings streiten sich gerade mein innerer Engel, der behauptet, dass Nate eigendlich ganz okay sei, und mein innerer Teufel, der sagt, dass er schließlich mit der Schlampe befreudet war. In Filmen gewinnt immer der Engel. Leider ist das richtige Leben nichtmal ansatzweise ein Film. Schließlich ist der Teufel eigentlich im weitesten Sinne ein Freiheitskämpfer. Zumindest, wenn man "Das Paradies" gelesen hat, kann man es so auffassen. Aber anstatt mich mit irgendwelchen Glaubensfragen auseinander zu setzten, sollte ich mir schnellstens eine Antwort ausdenken. Leider streiten sich immer noch Teufelchen und Engelchen. Aus diesem Grund gehe ich, ohne die Frage zu beantworten, durch die Tür. Soll er doch bleiben, wo er will.
Mein Blick scannt die Menschenmenge um bekannte Gesichter zu finden. Tatsächlich sehe ich ein paar aus meinem Englischkurs. Allerdings habe ich gerade keine Lust, mich mit diesen Idioten auseinaderzusetzten. Vielleicht finde ich irgendwo Nini.
Ob Nate mir wohl folgt?
Ja, tut er, stelle ich nach einem kurzen Blick über die Schulter fest. Im nächsten Moment schreit mir mein innerer Teufel schon wieder zu, dass es mir egal sein sollte, wo dieser Versager abbleibt und dass es einer meiner gravierendsten Fehler war, mich umzudrehen. Schließlich ist er bloß eine Fledermaus, die niemals an Dracula rankommen kann. Aber eigentlich ist 'Fledermaus' auf abstrakte Weiße süß und in manchen modernen Repräsentationen sind Dracula und Fledermaus quasi ein Synonym. Was bedeutet, dass, wenn ich mich als Dracula sehe, er und ich gleich sind. Okay, es wird Zeit, dass ich mit diesen dummen Gedanken aufhöre. Ich sollte mich lieber damit beschäftigen, Nini endlich zu finden.
"I wanna t-t-touch, but I got nobody. So I do it solo", singe ich mal wieder zur Musik mit, während ich den Raum nach Nini, oder nach Blade absuche, da dieser mir sicher sagen kann, ob Nini bereits da ist. Ich sollte mir wirklich abgewöhnen, irgendein Lied, welches ich ansatzweise mag, mitzusingen. Mich regt es ja auch auf, wenn Leute ein Song mit ihrem schlechtem Gegröle zerstören. Da sollte ich nicht genau das gleiche anderen antun. Trotzdem murmele ich vergnügt die letzte Zeile. Man hört mich ja nicht, bei den Stimmen der anderen.
"Ernsthaft, was findest du nur an dieser Musik?", fragt plötzlich Nate. Ups! Offensichtlich hat mich doch jemand singen gehört.
"Weißt du", fange ich an, während ich eine hundertachzig Grad Drehung in seine Richtung mache, "dieser Rhythmus ist einfach genial."
Das Teufelchen schüttelt zwar verzweifelt den Kopf, allerdings ignoriere ich das und lächle ihn trotzdem an und fange an, im Rhythmus von "I Like It" rückwärts zu laufen. Natürlich darf das das übertriebene Wackeln mit meiner Hüfte und das Bewegen meiner Arme nicht fehlen, um zu zeigen, wie sehr ich den Song feiere.
"I like texts from my exes when they want a second chance", singe ich laut mit. Ich mag zwar ein bisschen verrückt aussehen, aber jeder würde sich von einer solchen Darbietung mitreißen lassen. Er doch sicher auch.
"Leider nur eine Wunschvorstellung, nicht wahr?", grinst er. Hey, wenn sich das auf den Text von gerade eben bezieht, ist das echt unfair und gemein. Gespielt schiebe ich meine Lippen zu einem Schmollmund. Trotzdem lasse ich mich nicht davon beirren und tänzle rückwärts.
"Vorsicht! Hinter dir - ", ruft Nate mir zu. Doch es ist bereits zu spät. Mit voller Wucht laufe ich gegen eine Person. Ich drehe mich wütend um, um ihr mal zu sagen, was sie sich dabei denkt, einfach dumm im Weg zu stehen.
Oh Shit! Das gibt es doch nicht. Bradley. Direkt vor mir! Ich muss halluzinieren. Was soll ich jetzt machen? Es ist unverkennbar er. Das ist nicht wahr! Oder? Seine Haare fallen ihm wie immer sexy halb ins Gesicht. Seine sturmgrauen Augen sehen mich an, als ob er mir direkt in die Seele schauen könnte. Bradley steht in seinem vollem Halbgott-Aussehen vor mir und ich bin gerade eben auf die peinlichste Art in ihn reingelaufen. Und diese Fledermaus ist ja immer noch da. Scheiße. Ich sehe durch sein enges T-Shirt seine Muskeln. Ich habe ein Problem. Verdammt. Ich kann keinen Gedanken festhalten. Ich war ihm seit Ewigkeiten nicht mehr so nahe. Bradley's Geruch ist so unverkennbar. Ich habe ihn vermisst. Ich vermisse diese Nähe. Ich muss mich sortieren. Plötzlich merke ich, wie ich angefangen habe, auf extremst offensichtliche Weise viel zu unregelmäßig zu atmen. Ich fange erstmal an, ruhiger und regelmäßiger Luft zu holen. So, und als nächstes muss ich meine Lage erfassen. Ich bin gerade eben in Bradley reingelaufen und mein Gesicht ist quasi in seinen Brustkorb gedrückt. Nate ist auch noch- Moment einmal. Fuck! Ich presse praktisch mein Gesicht an ihn! So sehr ich auch dort bleiben will, muss ich mich losreißen. Nur wie. Wie bewege ich mich nochmal. Das darf doch nicht wahr sein! So lange stalke ich ihn täglich auf verschiedensten Netzwerken und jetzt, wo ich ihm endlich wieder so begegne, versagt mein Körper. Eines nach dem anderen. Erst einmal schiebe ich das rechte Bein nach hinten, dann das linke und- Ich will wieder mit ihm zusammen sein. Kann die Welt nicht hier stehen bleiben? Er und ich sind doch perfekt. Konzentration! Dann schiebe ich wieder das rechte Bein nach hinten.
"Hallo, Farley."
Bradley's tiefe Stimme durchbricht den Lärm. Diese Stimme, die ich so vermisst habe. Aus seinem Mund, welchen ich am liebsten einfach nur mir meinem bedecken will. So lange habe ich mir ausgemalt, wie ich ihm wieder begegne. Er begrüßt mich genau so und am Ende sind wir wieder glücklich zusammen. Wir hätten zwei Kinder mit roten Haaren und grauen Augen. Doch irgendwie habe ich mir nie überlegt, wie das Gespräch verlaufen soll, bis wir beim Happy End angekommen sind. Ich brauche eine gute Antwort. Nur was? Mein Kopf ist leer. Nichts. Ich kann nicht mehr und ich spüre, wie mein Gesicht anfängt, heiß zu werden. Ich werde doch nicht heulen. Aber es ist schlimm. Ich habe die Chance, ihn wieder zu gewinnen, doch ich kann nicht. Alleine, weil ich den Mund nicht aufbekomme. Ich habe so lange nicht mehr mit ihm geredet. Und jetzt habe ich die Möglichkeit und schaffe es nicht. Krampfhaft versuche ich, dass mir wegen meiner hilflosen Situation nicht die Tränen kommen. Ich sollte wegrennen, aber ich kann nicht. Ich kann gar nichts. Ich bin hilflos. Ich ertrinke in grauen Augen und einer Zukunft, die niemals meine sein kann. Es raubt mir meinen Verstand, meinen Atem, und ich will einfach nur noch schlafen.
Ich spüre eine Hand an meinem Arm. Nate sollte verschwinden. Er macht alles schlimmer. Verdammt nochmal!
"Komm mit, ich bring dich hier raus", flüstert er mir zu. Ja, ja, bitte. Hilf mir mich zu bewegen, will ich schreien. Leider kommt nur ein gehauchtes "Bitte" raus. Meine Stimme klingt gar nicht nach mir. Was passiert mit mir. Er drückt eine Hand gegen meinen Rücken und manövriert mich in Richtung Tür. Er schiebt mich halb, halb habe ich mich auch wieder erinnert, wie man läuft. Natürlich stolpere ich on top über den Türrahmen, aber wenigstens bin ich jetzt draußen. Ich will einfach nur so weit weg wie möglich von der ganzen Szene. Nur noch durch den Garten, ein bisschen weg von dem Haus, und dann kann ich zusammenbrechen. Nur noch ein paar Schritte.
"Alles okay?", fragt Nate.
Sehe ich so aus, als ob es mir gut ginge. Ich hatte die Möglichkeit mit Bradley zu reden. Doch alles, was ich geschafft habe, war mich zu blamieren. Stumm schaue ich ihn an.
"Sieh mal, es hätte schlimmer sein können. Vielleicht war es eine peinliche Situation, aber definitiv nicht der Worst Case. Ist doch praktisch alles in Ordnung. Und ich werde jetzt nicht anfangen, aufzuzählen, warum Bradley sowieso nur ein verdammtes Arschloch ist", spricht Nate mir gut zu. Verzweifelt suche ich nach meinem Vokabular. Leider macht es wohl gerade Urlaub in Bradley's Augen. Deswegen konzentriere ich mich nur voll und ganz darauf, so weit weg wie möglich zu kommen.
"Es ... Es war schrecklich. Ich habe ... mich ... komplett blamiert. Ich konnte nichtmal 'Hallo' wie ein normaler Mensch sagen", murmele ich leise, als wir stehenbleiben. Verkrampft versuche ich nicht zu heulen. Doch meine Sicht fängt bereits an zu verschwimmen. Er ist doch seit Ewigkeiten nicht mehr auf Partys gegangen. Warum heute? Warum genau dann, wenn Grace mir Nate aufgehaltst hat? Ich war nicht darauf vorbereitet. Und selbst wenn ich es gewusst hätte, hätte ich mich nie auf die Intensität der Situation vorbereiten können.
"Ich... will weg", flüstere ich, während mir eine heiße Träne die Wange hinab läuft. Nate hebt die Hand, als ob er mir die Tränen wegwischen will. Allerdings hält er inne und legt seine Hand doch nur auf meinen Arm.
"Soll ich dich nach Hause bringen?", fragt er. Ich will sein Mitleid nicht. Allerdings habe ich keine Kraft, ihm das entgegen zu schleudern, deswegen drehe ich bloß meinen Kopf, damit er mich nicht in einer meiner tiefsten Stunden sehen muss. Ich weiß, dass das Kind eigentlich bereits in den Brunnen gefallen ist und vermutlich jeder mich so gesehnt hat. Allerdings will ich noch in der Illusion leben, dass das gerade eben nicht passiert ist. Ich seufze, weil ich merke, dass ich noch ein weiteres Problem habe: Ich weiß nicht, wo ich hin soll. Grace ist noch drinnen und ich setze keinen Fuß mehr ins Haus. Außerdem, weiß Gott, wohin sie ist. Und ich kann wirklich nicht nach Hause.
"Ich weiß zwar nicht, wo du wohnst, aber wenn-", fährt er fort.
"Ich kann eh nicht nach Hause", unterbreche ich ihn. Er schaut mich schief an, während ich mich unter seinem Blick winde. Wenn er mich gerade bemitleidet, kann er sich sein Mitleid sonst wohin stecken.
"Okay, warum auch immer. Also, ich könnte Grace suchen, wenn du willst, aber ich glaube nicht, dass ich sie hier so schnell finden würde. Was ich dir auch anbieten kann, ist, dass du mit zu mir gehen könntest. Meine Mom hat Nachtschicht, und außer meiner kleinen Schwester ist keiner zu Hause. Es sind nur ungefähr zwanzig Minuten zu Fuß von hier", bietet er mir zögerlich an, während er mit der Hand die Straße entlang deutet. Das ist wohl die Richtung in dem sein Haus liegt. Ich könnte annehmen, da Grace's Haus auch in der Richtung liegt. Dann könnte ich erst einmal zu ihm, um einfach nur weg von allem zu kommen. Das ist meine Priorität Nummer Eins. Einfach nur weg. Egal wohin.
"Danke", meine ich und nicke leicht. Ich bin so froh, dass ich mit jedem einzelnen Schritt von der ganzen Szene weglaufe. Könnte ich nur so vor meiner Erinnerung weglaufen. Vor den grauen Augen, die mich verfolgen. Ich könnte es mit Alkohol versuchen. Schließlich habe ich noch die Flasche in meiner Tasche, allerdings weiß ich genau, dass ich mich nicht ewig vor der Auseinandersetzung mit der Szene gerade eben verstecken kann.
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