Kapitel 24: Nate
Freitag
Unsagbar nervös steige ich die Treppen nach oben, auf dem Weg zu dem Raum, in welchem ich Ethik habe.
Farley hat mir gestern versichert, dass sie es gleich nach Unterrichtsende bei dem Lehrer, der die Prom-Vorbereitung beaufsichtigt, versuchen würde. Ich habe sie heute noch nicht gesehen, aber jetzt werde ich wohl erfahren, ob ich trotz ihrer Bemühungen, für die allein ich ihr schon wahnsinnig dankbar bin, endgültig keine Chance oder Hoffnung mehr habe.
Denn wenn sie keinen Erfolg gehabt hat, dann ist mein Schicksal besiegelt und werde ich ein weiteres Jahr an dieser Drecksschule festhängen.
Diese elendigen Idioten bei den AG's. Ich war innerhalb der Woche beim Theater, beim Technik-Team, bei so einer Umweltgruppe, und im Grunde eigentlich bei jedem anderen Wahlfach, bei dem ich eine Chance auf einen Beitritt hätte haben können. Also bei keinem Sportteam, oder so.
Aber selbst wenn sich die leitenden Lehrer beinahe haben erweichen lassen, obwohl es schon so spät im Jahr ist, haben irgendwelche der Mitglieder ein Problem damit gehabt. Die Frage, ob dies an mir als Person lag, oder an der Tatsache, dass ich mich zur Zeit mit Farley - die ja von der Allgemeinheit für eine Mörderin gehalten wird - abgebe, kann ich zwar nicht beantworten, aber eigentlich macht es auch keinen Unterschied.
Was für überhebliche Bastarde.
Aber das größte Arschloch ist immer noch dieser Mr Rowley. Ich bin immer unbemerkt durchgekommen, aber jetzt auf einmal, kurz vorm Ende meiner Schulzeit, muss dieser Typ meine komplette Taktik ruinieren.
Scheiße, ich hoffe so, Farley hatte Erfolg. Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich tun soll, wenn das nicht der Fall ist.
Sie ist schon beim Klassenzimmer, als ich dort ankomme. Etwas verloren wirkend steht sie alleine an die Wand gelehnt da, und blickt auf ihr Handy. Sie versucht wohl, irgendwie beschäftigt zu erscheinen.
Immer eiliger gehe ich auf sie zu, während ich aufgrund meiner Nervosität, die langsam unerträgliche Ausmaße annimmt, unbewusst anfange, die Kopfhörerkabel im Inneren der Manteltaschen zu verknoten.
"Und?", frage ich sie sofort, auf eine unnütze Begrüßung verzichtend.
In meinem Kopf herrscht ein einziger, elementarer, panischer Gedanke vor: Wenn das jetzt nicht klappt, habe ich ein mehr als nur großes Problem.
Dieser verfluchte Mr Rowley. Er soll in der Hölle schmoren.
Farley blickt hoch, und nach einem kurzen Moment, der mir quälend lang vorkommt, antwortet sie mir endlich:
"Sei froh, dass ich dir deinen Arsch retten konnte. Du kannst heute gleich mit zur Prom-Vorbereitung."
Eine Welle der Erleichterung überrollt mich, und zum ersten Mal seit Montag habe ich wieder das Gefühl, komplett frei atmen zu können. Als hätte man ein schweres Gewicht von meiner Brust genommen.
"Danke!", bringe ich schließlich hervor, und füge nach einem weiteren, entspannenden Atemzug noch an: "Damit wären wir dann wohl quitt, nachdem ich dich bei mir habe übernachten lassen."
Sie rettet mir zwar gerade echt den Arsch, und ich bin ihr wirklich dankbar, aber ich will dennoch von vornherein vermeiden, dass sie irgendwie denkt, ich würde in ihrer Schuld stehen.
"Kann man wohl so sagen", entgegnet sie, aber nicht sonderlich ernsthaft, als hätte sie nie damit gerechnet, dass ich je eine Gegenleistung hätte einfordern wollen. Was ich zwar nicht im Speziellen geplant, aber dennoch als Reserve im Hinterkopf behalten hatte.
Ich komme nicht dazu, zu antworten, da in diesem Moment Mr Winters auftaucht und die Türe aufschließt.
Die Schüler strömen daraufhin ins Klassenzimmer - unter ihnen auch Grace, die Farley einen verächtlichen Blick zuwirft. Es ist interessant, wie sie in derart kurzer Zeit von einem naiven Anhängsel zu so einem niveaulosen, hasserfüllten Wesen geworden ist.
Farley's Blick verdunkelt sich als Reaktion betrübt.
Im Grunde vertrete ich ja immer noch die Einstellung, dass es lächerlich ist, sich so um die Meinung anderer zu kümmern, aber das am Montag war wirklich einfach nur ... sadistisch. Von Grace, aber in erster Linie von Bradley.
"Also, wo genau findet die Prom-Vorbereitung statt? Und wie läuft es da ab, sollte ich irgendwelches Vorwissen haben?", frage ich Farley ablenkend, aber des Weiteren darauf bedacht, dieses Mal alles zu tun, um nicht auch bei dieser AG negativ aufzufallen.
Und ich bin sowieso nicht gerade die prädestinierteste Person dafür, weil ich nicht mal vorhabe, zum Prom zu gehen. Also so überhaupt nicht.
"Keine Sorge, wir können zusammen hingehen. Und, ja, lass dich nicht zu sehr von manchen Leuten irritieren", meint sie mit einem verschwörerischen Lächeln, das ich nicht so recht interpretieren kann. Aber wahrscheinlich meint sie damit einfach die Skater-Typen, oder Henry, der ja unbedingt will, dass Metal gespielt wird.
"Ah ja", entgegne ich gedehnt, während ich auf meinen üblichen Platz in der vorderen Hälfte des Klassenzimmer zugehe. Farley folgt mir, und setzt sich auf den Stuhl neben meinem.
"Ich kenne sogar einen Typen bei der Prom-Vorbereitung. Henry, dieser Metalhead", ergänze ich noch, als ich ebenfalls sitze.
"Uh, komm mir nicht mit dem. Das ist so jemand, der es mich bereuen lässt, dass ich Vorsitzende von diesem Haufen zusammengewürfelter Leute geworden bin. Ganz ehrlich - ", fängt sie an, sich zu beschweren, wird aber auf einmal von Mr Winters, der neben uns stehengeblieben ist, unterbrochen.
"Farley, Nathaniel, es freut mich, dass ihr euch inzwischen so gut versteht", bemerkt er in einem Tonfall, der vermuten lässt, dass er stolz ist, weil er denkt, dies sei der Verdienst seiner pädagogischen Fähigkeiten.
Ich werfe Farley einen perplexen Blick zu, und auch in ihrem Gesicht ist eindeutig der Gedankengang "Was zur Hölle" zu lesen. Erst jetzt fällt mir bewusst auf, dass wir uns wie selbstverständlich nebeneinander gesetzt haben.
"Ähm, ja. Wir haben das wie zivilisierte Erwachsene unter uns geklärt", antworte ich Mr Winters, und zitiere dabei genau die Worte, die er vor zwei Wochen angebracht hat, als Farley diesen respektlosen Kommentar über Macey abgegeben hat, und ich aus seinem Unterricht gegangen bin.
Eigenartig, wie viel sich in so kurzer geändert hat.
Sollte ich mich um Macey's Willen schuldig fühlen, weil ich Farley inzwischen nicht mehr ganz so sehr hasse?
Aber andererseits wäre ich ganz schön gefickt gewesen, wenn sie mir nicht die Sache mit der Prom-Vorbereitung ermöglicht hätte.
Ich bin ihr echt unglaublich dankbar.
Wie wir es nach Ethik verabredet haben, warte ich jetzt - ein paar Minuten nach Unterrichtsschluss - an meinem Spind auf Farley.
Kurz überlege ich, ob es förderlich wäre, ausnahmsweise meinen Mantel hier zu lassen, um einen guten Eindruck bei der AG zu vermitteln. Aber andererseits denke ich, dass es für etwas derartiges bereits zu spät ist, wenn man bedenkt, dass ich seit meinem Freshman-Jahr damit rumlaufe. Es macht einfach keinen Unterschied mehr.
Da sehe ich Farley auch bereits auf mich zukommen. Die Haare hat sie anders als in der Früh zu einem geordneten Knoten gedreht, der sie irgendwie ernsthafter erscheinen lässt.
"So professionell?", frage ich sie deshalb scherzhaft, sobald sie neben mir stehen geblieben ist.
"Dein Auftreten bestimmt, wie du von Menschen wahrgenommen wirst. Und in meiner Rolle als Vorsitzende gehört Professionalität dazu", erklärt sie.
"Ist deine Stellung in der AG der Grund, warum du den Lehrer überzeugen konntest, dass ich beitreten kann?"
Ich erkundige mich danach, weil ich wissen will, woran ich bin, beziehungsweise, wie sicher diese Sache überhaupt ist. Denn wie gesagt, ansonsten habe ich ein großes Problem, das sich kaum lösen lässt.
Warum muss das Ganze ausgerechnet jetzt passieren? Ich hatte wegen dieser Scheiße unter der Woche überhaupt keine Zeit, die Ermittlungen weiterzutreiben.
"Naja, vielleicht war es deswegen nicht so schwer", meint sie mit einer abwinkenden Handbewegung.
Ihr Gesichtsausdruck sagt allerdings etwas ganz anderes als ihre Worte, und ich verstehe, dass es sie durchaus einiges an Betteln und Überzeugungskraft gekostet haben muss. Das lässt mich ihren Einsatz für mich nur noch mehr wertschätzen.
"Auf jeden Fall nochmal danke", entgegne ich lächelnd.
"Schon gut. Ich kann dich ja nicht einfach im Stich lassen", murmelt sie leise, und wird - vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein - ein kleines bisschen rot dabei.
Ich frage mich, was der Auslöser für diese extreme Freundlichkeit war, aber im Grunde interessieren mich die Hintergründe in diesem Moment auch kaum. Es freut mich auf unerklärliche Weise einfach irgendwie.
Farley öffnet die Tür des Raums, in dem augenscheinlich die Prom-Vorbereitung stattfindet, und ich folge ihr ins Innere.
Die Tische und Stühle des sonst gewöhnlichen Klassenzimmers wurden zu einer großen Einheit in der Mitte des Raums zusammengeschoben, an der nun ungefähr fünfzehn Leute Platz haben.
Auch wenn nicht alle Stühle besetzt sind, vielleicht zehn andere Seniors sind anwesend. Unter ihnen auch Henry, die Skater-Typen und diese eine Freundin von Kathrin, die ich damals nach Farley's Alibi gefragt habe.
In einer Ecke des Zimmers sitzt außerdem eine Lehrerin um die fünfzig, die ich zwar vom Sehen kenne, aber nie im Unterricht hatte. Sie schaut nur kurz auf, als Farley und ich eintreten, bevor sie ihre Brille zurechtrückt und sich wieder desinteressiert den Blättern auf dem Tisch zuwendet. Höchstwahrscheinlich irgendwelche Arbeiten, die sie korrigiert.
Die anderen Schüler hingegen sehen überrascht und verwundert, teilweise skeptisch, über mein Erscheinen aus.
Farley bemerkt dies, und fängt an zu erklären:
"Für alle, die sich wundern: Das ist Nathaniel. Er wird uns in den nächsten Wochen ..."
Sie hält kurz inne, um nach einem passenden Wort zu suchen.
"... helfen", beendet sie dann den Satz.
"Ja, hallo", sage ich selbst etwas unbeholfen in die Runde.
Einen Moment lang lassen die Reaktionen auf sich warten, und während einige dann lediglich mit den Schultern zucken, höre ich einen der Skater-Typen - der gleiche wie in Ethik - seinen Kumpels klar und deutlich zuflüstern:
"So kann man sich also hochschlafen."
What the Fuck. Diesem Kerl sollte unbedingt mal jemand erklären, was das Prinzip von 'Flüstern' ist. Ist ihm das nicht irgendwie unangenehm?
Ich schaue Farley an, die ebenfalls nicht sonderlich amüsiert das Gesicht verzieht.
Das peinliche Schweigen im Raum dauert aber zum Glück nicht lange an, denn auf einmal erhebt sich Henry.
"Das sind doch endlich mal gute Neuigkeiten", meint er grinsend und schlägt mir freundschaftlich auf die Schulter, "Denn du vertrittst sicher fast dieselben Interessen wie ich. Egal, ob Gothic oder Metal - Wir müssen doch zusammenhalten."
Eigentlich habe ich schon damit gerechnet, dass er versuchen würde, mich auf seine Seite zu ziehen. Aber ich habe definitiv kein Interesse daran, mich in irgendeine Diskussion zu stürzen, die schlimmsten Falls dafür sorgen könnte, dass ich auch hier hinaus geworfen werde. Es ist klüger, mich von jeglichen Kontroversen fernzuhalten.
Außerdem sagt der eindringliche Blick, den Farley mir gerade zuwirft, ganz eindeutig, dass ich hier in der Tat genauso schnell wieder rausfliegen kann, wie ich reingekommen bin.
"Ähm ... Ich denke, ich sollte mir erst mal einen Überblick bei der AG verschaffen, bevor ich mir irgendeine Meinung bilde", erkläre ich Henry ausweichend.
Er sieht zwar nicht sonderlich glücklich über diese Antwort aus, nickt aber akzeptierend.
Ich folge Farley, die sich an einen freien Stuhl setzt, und nehme einfach mal neben ihr Platz. Da niemand anderes mehr auftaucht, scheinen wir sowieso die Letzten gewesen zu sein.
Zu meiner Linken sitzt ein etwas korpulenter Typ mit fettigen, braunen Haaren. Er trägt ein T-Shirt, auf dem die amerikanische Flagge und der Schriftzug 'Proud American' abgebildet sind.
"Ich bin Ronan", stellt er sich mir vor, "Weißt du, es interessiert mich allgemein wenig, welche Musik gespielt wird, solange sie nur richtige, amerikanische Werte vermittelt. Allerdings muss zumindest zu Beginn die Hymne gespielt werden. Das ist meiner Ansicht nach einfach obligatorisch. Was hältst du davon?"
Oh je, ich ahne, worauf das hier hinausläuft. Anscheindend versuchen jetzt alle, mich - ein unbeeinflusstes, neues Mitglied - auf ihre Seite zu ziehen, damit ich sie in ihrem Interesse unterstütze. Und dieser Ronan will wohl eine patriotische Veranstaltung aus dem Prom machen.
"Seid mal bitte alle leise", meldet sich dann allerdings Farley in einem bestimmenden Tonfall zu Wort, weshalb ich glücklicherweise einer Antwort entkomme.
Sie wartet eine Weile, bis wirklich alle Anwesenden zur Ruhe gekommen sind, um dann fortzufahren:
"So, unser erster Punkt für heute ist ..."
Erneut hält sie inne, diesmal um nach ihren Notizen zu kramen.
" ... die Musik."
Letzteres erfolgt in einem ziemlich demotivierten Ton, was sich wohl damit begründen lässt, dass natürlich sofort Henry was dazu zu sagen hat.
"Meine Ansicht habe ich ja schon mehrfach erläutert. Aber ich kann es gerne nochmal wiederholen. Also, die Wahrheit ist doch, dass kaum einer diese weichgespülte Popmusik, die sonst gespielt wird, leiden kann. Ich kenne zumindest wirklich niemanden. Metal hingegen ist ein wahnsinnig beliebtes und vielseitiges Genre. Allein die ganzen Subgenres - Death Metal, Heavy Metal, Trash Metal, Gothic Metal ..."
Bei letzterem schaut er besonders mich an, wohl in der Hoffnung, dass ich ihn doch noch unterstütze. Ich sollte ihn bei Gelegenheit vielleicht mal darauf hinweisen, dass ich persönlich wirklich nicht der größte Metal-Fan bin. Und ich habe in der Zeit, als ich mit Eileen zusammen gewesen bin, genug davon gehört, um mir eine reflektierte Meinung gebildet zu haben.
"Ich denke, wir haben alle deinen Punkt verstanden. Ändert nichts daran, dass dies nicht in Frage kommt", unterbricht Farley genervt seine Aufzählung.
"Aber - ", will Henry gerade wieder ansetzen, als ihm so ein braunhaariges Mädchen, mit dem ich, glaube ich, irgendwann schon mal einen Kurs zusammen hatte, ins Wort fällt.
"Meine Güte, lasst uns doch einfach ein oder zwei Metal-Songs spielen, damit er sich zufrieden gibt, und wir endlich aufhören können, darüber zu diskutieren", schlägt sie versucht diplomatisch vor.
Noch bevor Farley wieder Einspruch erheben kann, springt irgendein blondes Mädchen, das so aussieht, als hätte sie es ursprünglich bei den Cheerleadern versucht, ungehalten auf.
"Niemals! Wie stellst du dir das bitte vor? Es gibt doch nichts unromantischeres, als wenn auf einmal, während du mit deinem Date tanzt, irgendwelches unmenschliche Gekreische erklingt!"
"Hey, das Growling erfordert viel Talent und Übung", wirft Henry empört ein.
"Sicher doch", entgegnet das blonde Mädchen voller Ironie, setzt sich aber zumindest wieder.
"Was soll denn deiner Meinung nach gespielt werden, Tiffany? 'Breaking Free' aus 'High School Musical'?", fragt Henry spöttisch.
"Das wäre in der Tat eine gute Idee", entgegnet sie vollkommen ernst, "Allgemein könnten wir uns an ähnliche Lieder halten. Ihr wisst schon, so aus Filmen wie 'Titanic' oder 'Pretty Woman' ... "
Ich beuge mich zu Farley und flüstere, für niemanden sonst hörbar:
"Warum nicht gleich 'Fifty Shades of Grey'."
Meine Aussage bringt sie zu einem Lächeln, das sie aber schnell versucht, vor den Anderen zu verbergen.
"Wir verschwenden viel zu viel Zeit damit. Das einzig relevante ist doch die Hymne. Sowohl die amerikanische, als auch die von Colorado. Was wir außerdem spielen könnten - nein, sollten- , ist 'God Bless America'", meint Ronan.
Das blonde Mädchen - Tiffany - verdreht die Augen.
"Auch das ist nicht gerade romantisch. Vielleicht versteht jemand wie du das nicht, aber ich will, dass der Prom ein perfektes Ereignis wird. Alles muss stimmen. Die Musik, die Deko ... Und ich finde, dass ein strikter Dress-Code eingeführt werden muss. Damit nicht irgendwer von den Typen auf die Idee kommt, in etwas anderem als einem Smoking aufzutauchen. Das bedeutet: Keine schlabbrigen T-Shirts ... "
Dabei wandert ihr Blick zu den Skater-Typen, die vor Langeweile mehr auf ihren Stühlen liegen als sitzen.
"... keine Band-Shirts ..."
Ihre Augen haben sich weiter zu Henry bewegt.
"... Und auch keine seltsamen Mäntel."
Dabei sieht sie natürlich mich an.
Und würde es nicht möglicherweise meine rettende Mitgliedschaft in der AG gefährden, könnte ich ihr jetzt gerne mitteilen, dass ich sowieso nicht auf dem Prom aufkreuzen werde, aber was soll's.
Ich frage mich, ob wir bis dahin bereits Macey's Mörder gefunden haben werden. Das Schuljahr geht nicht mehr allzu lange, und die Zeit um die Finals wird sowieso schon stressig. Wir geraten bald unter Druck, den Täter rechtzeitig zu finden, bevor wir die Schule verlassen, und dann kaum mehr eine Chance haben. Scheiße.
"Stop! Wir sollten bei der Musik bleiben. Also ich schreibe einfach mal 'Metal' und 'National Anthem' auf", fasst Farley die Vorschläge zusammen, aber mit eindeutigem Widerwillen.
Ich merke ihr an, wie sie versucht, einen Grad zwischen ihrer Sachlichkeit als Vorsitzende und ihrer eigenen Meinung zu finden, was ihr aber nur gering gelingt.
"Gut, gut, dann können wir uns den wirklich wichtigen Dingen zuwenden: Den Getränken", verkündet ein anderer Typ.
Ich kenne ihn nicht wirklich, weiß aber, dass er Fabrizio heißt, und von jeglichen Klassenfahrten und Schulausflügen ausgeschlossen ist, da er irgendwann mal bei einer derartigen Veranstaltung Alkohol reingeschmuggelt hat.
Als das damals die Runde gemacht hat, habe ich scherzhaft zu Macey gesagt, dass es eigentlich eine Überlegung wert sei, absichtlich auch so eine Aktion zu bringen, um eine Legitimation zu haben, nicht mehr bei solchen Fahrten teilnehmen zu müssen. Eine Idee, die ich dummerweise nie in die Tat umgesetzt habe.
"Das ist doch schon geklärt. Wir haben bereits bei der letzten Sitzung ausgemacht, wer sich darum kümmert", bemerkt die Freundin von Kathrin.
Fabrizio verdreht die Augen.
"Du weißt, was ich meine. Richtige Getränke."
Da blickt erstmals im Laufe des Treffens auch die Lehrerin von ihren Arbeiten auf.
"Zum letzten Mal: Kein Alkohol", befiehlt sie monoton.
Ihr Tonfall lässt vermuten, dass sie ungefähr genauso gerne hier ist, wie die Skater-Typen.
"Aber was wäre, wenn wir doch Alk in den Punsch oder die Cocktails tun? Hätte das Konsequenzen?", hakt Fabrizio weiter nach.
Ich blicke kurz zu Farley, und stelle fest, dass ein leichtes Grinsen auf ihren Lippen liegt, so als würde sie Fabrizio's Interesse insgeheim unterstützen.
Ich verkneife mir jegliche Reaktion oder zynischen Kommentar.
"Ja, das hätte es", erklärt die Lehrerin, aber aufgrund ihres unmotivierten Tonfalls kommt es nicht gerade überzeugend rüber.
"Und was, wenn rein zufällig etwas reinkommt?", beharrt Fabrizio immer noch, versucht unschuldig zu erscheinen.
"Worüber wir auch noch sprechen müssen, ist die Wahl der Prom-Queen und des Prom-Kings", fängt Tiffany ein neues Thema an, und ignoriert Fabrizio, wodurch die Alkohol-Diskussion beendet wird.
Sie stützt ihr Gesicht in die Hände, und bekommt auf einmal einen ganz verträumten, realitätsfernen Blick.
"Ich kann es mir schon so gut vorstellen ... Es ist ja keine Frage, dass Bradley Johnson Prom-King wird. Und, ach, es wäre mein größter Traum, wenn ich an seiner Seite die Prom-Queen wäre ... Wir würden gemeinsam tanzen, und dann zusammen in einer Limousine in den Sonnenaufgang fahren ..."
Ähm ... Was zur Hölle. Diese Aussage trieft so vor Kitsch, dass sie mir beinahe physische Schmerzen bereitet.
Den Skater-Typen scheint es ähnlich zu ergehen, denn sie stöhnen entnervt. Ich hingegen beschränke mich lediglich auf eine hochgezogene Augenbraue und einen verzerrten Gesichtsausdruck.
Ich wende erneut den Kopf in Farley's Richtung, und bemerke, wie diese Tiffany einen angepissten Blick entgegen schleudert. Es ist offensichtlich, dass sich dieser auf die Sache mit Bradley bezieht.
Ich verstehe es nicht. Wieso ist er ihr immer noch so wichtig? Er hat sie gestern nur noch einmal mehr wie den letzten Dreck behandelt.
"Wir werden die Wahl genauso wie all die anderen Jahre zuvor machen. Also gibt es da nichts zu besprechen", stellt sie harsch fest.
"Da hat sie ausnahmsweise Recht", unterstützt Henry in diesem Fall Farley's Seite, "Du wirst nicht anfangen, deine Position zu missbrauchen und die Wahl zu manipulieren, Tiffany."
Anscheinend nimmt er es ihr immer noch übel, dass sie vorhin die nötige Begabung für seine Lieblingsmusik in Frage gestellt hat.
"Behauptest du etwa, ich wäre eine Betrügerin?!", ruft diese empört.
"Beruhigt euch bitte", kommt es aus der Ecke, in der die Lehrerin sitzt.
Schmollend verschränkt Tiffany die Arme vor der Brust und schaut Henry weiterhin giftig an, der seinerseits herausfordernd zurückstarrt.
"Okay, stop. Wer hier da ist, um Streitereien loszureißen, soll sofort nach Hause gehen. Vielleicht wenden wir uns dem Punkt Essen zu", meint Farley absolut genervt.
Mit diesem Themenwechsel scheinen alle einverstanden zu sein, und der Rest der Prom-Vorbereitung verläuft überraschender Weise ohne weitere eskalierende Meinungsverschiedenheiten.
"Okay, also mir ist klar geworden, was du damit gemeint hast, dass ich mich nicht von manchen Leuten dort irritieren lassen sollte", sage ich zu Farley, sobald wir das Klassenzimmer verlassen haben, und auf dem Weg zu den Bushaltestellen sind.
Sie antwortet nicht, sondern lächelt nur erschöpft und etwas nachdenklich, als würde sie sich fragen, warum sie sich das eigentlich wöchentlich antut.
Ich persönlich fand es eigentlich ganz unterhaltsam bei der Prom-Vorbereitung, aber ich musste mich ja auch nicht maßgeblich beteiligen. Mal davon abgesehen hätte ich mich sowieso mit allem zufrieden gegeben, nur um ein Wahlfach zu finden.
Ohne Farley wäre ich wirklich aufgeschmissen gewesen.
Schweigend laufen wir weiter nebeneinander zum Ausgang der Schule.
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