Kapitel 1: Farley


Letzten Samstag

"Meine Güte, oben sind die Zimmer", fauche ich ein Pärchen an, während ich mich mithilfe von Ellbogeneinsatz an ihnen vorbeischiebe. Mich nicht beachted küssen sich die beiden weiter. Es könnte natürlich sein, dass sie mich wegen der laut wummernden Musik nicht gehört haben, doch meinen Ellbogen hätte der Junge schon spüren müssen. Die Küche ist zum Glück nicht so überfüllt, wie ich dachte. Auf einem Tisch in der Mitte des Raumes steht mein Ziel. Ein paar Flaschen Alkohol und ein paar zum mischen.

"Hi, Farley", begrüßt mich ein Junge mit lauter Stimme, um die Musik zu übertönen. Ich glaube, ich habe ihn auf der letzten Hausparty kennengelernt, allerdings habe ich seinen Namen wieder komplett vergessen. Hoffentlich werde ich ihn nicht brauchen.
"Hallo, was machst du hier?", frage ich ihn.
"Naja, man hat mich als Barkeeper eingespannt."
"Was kannst du mir dann empfehlen, ach so toller Barkeeper?"
"Also wir haben Vodka, Jack Daniels und Bacadi. Allerdings gibt es auch für besondere Gäste noch etwas anderes." Er zwinkert mir verschwörerisch zu und deutet auf ein offenes Fenster, wo von zwei Typen ein auffällig süßlicher Geruch wabert. Das ist jetzt wohl die Qual der Wahl. Aber eigentlich läuft die Party gerade ziemlich gut. Die Stimmung passt einfach. Ich glaube, dass es mehr Spaß machen würde, wenn ich mir einen offeneren Charakter antrinke.
"Ein Vodka-Rasberry", teile ich ihm mit.
"Kein Weed heute?", lacht er.
"Naja, ich habe nicht wirklich Lust quasi in Zeitlupe zu leben, während alle anderen voll in Party Stimmung sind."
"Wo du Recht hast, hast du Recht", lacht er weiter, während ich das Getränk entgegen nehme. Ach du meine Güte, der muss auch bereits etwas genommen haben, so oft wie der lacht.

Als ich die Küche verlasse, kommt mir gerade Grace entgegen. Ich würde uns nicht als wirkliche Freunde bezeichnen. Eher als Zweck-Freunde. Denn sie wollte unbedingt zu einer Hausparty gehen und ich wollte einen Ort zu schlafen haben, der nicht zu hause ist, damit meine Eltern nicht merken, dass ich mehr als nur ein bisschen getrunken habe. Deswegen habe ich uns das hier organisiert und dafür kann ich heute bei ihr zu Hause pennen.
"Wie kannst du nur einfach so weggehen? Hier sind ein Haufen Leute, die ich alle nicht kenne", fragt sie mich.
"Naja, dafür bist du doch hier. Um neue Leute kennen zu lernen", erwidere ich abgelenkt. Denn eigentlich suche ich jemanden bestimmtes. Während mir Grace irgendetwas von wegen, dass man den Leuten doch vorgestellt werden muss, erzählt, gehe ich zielstrebig auf ein Sofa im Wohnzimmer zu und lasse mich darauf niederfallen.

Da ich ihn im Moment nicht sehen kann, krame ich mein Handy aus meiner Tasche, um zu sehen, ob Bradley irgendetwas in seine Story getan hat, einen Snap geschickt hat, oder was auf Insta gepostet hat. Einfach ob es irgendeinen Lebenszeichen von ihm gibt. Immer noch nichts. Aber was habe ich auch erwartet, dass er nach dem Tod seiner Freundin einfach weitermacht als wäre nichts gewesen? Irgendwie schon, schließlich hat er auch mit seinem Leben weitergemacht, als hätte es nie etwas zwischen uns gegeben. Nichtmal entschuldigt hat er sich, als er mich eiskalt stehen gelassen hat. Und warum sollte ihm mehr an dieser Schlampe liegen, als an mir. Sie war sowieso nur ein Abklatsch von mir und abgesehen von ihrer kleinen Nerd-Gruppe konnte sie eh niemand ausstehen. Ich trinke einen guten Schluck von meinem Getränk um mich wieder zu beruhigen. Dieses Mädchen hat keinen weiteren Gedanken von mir verdient. Natürlich muss ich immer andächtig den Kopf senken, wenn irgendjemand sie erwähnt und wehleidig reinblicken. Aber niemand muss wissen, dass in Wahrheit sich mir immer eine wohlige Wärme bei dem Gedanken an ihren Tod ausbreitet. Ob ich deswegen als Psychopathin beschuldigt werde kann, kann ich auch nicht beantworten, aber ich freue mich bereits, wenn die Angst wegen des Mörders von Macey auch wieder von Bradley legt. Eigentlich sollte es ihn nicht interessieren ob diese Schlampe nun ermordet wurde, oder nicht, weil sie es verdient hätte ganz im Game of Thrones Stil erst gehäutet und dann an ein Kreuz aufgehängt zu werden. Mit zwei großen Schlucken leere ich mein Glas.

"Willst du mitkommen, was zu trinken zu holen?", frage ich Grace. Sie nickt und begleitet mich mit in die Küche.
"Was darf es dieses Mal sein?", fragt mich der Junge von vorhin.
"Hat jemand Lust mit mir zu exen?", frage ich Grace und den Jungen hinter der Bar.
"Ich bin dabei", meldet sich der Typ.
"Ich auch", murmelt Grace. Es ist offensichtlich, dass sie noch nie einen Shot probiert hat.
"Tequila?", fragt er. Ich nicke bloß als Antwort.
"Hat jemand exen und Tequila gesagt?", fragt ein großer Junge von hinten plötzlich.
"Du auch, Adam?", erkundigt sich der hinter der Bar. Diese Frage ist schon ein bisschen unnötig, da die Antwort offensichtlich 'Ja' ist.
"Und du bist... ?", fragt Grace gleichzeitig.
"Ich bin einer derjenigen, der das hier ins Leben gerufen hat. Der Cousin des Kumpels von Farley. Schön, dass man immer alle Leute so gut kennt", grinst er, den letzten Satz offensichtlich ironisch gemeint.
"Hey, Farley hat nur irgendwie gesagt, dass das so von jemanden, den sie kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, aus der Familie ist", verteidigt sie sich.
Der Junge hinter dem improvisiertem Tresen verteilt die Gläser.
"Leider haben wir weder Zitrone, noch Salz, also auf drei."
Es ist ziemlich witzig anzusehen, wie Grace erstmal anfängt, wie verrückt zu husten, während die zwei Jungs und ich nicht mal mit den Wimpern gezuckt haben.
"Ja, das erging mal allen so", meint Adam zu Grace, während der Typ hinterm Tisch wieder damit beschäftigt ist, anderen Leuten auszuschenken. Als er wieder eine freie Hand hat, bitte ich um das gleiche wie vorher. Als ich mit meinem Getränk wieder nach draußen gehe, um nach anderen Leuten, die ich kenne, Ausschau zu halten, hat sich Adam uns angeschlossen.
"Leute, ich muss aufs Klo. Kommst du mit, Farley?", fragt mich Grace.
"Sorry, aber das dauert immer ewig bis man drankommt, weil ein Haufen Pärchen davorstehen."
"Oke, bin dann gleich wieder da, treffen wir uns gleich wieder genau hier?" Ich nicke nur.

Sobald sich Grace um die nächste Menschentraube geschoben hat, fängt dieser Typ namens Adam ein Gespräch an: "Und du bist... ?"
"Farley. Hast du nicht etwas zu tun, oder so?", frage ich ihn, weil es mir seltsam erscheint, dass der Gastgeber sich mit jemanden, den er nicht kennt, rumtreibt. Es sei denn... er will was von mir.
"Naja, ich will dich, nachdem deine Freundin gegangen ist, nicht einfach so alleine lassen. Komm, wie wäre es, wenn wir tanzen gehen."
"Nein, ich kann das nicht wirklich", rufe ich empört, doch er zieht mich bereits mit sich zur freigemachten Tanzfläche.
"Komm schon, tu es für mich", bittet Adam.
"Oke, aber nur kurz und auf gar keinen Fall so wie die da drüben", gebe ich mich geschlagen, während ich auf ein Mädchen deute, das ihren Hintern gegen die Beule eines Jungen drückt.
"Keine Sorge", lächelt er. Er nimmt nur meine eine Hand, weil ich immer noch in der anderen meinen Plastikbecher halte, und fängt an sich im Takt zu bewegen. Tatsächlich kann er es ziemlich gut und während langsam die Welt um mich zu schwanken anfängt, bewege ich mich ausgelassen mit.

Er hebt seinen Arm um mich drunter drehen zu lassen. Und genau diese Bewegung wirft mich zu meiner erster Party zurück. Zurück zu Bradley. Er hat genau so den Arm gehoben und als ich unten durch geschlüpft bin, hat er mich an der Hüfte gepackt und mir einen sanften Kuss auf die Lippen gedrückt. Das war das erste mal. Seine Lippen auf meinen und meine Welt war perfekt. Alles war vergessen, bis auf dieses Gefühl, als ob meine Organe wegfliegen würden. Bradley hat mich immer wegen diesem Vergleich ausgelacht, aber für mich hat es sich einfach so angefühlt. Mir war es egal, dass er beliebt ist, mir war es egal, dass alle Mädchen über ihn schwärmen. Ich wollte nur ihn. Doch dann musste all das in die Brüche gehen. Alles was ich besaß, alles was ich war, wurde mir von ihr gestohlen. Diese Bitch hat Bradley so verdorben, dass er mich mit ihr betrogen hatte. Macey hat mir alles genommen, und da ist es nur recht, dass auch ihr das wertvollste genommen wurde. Das Leben. Doch anstatt wie ich anfangs gedacht hatte, kam Bradley nicht zu mir zurück gerannt, sondern verzieht sich bereits seit fast einem Monat in sein Haus.

Aber ich werde mich davon nicht runterziehen lassen. Es gibt doch auch noch andere. Adam zum Beispiel. Und er sieht echt nicht schlecht aus. Mit seiner dunklen Haut, diesem kantigen Gesicht und dann im Kontrast dazu seine süßen Augen mit der Farbe von Zartbitterschokolade ist er definitiv nicht schlecht aussehend. Auch wenn er vorher aus irgendeinem Grund nicht so gut aussah. Ob das wohl am Alkohol liegt? Auf jeden Fall habe ich gerade extremst Lust darauf, mit irgendjemanden rumzumachen. Doch wie kriege ich ihn dazu?
"Du, Adam, lass uns irgendwo hingehen, wo es nicht so voll ist", versuche ich ihm subtil meinen Plan mitzuteilen.
"Äh, ja, is oke", meint er. Als wir von der Tanzfläche gehen, tue ich so, als ob ich bereits ziemlich dicht bin, um mich näher an ihn anzukuscheln, auch wenn ich noch problemlos alleine gerade aus laufen könnte. Langsam schieben wir uns an den ganzen Menschen vorbei. Ich drehe mich zu ihm, um nochmal ein Gespräch anzufangen, als ich plötzlich über etwas stolpere. Verzweifelt rudere ich mit den Armen, aber es ist bereits zu spät, denn ich knalle mit Gesicht voraus zwischen die ganzen Beine. Offensichtlich hat der Alkohol doch bereits seine Wirkung gezeigt, denn normalerweise hätte ich mich noch gefangen.
"Geht es dir gut?", fragt ein Mädchen neben mir, " 'tschuligung, dass du über mein Bein gestolpert bist."
"Alles in Ordnung", nuschel ich. Mit Absicht bliebe ich etwas länger liegen, so als ob es scheint, dass ich bereits ziemlich angetrunken bin.
"Ich denke, du brauchst Hilfe", meint Adam und greift mir unter die Arme, um mich hochzuziehen.
"Du, normalerweise bin ich nicht so. Eigentlich vertrage ich inzwischen ziemlich viel. Allerdings habe ich noch nichts gegessen. Und auf leeren Magen zu trinken ist immer eine schlechte Idee", erkläre ich ihm.
"Oh, nein. Dein Shirt!", ruft Adam plötzlich. Verwirrt schaue ich an mir herab. Und rufe auch im nächstem Moment: "Nein, der gute Alkohol!"
"Das meinte ich nicht, ich meine eher den Fleck. Komm sofort mit, sonst wird der bleiben."
"Oh nein, mein Shirt."
Als ich hingefallen bin, hat sich der restliche Inhalt meines Bechers auf meinem Shirt ausgebreitet und bildet jetzt einen roten Fleck direkt auf meiner Brust.
"Du bist ja eine Schnell-Checkerin", lacht Adam, während er mich mit sich in einen Raum neben der Treppe zieht.

Er ist ziemlich klein und mit Putzsachen vollgestellt.
"Willst du mich etwa hier vergewaltigen?", frage ich spaßhaft.
"Nein, Dummerchen, hier ist ein Lappen um das wegzumachen. Entschuldigung, falls wir uns dabei aneinander quetschen müssen, aber die Tür sollte zubleiben, damit keine Leute reinkommen."
"Oh, nein, mir macht es definitiv nichts aus." Ich schaue lächelnd auf und drücke mich näher an ihn.
"Jetzt sag mir mal, warum du dich hier mit mir rumtreibst", lächle ich. So jetzt kann er doch endlich sagen, dass er mich hübsch findet und dann können wir uns in dieser Kammer küssen und bis morgen wieder alles vergessen.
"Naja, meine Freunde haben bereits irgendwelche Mädchen am Start und da will ich nicht stören."
"Aso. Ich bin mir sicher dass du heute auch noch eines finden wirst."
"Meinst du", murmelt er und schaut mir direkt in die Augen.

Genau in diesem Moment lehnt er sich vor. Ich sehe das einfach mal als Aufforderung und komme ihm mit meinen Lippen entgegen. Irgendwie ist er ein sehr schlechter Küsser. Er legt nichtmal seine Arme um mich herum. Ich diesem Moment spüre ich wie er mich wegschiebt.
"Hey, du, lass mal. Eigentlich wollte ich nur das Tuch hinter dir holen. Wegen deinem Fleck", meint er verlegen. Schockiert schaue ich ihn an. Außer Bradley hat mich noch nie ein Junge abgewiesen.
"Weswegen willst du mich nicht küssen, bin ich etwa nicht hübsch genug? Du hast aber auch keine Freundin, oder?", frage ich.
"Nein. Du bist echt hübsch. Aber...." Er lächelt verlegen und ich kann sehen, wie rot er anläuft, trotz seiner dunklen Haut.
"Soll ich dann etwa mehr Boobies zeigen?", rufe ich verzweifelt und ziehe demonstrativ mein T-Shirt runter.
"Nein, bitte nicht. Das ist eher kontraproduktiv", meint er trocken.
"Hä?"
"Weißt du, ich stehe nicht auf Brüste" Langsam dämmert es mir, was los ist.
"Du bist doch nicht etwa...", frage ich über mich selbst entsetzt.
"Schwul? Also, äh, ja."
Lieber Herr im Himmel, mach, dass sich ein Loch unter mir auftut. Sofort! Ich starre ihn gefühlt eine Ewigkeit an, bevor ich auf dem Absatz kehrt mache und mit einem gemurmeltem "Tut mir echt leid" die Tür aufreiße und verschwinde.

Das war peinlich. So peinlich. Warum muss sowas mir passieren. Das darf doch nicht wahr sein! In diesem Moment kommt mir Grace entgegen. "Farley, warum seid ihr schon wieder abgehauen. Oder, Moment mal, du siehst echt... gefickt aus? Was habt ihr denn gemacht? Oh, man, ihr habt doch nicht etwa...", fragt sie unwissend. Das macht alles noch schlimmer. Ich schaue sie nur ganz kurz an und meine matt: "Ich brauche Alk. Sofort!"

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