*5. Unerwartete Diagnose

Vom Krankenbett aus beobachtete Julie die Tür von Madam Pomfrey's Büro. Die Besserungen, die sie anfangs während des Trinkens des Zaubertrankes vernommen hatte, waren verschwunden und sie fühlte sich noch ein kleines bisschen schlechter als zuvor. Auch wenn sie es nie von selbst zugeben würde, die Reaktion der Heilerin hatte Julie verunsichert. Diese Verwunderung, fast Entsetzen in den Augen der alten Frau machten Julie Angst.

Es dauerte viel zu lange für Julies Geschmack, bis Madam Pomfey wieder aus ihrem Büro kam. Die beiden Jungen folgten ihr und verließen eilig den Raum. Erkennen konnte Julie sie immer noch nicht, aber sie war sich sicher, dass der eine strahlend blonde Haare hatte, während der andere eher dunkelhaarig war.

„Miss Llewellyn?" Julie hob ihren Kopf leicht an, was sie kurz darauf bereute, da sie ein starkes Schwindelgefühl überkam.

„Ich bin zwar keine Expertin auf dem Gebiet von Muggelkrankheiten, aber ich würde mir trotzdem gerne ihr Blut näher anschauen", meinte Madam Pomfrey sanft, was für Julies Geschmack nicht gerade zu der Botschaft passte. Doch sie stimmte der Sache zu, weswegen sie auch schon wenig später eine Nadel im Arm hatte. Weh tat es wider aller Erwartungen nicht, doch sie fühlte sich noch ein kleines bisschen schwächer als zuvor. Als Madam Pomfrey scheinbar genug Blut von Julie hatte, verschwand sie wieder in ihren Büro, um irgendwelche Untersuchungen durchzuführen.


„Geht es dir besser?", fragte Mary, die während der Pause kurz nach ihrer Freundin sehen wollte. Julie knirschte nur mit den Zähnen. Sie wusste noch immer nicht, was sie hatte und sie wurde langsam wirklich ungeduldig, zumal sie dieses blöde Krankheitsgefühl loswerden wollte. Mittlerweile hatte auch ihr Hals beschlossen auf die Seite der Kranken zu wechseln, was ihr das Reden nicht gerade angenehm gestaltete.

„Seh ich so aus?", antwortete Julie verärgert. Mary schüttelte lächelnd den Kopf, was Julie nicht gerade glücklicher machte.

„Ich weiß noch nicht, was ich jetzt überhaupt habe", erklärte sie verärgert. Mary sah sie mitfühlend an und ließ sich auf die Bettkante nieder.

„Und wann bekommst du Auskunft darüber?", fragte sie. Julie zuckte mit den Schultern und drehte sich gequält auf die Seite, wodurch ihre pechschwarzen Haare ihr ins Gesicht fielen. Die beiden Mädchen verfielen in Schweigen. Julie hörte Mary mehrmals tief einatmen, als ob sie etwas sagen wollte, doch sie blieb still. Das Schwindelgefühl breitete sich in Julie aus, dass sie langsam nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war. Einmal fürchtete sie aus dem Bett zu fallen, obwohl sie regungslos dalag. Es wurde alles zu viel. Ihre Finger krallten sich in das Bettlaken und sie vergrub ihr Gesicht in dem Kissen. Sie spürte wie sich eine Hand auf ihre legte, aber sie blieb verkrampft.

„Clarisse hat vorhin mit mir reden wollen", fing Mary beruhigend an zu erzählen. „Ich habe irgendwie die ganze Sache nicht durchdacht. Es ist doch klar, dass wir die nicht loswerden, ohne dass wir sie vor dem Kopf stoßen und verletzen." Etwas, was in Marys Stimme mitschwang, zeigte Julie, dass es ihrer Freundin ernst war, ihre blauen Augen sich langsam mit Tränen füllten. Mary wollte einen neuen Freundeskreis, aber sie hatte den Aufwand unterschätzt, sie wusste nicht, wie viel man dafür aufgeben musste, wie viele Menschen man damit verletzte, aber dennoch hielt sie ihre Entscheidung umklammert. Und das machte Mut aus, wie Julie fand. Trotz Angst weiterzugehen.

„Alles hat seinen Preis", sagte sie gedämpft vom Kissen, ohne sicher zu sein, dass sie verstanden wurde. Julie vernahm Schritte, die sich ihr näherten und schließlich die Stimme der Heilerin: „Ihre Beschwerden sind zwar weniger darauf hindeutend, aber ich konnte ganz klar Epstein-Barr-Virus-Antikörpern nachweisen."

„Was?", fragte Mary sehr geistreich, da diese genau so wenig von dem Gesagten verstanden hatte wie Julie selbst. Madam Pomfrey seufzte.

„Ich bin mir sicher, dass Sie sich nichts beim Quidditch eingefangen haben, Miss Llewellyn", sagte sie, „Sie haben nämlich die Kusskrankheit, auch Pfeiffersches Drüsenfieber genannt." Julie drehte sich ruckartig zu der Heilerin und konnte aus dem Augenwinkel Marys fassungsloses Gesicht sehen. Der Schwindel wurde wieder unerträglich, Julie vergrub ihre Finger wieder im Laken und kniff die Augen zusammen.

„Ich habe aber niemanden geküsst", sprach sie so sachlich, wie es ihr möglich war.

„Demnach liegt wahrscheinlich eine Tröpfeninfektion vor", meinte Madam Pomfrey geduldig.

„Könnten sie bitte mit dem Fachchinesisch aufhören", rief Julie verzweifelt, „ich kenne mich auf dem Gebiet Krankheiten so überhaupt nicht aus!" Sie sah die Heilerin zucken und fast ein bisschen empört den Mund verziehen, doch dann setzte sie wieder ihren sanften Blick auf und fing an zu erklären, sodass es auch die beiden Schülerinnen verstehen konnten.


„Kann ich dann gehen?", fragte Julie gequält. Sie war es Leid Zeit im Krankenflügel zu verbringen und außerdem wollte sie auch nicht zu viel vom Unterricht verpassen, ganz abgesehen von dem Quidditch-Training am Abend. Madam Pomfrey sah Julie überrascht an, schüttelte dann aber den Kopf, als sei es das verständlichste der Welt. War es für alle anderen außer Julie selbst wahrscheinlich auch. Genervt schmiss sie sich ins Kissen und schloss ihre Augen, um dem Blick der Heilerin zu entgehen.

„Sie sind krank, Miss Llewellyn, Sie denken doch nicht wirklich, dass ich Sie in diesem Zustand allein durch die Korridore laufen lasse", meinte sie, während ihr Gesicht wieder diesen sanften Ausdruck annahm, wie sie ihn fast immer hatte.

„Dann tun Sie was gegen meinen Zustand!" Fast schon mitleidig sah Madam Pomfrey Julie an.

„Ich bin keine Expertin auf dem Gebiet von Muggelkrankheiten, das habe ich Ihnen auch schon gesagt. Demnach weiß ich nicht so recht, wie ich sie behandeln soll. Alles was ich für Sie tun kann, ist Ihnen genug zu Trinken zu geben, soweit ich weiß, wegen des Flüssigkeitsausgleich, der bei Ihrem Fieber sehr wichtig ist." Julie runzelte die Stirn. Ihr Blick schien wieder verschleiert und ihr wurde plötzlich ganz kalt.

„Ich habe Fieber?"

„Warum geben Sie ihr dann nicht einfach etwas gegen das Fieber?", fragte Mary verständnislos. Sie hatte schon eine ganze Weile geschwiegen und hing scheinbar ihren Gedanken nach, was Clarisse, Felisha und Patty betraf. Madam Pomfrey allerdings hatte einen Blick aufgesetzt, bei dem sich Julie zusammenreißen musste, um nicht laut loszulachen. Kurz zuckte die Hand der Heilerin, als wollte sie sich sie gegen die Stirn klatschen, was sie dann aber unterließ. Sie stand auf und murmelte etwas, was sich verdächtig nach

„Ich werde langsam echt alt" anhörte. Auf dem Weg zu ihrem Büro drehte sie sich allerdings noch einmal um. „Und Sie, Miss Dearborn, sollten sich langsam in Richtung Klassenzimmer bewegen. In wenigen Minuten fängt der Unterricht an", meinte sie an Mary gewandt. Mary nickte und verschwand genau wie die Heilerin aus dem Raum. Gelangweilt betrachtete Julie ihre Nägel und versuchte sich auf einen Punkt zu fixieren, um nicht das Gefühl von Fall zu bekommen. Ihre Hand zitterte leicht, es war zu kalt.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis Madam Pomfrey wieder aus ihrem Büro kam und wieder einen kleinen Becher mit sich führte, den sie Julie auch sofort reichte. Es war diesmal nur eine klare Flüssigkeit und glich normalen Leitungswasser. Dennoch leicht zögernd führte Julie den Becher an den Mund, konnte aber überrascht feststellen, dass der Trank nur ein bisschen süß war, ansonsten aber wie Wasser schmeckte. Langsam breitete sich eine Wärme in ihr aus und sie konnte spüren, wie ihre Hand aufhörte zu zittern.

„Darf ich jetzt gehen?", wiederholte Julie ihre Frage und schaffte es sogar Madam Pomfrey süffisant anzugrinsen.

▫▫▫

James hob überrascht seinen Blick, als er von seiner Mitschülerin überholt wurde. Er war wie immer spät dran oder wohl besser gesagt zu spät. Er blickte den schulterlangen braunen Haaren hinterher und versuchte sich daran zu erinnern, wem sie gehörten, als es ihm plötzlich wieder einfiel. Mary Dearborn, geboren am 1. Juli 2006, Halblut, noch dazu Gryffindor aus seinem Jahrgang, eine direkte Mitschülerin also. Er hätte sich dafür ohrfeigen können, dass er sie nicht sofort erkannt hatte.
Nur wenige Sekunden vor ihm erreichte Mary die Tür des Klassenzimmers und drückte entschlossen die Klinke hinunter und trat ein. James folgte ihr, wenn auch mit einigen Metern Abstand.

„Sie sind zu spät", meinte Professor Babbling und sie sah alles andere als vergebend aus, „Miss Dearborn, Mister Potter, was haben Sie zu Ihrer Entschuldigung zu sagen?"

„Ich war noch bei Julie im Krankenflügel und habe Madam Pomfrey ein bisschen auf die Sprünge geholfen", erklärte Mary sachlich, doch ein leicht unsicherer Ton war für James deutlich hörbar.

„So? Was fehlt Miss Llewellyn denn, dass sie nicht zu meinem Unterricht erscheinen kann?"

„Hohes Fieber, dass Madam Pomfrey jetzt hoffentlich belämpfen konnte, starker Schwindel-"

„Eine Grippe also", unterbrach die Professorin Mary. Diese schüttelte allerdings den Kopf. „Was dann?"

„ Pfeiffersches Drüsenfieber" Mit diesen Worten setzte sich Mary auf ihren Platz und machte sich alle anderen ignorierend an die Aufgaben. In James' Kopf arbeitete es und er versuchte die Informationen zu verstehen. Er hatte keine Ahnung, was dieses seltsame Fieber sein mochte, doch er begegnete dem auch mit Desinteresse.

„Und was ist mit Ihnen, Mister Potter?", hakte Professor Babbling nach. Er fuhr ich durch die Haare und setzte ein unschuldiges Lächeln aus.

„Professor Longbottom wollte mit mir noch über meine Noten und allgemeines Engagement zugunsten Hogwarts' sprechen", meinte er ohne sich im geringsten anmerken zulassen, dass das eine glatte Lüge war. In Wahrheit hatte er mit Max seinen Streich vorbereitet und nicht zu vergessen waren die Stinkbomben, die er zusammen mit seinem besten Freund in dem Büro des Muggelkundelehrers gezündet hatte.

Er blickte zu seiner Lehrerin, ehe er sich auf seinem Platz niederließ. Er konnte genau sehen, dass sie ihm nicht glaubte, Professor Babbling konnte man nichts vormachen, ihr nicht. James holte sein Buch heraus und versuchte verzweifelt die Runen zu entschlüsseln, doch es wollte ihm wie immer nur in Bruchteilen gelingen. Manchmal fragte er sich selbst, warum er beschlossen hatte, Alte Runen weiterhin zu machen, obwohl er die Prüfung nur um ein Haar bestanden hatte. Aber er musste sich auch eingestehen, dass er lieber alle Fächer gewählt hatte, die er wählen konnte, denn schließlich hatte er nur sechs ZAGs geschafft, was zwar alle bis auf ein Fach waren, aber Verwandlung konnte er aufgrund seines As nicht nehmen, also blieben nur noch Kräuterkunde, Alte Runen, Verteidigung gegen die dunklen Künste, Zauberkunst und Wahrsagen.


Die Tür fiel krachend ins Schloss und einige unregelmäßige Schritte waren zu hören.

„Ich war noch im Krankenflügel", hörte James eine Stimme krächzen und dann ging auch schon Julie vorsichtig zu ihrem Platz in der ersten Reihe. James sah auf. Professor Babbling schien zwar alles andere als wohlgesonnen zu sein, aber sie sagte ausnahmsweise mal nichts. James' Blick wanderte nun wieder auf das Buch und das Stück Pergament, das nur mit einigen kleinen Wörtern gefüllt war.

„Thommy", zischte er seinem Sitznachbarn zu, „was soll dieser ganze Text heißen?" Thommy legte seine Feder auf dem Tisch ab und gab das Pergament wortlos an seinen Sitznachbarn weiter. Dies war einer der Momente, in denen James es nicht bereute sich mit den schlauen Köpfen seines Jahrganges anzufreunden.

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