*29. Quidditch und Geburtstage
Nach einem ganzen Monat voller klirrender Kälte, beobachteten alle fasziniert, wie sich die Sonne einen Weg durch die Wolken bahnte und der Himmel sich klärte. Während die einen Schüler am Fenster klebten, wagten sich viele nach Draußen, um eine Runde über die Ländereien zu drehen. Es war noch immer nicht warm, doch es war warm genug, um ein Stück des Schnees zu schmelzen, wenn auch nicht genug, um den Boden zu sehen.
Julie konnte vom Fenster aus Pfade im Schnee erkennen und eisige Abhänge, an denen sich insbesondere die Erst- und Zweitklässer sammelten, um auf Teppichen herab zu rutschen. Desweiteren sah Julie eine Schneeballschlacht nahe des Sees, welche vermutlich zwischen Gryffindor und Slytherin stattfand. Andere machten sich einen Spaß daraus, den Schnee zu Kugel zu rollen und einen riesigen Schneemann zu bauen. Julie musste bei dem Anblick lächeln. Es war schon eine Weile her, seit es genug Schnee gab um einen Schneemann zu bauen und nun, konnten sie nicht einmal die Schwere des Schnees davon abhalten, einen besonders Großen zu bauen. Doch anstatt ihren Winterumhang anzuziehen und sich in das Getümmel zu stürzen, verharrte sie am Fenster ihres Schlafsaals.
„Warum ich?", schniefte Mary hinter Julie und putzte sich lautstark die Nase. „Dann hat man endlich mal einen guten Tag, um den Schnee zu genießen und ich hab nicht einmal Energie, um das Bett zu verlassen."
Julie drehte sich zu ihrer besten Freundin um, welche elending unter unzähligen Decken in ihrem Bett lag und versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Mary wurde wortwörtlich von der einen auf die andere Nacht krank und wachte so schwach auf, dass sie es nicht einmal fertig brachte, ins Badezimmer zu gehen. Julie hatte Madam Pomfrey an jenem Morgen einen Besuch abgestattet und einen Trank zur Besserung besorgt, doch Mary schien es immer noch ziemlich bescheiden zu gehen.
„Komm schon, es ist nicht deine Schuld, dass du die Grippe hast", versuchte Julie ihre Freundin aufzuheitern, welche allerdings zu schwach war, um Julie überhaupt ein Lächeln zu schenken. Julie setzte sich an die Bettkante und sah dabei zu, wie Mary ihre Augen schließen wollte.
„Kein Schlaf, bevor du nicht dein Glas Wasser ausgetrunken hast", bemerkte Julie und griff nach dem halbvollen Glas Wasser auf Marys Nachttisch. Mary nahm missmutig das Glas entgegen, wobei Julie ihren Arm stützten musste, damit es ihr nicht sofort wieder aus der Hand fiel. Tapfer trank Mary das Glas aus und ließ sich zurück in ihre Kissen fallen, wo sie dem Anschein nach sofort einschlief. Julie stellte das Glas zurück auf den Nachttisch und füllte es mit Aguamenti wieder auf, ehe sie sich vom Bett entfernte und sich ein Buch schnappte. Entspannt fing sie an zu lesen und vergaß alles um sich herum, bis auf einmal die Tür ins Schloss fiel und Annabel und Caitlin hineinkamen. Julie sah auf und bemerkte, dass es bereits dämmerte.
„Du solltest dich beeilen, Julie", flüsterte Caitlin, woraufhin Julie hastig ihr Buch beiseite legte und in ihrem Koffer nach ihrem Quidditchumhang kramte. Ihre Hände zitterten und sie spürte die Aufregung. Nun war endlich der Zeitpunkt gekommen, an dem sie wieder Quidditchspielen konnte, die Besenritte waren auf Dauer nicht zufriedenstellen und Julie war mehr als glücklich, endlich wieder einen Quaffel in der Hand zu halten.
Es dauerte nicht lange, da stand Julie auch schon umgezogen in ihrem Schlafsaal und vergaß in der Eile beinahe ihren Besen, sowie den Trank, den sie auf ihren Nachttisch gestellt hatte. Vorsichtig nahm die Phiole in die Hand und reichte sie mit zitternden Fingern Annabel.
„Madam Pomfrey hat mir den gegeben", erklärte sie. „Er verhindert, dass du dich ansteckst." Annabel nickte und nahm die Phiole entgegen. Da Julie und Caitlin zum Quidditchtraining mussten, hatte Annabel sich bereiterklärt, sich um Mary zu kümmern, welche unter keinen Umständen in den Krankenflügel wollte. Madam Pomfrey hatte Julie ebenso erklärt, dass Mary bestenfalls in ihrem Zimmer bleiben sollte, damit sie sich wohlfühlte und Julie mehrere Phiolen voller Trank gegeben, welche Julie sorgfältig auf den Nachttischen ihrer Zimmergenossinen gelegt hatte.
„Geh schon, Julie, ich weiß, dass du darauf brennst, endlich wieder Quidditch zu spielen", meinte Annabel. Julie und Caitlin ließen sich dies nicht zweimal sagen und verabschiedeten sich hastig von Annabel. Mit breitem Grinsen auf den Gesichtern, stürmten sie die Treppen hinab in den Gemeinschaftsraum und kletterten durch das Portraitloch, um weitere Treppen hinabzusteigen.
„Ich kann es kaum erwarten, wieder zusammen mit dir zu spielen", bemerkte Caitlin. „Mit zwei Jägern sieht das Spielfeld schon ziemlich mager aus, außerdem funktionieren kaum Spielzüge zu zweit." Julie konnte sich bildlich vorstellen, wie viele Probleme Dean und Caitlin beim Training gehabt haben mussten, um überhaupt etwas auf die Reihe zu bekommen, denn vernünftiges Quidditch funktionierte nur mit einem Jäger-Trio. Noch dazu waren Dean, Caitlin und Julie so aneinander gewöhnt, dass es undenkbar erschien, dass einer von ihnen fehlen könnte.
„Und ich kann es kaum erwarten, endlich wieder neue Spielzüge mit euch auszupfeilen", entgegnete Julie und dachte daran zurück, wie sie mit Dean und Caitlin etliche Malen die Köpfe zusammengesteckt hatte, um insebsondere Spielzüge zu erfinden, die die Gegner in die Irre führten, indem sie an bekannte Tricks und Manöver erinnerten.
Es dauerte nicht lange, da erreichten die beiden Mädchen auch schon das Eichenportal und traten in den Innenhof, welcher mit Fußspuren nahezu übersät war. Caitlin warf Julie einen vielsagenden Blick zu und diese beantwortete diesen, indem sie sich auf ihren Besen setzte und sich vom Boden abstieß. Nebeneinander flogen die beiden über den Schnee hinweg, zum Quidditchfeld, auf dem schon ganz schön was los war. Scheinbar waren viele schon eine ganze Weile dort gewesen, um sich etwas Spaß im Schnee zu gönnen, denn Julie erblickte schon von Weitem einen riesigen Schneemann und etliche Schneeengel inmitten des Feldes. Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und wünschte sich, sie wäre diejenige gewesen, die den Schneemann gebaut hätte.
Als Julie neben dem Schneemann landete, wurde sie auch sofort von einem Schneeball getroffen. Wütend sah sie sich nach dem Übeltäter um und erkannte Lucas, wie er versuchte, sich aus dem Staub zu machen. Konsequent griff sie eine Hand voll Schnee und rollte ihn zu einer Kugel, ehe sie Lucas hinterherrannte.
„Komm schon, sei kein Weichei!", rief sie ihm hinterher und warf schließlich den Schneeball nach dem Hüter, ehe sie in dem relativ hohen Schnee stolperte und sich der Länge nach auf die Nase legte. Sie hörte, wie Lucas lachte und sie konnte selbst nicht anders, als ihren Stolz einmal sein zu lassen und über ihre eigene Dummheit zu lachen.
„Aufstehen, Schneekönigin!", brachte Lucas hervor und bot Julie sogar eine Hand an, welche sie dankbar ergriff.
„Habe ich dich wenigstens getroffen?", fragte Julie grinsend. Lucas schien zu überlegen, ob er die Wahrheit sagen sollte oder nicht, das konnte Julie genau sehen, doch sie war sich nicht sicher, ob er zu ihrer Freude in Erwägung zog zu lügen, oder um sie enttäuscht zu stimmen.
„Du bist schließlich nicht umsonst eine weltklasse Jägerin", gab Lucas schließlich zu und boxte Julie gegen die Schulter, welche selbstzufrieden lächelte.
„Julie!", ertönte ihr eine sehr bekannte Stimme und hinter dem monströsen Schneemann kam Dean zum Vorschein, welcher klug genug gewesen war, um auf seinen Besen zu fliegen, anstatt im Schnee stecken zu bleiben. Dean landete direkt vor Lucas und Julie, wobei er letztere einmal in die Arme zog. „Gefällt dir mein Schneemann?"
„Ja, ich wollte selbst so einen bauen, aber Mary ist krank und ich musste Bettwache halten", erwiderte Julie und besah sich den Schneemann noch einmal genauer. Die unterste Kugel würde höchstwahrscheinlich ihr gesamtes Zimmer in Woodcroft einnehmen, während die zweite Kugel wohl mit ach und krach hineinpassen würde. Außerdem hatte Dean irgendwie eine noch gigantischere Karotte auftreiben können und als Julie das Gesicht eingehender betrachtete, fiel ihr auf, dass die schwarzen Punkte alle möglichen Dinge waren, von Spitzhüten bis hin zu Schuhen.
„Oh, wünsch ihr gute Besserung von mir, ja?", meinte Dean. „Und wenn du willst, Julie, können wir morgen zusammen einen weiteren Schneemann bauen!" Dean hatte sein unverbesserliches Grinsen auf dem Gesicht und obwohl Julie wirklich gerne einen Schneemann bauen wollte, wollte sie nicht wissen, wie lange es in Deans Anwesenheit dauern würde.
„Kommt darauf an, ob es Mary morgen besser geht, was ich bezweifle, aber danke für das Angebot", erwiderte Julie. Nahezu im selben Moment, entdeckte sie Potter vor dem Schneemann, wie er a sich Mühe gab, alle zusammenzutrommeln. Synchron mit Lucas und Dean schwang sie sich auf ihren Besen und flog wieder zurück zum Schneemann. Caitlin, Patty und Max waren bereits dort, als die drei ankamen.
„Okay, wir werden uns langsam aufwärmen", erhob James das Wort und sah jeden einzeln der Reihe nach ernst an. „Und dafür braucht ihr eure Besen nicht." James wies sie an, ihre Besen in die Mitte des Kreises zu legen. Julie legte ihren neuen Rennbesen nur ungern ab, aber was ihr am wenigsten behagte, war inwiefern sie sich ohne Besen aufwärmen sollten. James wiederum schaute ziemlich selbstzufrieden.
„Dean, da dies dein Kunstwerk ist, wirst du der Erste sein!", verkündete James hämisch grinsend. Dean erwiderte den Blick nur verwirrt und sah dann auf seinen Schneemann. Ehe er sich versah, hatte James Deans Besen auch schon auf den Kopf des Schneemanns gezaubert. Alle sahen James entsetzt an.
„Du willst doch nicht wirklich, dass ich da rauf kletter, oder?", fragte Dean, doch James' Grinsen war Antwort genug. Ohne Widerspruch und doch etwas perplex machte Dean sich ans Werk, wobei es scheinbar nicht ganz so einfach war, wie man dachte, insbesondere da es am Anfang einen Überhang gab. Doch irgendwie schaffte Dean es, Kuhlen für seine Hände und Füße zu finden und sich langsam an dem Schneemann hochzuziehen. Julie sah ihm dabei zu und spürte wie ihr schlecht wurde. Diese Aufgabe war schwierig und ebenso gefährlich, wobei es sie beruhigte, dass James bereits seinen Zauberstab bereit hielt, falls Dean fallen sollte.
„Das ist eindeutig die schlimmste Aufwärmübung, die du uns je aufgehalst hast!", rief Dean, als er die erste Kugel geschafft hatte und sich hingesetzt hatte, um wieder zu Atem zu kommen.
„Ach was, das kommt nur davon, dass du seit vier Wochen nicht mehr trainiert hast", erwiderter Angesprochener mit einem breitem Grinsen. Dean machte sich schließlich an die nächste Schneekugel, was für ihn schon um einiges komplizierte zu sein schien. Als er schließlich dabei war, den Kopf hochzuklettern, rutschte er einmal gefährlich ab, fing sich aber wieder. Es dauerte eine Weile, bis er herausgefunden hatte, wie er am besten über die ausgeprägtere Krümmung kam, doch schließlich stand er auf dem Kopf des Schneemannes gut zehn Meter über dem Rest des Teams und hielt triumphierend seinen Besen in der Hand.
„Jetzt flieg zehn Runden ums Feld, während Julie ihr Glück versucht", gab James weitere Anweisungen. Dean stieß sich von dem Schneemann ab und begann seine erste Runde, während Julie auf den Schneemann zuging und merkte, wie ihr Besen an ihr vorbeischwebte. Sie setzte ihren Fuß in die Kuhle, die Dean geschaffen hatte, musste aber feststellen, dass sie nur abrutschte, da ihre Füße um einiges kleiner waren. Somit machte sich sich daran sich einen eigenen Weg nach Oben zu bahnen, wobei sie feststellen musste, dass sie ziemlich schnell aus der Puste geriet. Ihre Muskeln waren nicht an eine solche Anstrengung gewöhnt und kaum hatte sie die Hälfte der ersten Kugel erreicht, fühlte sie sich bereits, als könne sie keinen weiteren Schritt tun. James hatte Dean bereits losgeschickt, um zwanzig weitere Runden zu drehen und nach jeder Runde fünf Loopings zu machen, als Julie sich entschloss, weiter zu klettern. Sie musste das schaffen, ansonsten würde sie als schwach dastehen, aber ebenso wenig durfte sie fallen, denn dann müsste sie alles von vorne erklimmen.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Julie es endlich auf die erste Kugel geschafft hatte. Sie gönnte sich ein paar Minuten zum Verschnaufen, ehe sie sich an die nächste Kugel machte, welche wie erwartet deutlich schwerer war, als die erste, dafür aber auch kleiner. Als sie die zweite Kugel geschafft hatte, kam Dean von seinen zwanzig Runden zurück und James wies ihn an fünf dreihundert Meter Sturzflüge zu machen. Genau wie Dean verlor Julie ihren Halt, als sie die letzte Kugel erklomm, doch sie fing sich mit ihren Armen, doch ihre Beine baumelten im nirgendwo. Es dauerte anstrengende drei Minuten, bis sie einen Weg gefunden hatte, um ihre Beine wieder in Schnee zu bekommen, wobei sie ihre Füße nahe ihren Händen in den Schnee grub und vorsichtig ihre Hände weiter nach oben schob. Schließlich hatte sie es geschafft und als sie auf dem Kopf des Schneemanns stand und nach unten blickte überkam sie ein Gefühl von Erfolg, welches sich in pure Zufriedenheit umwandelte, als sie ihren Besen umschloss und einige Runden drehte, um Lucas dabei zuzusehen, wie er sich an die Aufgabe machte.
„Llewellyn, fang!", rief James und keinen Augenblick später hielt Julie auch schon einen Quaffel in der Hand, welchen sie für einige Sekunden nur perplex und dennoch liebevoll ansah. James brauchte nichts weiter zu erklären, denn sie passte den Quaffel automatisch zu Dean, welcher ihn wiederum zurück warf.
„Ich kann nicht glauben, dass mein Schneemann nun von Löchern durchsät sein wird", bedauerte Dean und blickte traurig auf seinen Schneemann hinab, welcher deutlich Fußspuren von drei Personen aufzeigte. Es war unvorstellbar, dass noch vier weitere Personen folgen sollten.
„Ach was, du bist nicht umsonst ein Zauberer, du kannst die Löcher im nullkommanichts wieder stopfen", versuchte Julie ihren Teamkollegen aufzuheitern. Dean grinste und warf Julie die Quaffel zu; scheinbar war ihr das Aufheitern gelungen. Es dauerte nur wenige Minuten, als auch Lucas endlich ein paar Runden drehte und schließlich mit ihnen zusammen den Quaffel hin und her warf. Ein kurzer Blick auf den Boden, verriet Julie, dass nun Patty an der Reihe war, den Schneemann hochzuklettern. Nach Patty folgte Max, danach Caitlin und zu guter Letzt James, welchen alle sechs anderen Teammitglieder mit aufmerksamen Augen beobachteten. Zu ihrem Leidwesen meisterte James diese Aufgabe mit Abstand am schnellsten.
„Patty, Llewellyn, als lahme Enten dürft ihr dreißig Runden in Höchstgeschwindigkeit fliegen", verkündete James, als er beim Rest des Teams ankam. Julie warf ihm einen wütenden Blick zu, zischte dann aber los. Ihr neuer Besen war um einiges schneller als ihr alter, doch zu viel Geschwindigkeit war nicht immer leicht zu kontrollieren, weshalb es Unmengen an Konzentration erforderte, um nicht über das Ziel hinaus zu schießen. Die Runden gingen so schnell, dass Julie schnell schwindelig wurde und ich fiel kaum auf, wie sie langsamer wurde.
„Das nenne ich nicht Höchstgeschwindigkeit, Llewellyn!", hörte sie Potter rufen und legte wieder einen Zahn zu. Nach zwanzig Runden war ihr so schwindelig, dass sie kaum noch wusste, wo hinten und vorne war, doch sie flog weiter.
„Du sollst nicht in Schlangenlinien fliegen, Llewellyn!" Julie gab ihr bestes, um ihren Kurs gerade zu halten, doch sie wusste nicht einmal, in welche Richtung sie flog, noch aus welcher Richtung Potters Stimme kam, weswegen sie beschloss, sich auf ihre Intuition zu verlassen.
„Patty, du solltest mal einen Zahn zulegen, dein Besen scheint auch schon bessere Tage gesehen zu haben, Llewellyn ist dir bereits sieben Runden voraus", kritisierte James ausnahmsweise mal Patty, welche ein deutlich älteres Besenmodell besaß und demnach wahrscheinlich noch ziemlich gerade fliegen konnte.
„Sechs Runden noch, Julie, das schaffst du!", rief Caitlin enthusiastisch, doch Julie wusste nicht, ob sie überhaupt noch einen Meter schaffen konnte, ohne seitwärts vom Besen zu kippen. Ihr Gleichgewicht war vollkommen gestört und sie konnte nicht einmal sagen, ob sie im Kreis flog, auf der Stelle schwebte oder einen Looping machte. Doch sie flog weiter, ohne sich beirren zu lassen — anscheinbar sogar in die richtige Richtung, denn Caitlin begann einen Countdown und als Julie schließlich bei null ankam, war sie so erschöpft, dass sie nicht einmal mehr wusste, wie ihr Name lautete.
„Mir ist so schlecht", hörte sie Pattys Stimme von irgendwoher und auf einmal fühlte Julie sich, als würde sie fallen.
„Julie, setzt dich auf den Boden", wies Caitlin sie an, was für einiges an Verwirrung sorgte. Es dauerte eine ganze Weile, bis Julie aufging, dass ihre Füße bereits den Boden berührten. Sie ließ sich einfach fallen, gab dem Schwindel nach und fühlte schnell kalten Schnee. Etwas entfernt konnte sie Würggeräusche ausmachen, welche höchstwahrscheinlich zu Patty gehörten.
„War das wirklich notwendig?", fragte Max weit weg und Julie war sich zu neunundneunzig Prozent sicher, dass er mit James sprach.
„Vielleicht hab ich ein bisschen übertrieben, aber dafür war es interessant anzusehen", erwiderte James, was Julie wütend und überrascht zu gleich werden ließ. Zum einen war sie wütend darüber, dass Potter sich so herrlich über ihr Leid amüsiert hatte, doch zum anderen hätte sie nie erwartet, dass er eingestehen würde, einen Fehler gemacht zu haben.
James gab den beiden Mädchen fünf Minuten, um sich zu erholen, wobei Julie sich nach vier Minuten wieder gut genug fühlte, um nicht vom Besen zu fallen, Patty allerdings noch dabei war, ihren Magen zu entleeren.
„Kein Wunder, dass ihr so schlecht ist, ich hab sie zusammen mit Felisha und Clarisse Feuerwhiskey trinken sehen", murmelte Caitlin Julie zu, welche nur erstaunt ihre Augenbrauen hochzog. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie vor einigen Monaten noch mit diesen Mädchen befreundet gewesen war, wo sich diese so sehr verändert hatten. Vor zwei Jahren hatte Patty jeglichen Alkohol abgelehnt und gemeint, sie würde niemals trinken und nun war sie dumm genug, um Feuerwhiskey vor dem Training zu trinken.
Max ging auf Patty zu und legte einen Arm auf ihre Schulter, wobei sie wenige Sekunden später wieder etwas von ihrem Abendessen in den Schnee spuckte. Julie hätte beinahe gelacht, da es beinahe so aussah, als wäre das Pattys Reaktion auf Max' Berührung gewesen. Caitlin kicherte leise.
„Meinst du, du schaffst es durch das Training?", hörte Julie Max fragen und spitzte noch mehr die Ohren, doch sie hörte nichts außer Würggeräusche. Schließlich erspähte sie, wie Patty ihren Kopf schüttelte und Max kopfschüttelnd zu James sah.
„Geh zurück ins Schloss und leg dich hin!", wies James Patty seufzend an, welche sich sogleich auf den Weg machte. Ihr Gesicht war bleich wie der Schnee und es tat Julie beinahe weh, sie ganz alleine gehen zu sehen. Max ging zurück zu James und murmelte: „Alter, sie hat eine Alkohol-Fahne." James schüttelte daraufhin ungläubig den Kopf und wies den Rest des Teams an, sich ans Training zu machen.
Wenig später befand sich Julie hoch in der Luft und täuschte links an und passte den Quaffel dann zu Caitlin, welche zu ihrer Rechten flog, welche ihren selbsterfundenen Trick ausführte, was so viel hieß, dass sie den Quaffel fing, antäuschte ihn zurück zu Julie zu werfen, den Wurf allerdings nicht richtig ausführte, sondern den Quaffel über ihren Handrücken und Arm rollen ließ, wo Dean bereits wartete, um ihn aufzufangen. Dieser schoss auf die Torringe zu und kurz bevor er den Torraum erreichte, ließ er den Quaffel einfach fallen, wobei er so tat, als würde er ihn werfen, um Lucas zu verwirren. Caitlin tauchte wie aus dem Nichts aus und warf den Quaffel durch den mittleren Torring.
Es folgten weitere Übungen und Julie musste wie so oft ihre Position wechseln, sodass sie diese mal als Hüterin die Torringe bewachte, währen Max, James und Lucas ihr Glück versuchten. Während Lucas ein wirklich erbärmlicher Jäger war, konnte man bei Max zumindest eine durchschnittliche Leistung erkennen und zu Julies Leidwesen spielte James sogar einigermaßen gut auf dieser Position. Sie selbst war zwar nicht die beste Hüterin, aber die meisten Quaffel konnte sie doch abwehren, da keiner der drei einen wirklich guten Wurf hatten, weshalb der Quaffel relativ langsam auf Julie zukam und sie Zeit hatte, um über die nächsten Schritte nachzudenken. Caitlin und Dean waren Treiber und beschäftigten sich weniger mit Klatschern, als zu versuchen sich gegenseitig mit ihren Schlägern vom Besen zu schubsen. Spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem James' Schläger im Schnee verschwunden war und Caitlin an einer Hand in der Luft baumelte, sah James ein, dass es Zeit war, um das Training zu beenden.
„Wenn das Wetter nicht schlechter wird, erwarte ich euch übermorgen um sieben Uhr wieder hier", verkündete James und alle sahen sich überrascht an, schließlich würde James im Normalfall das nächste Training für den nächsten Tag ansetzen. Langsam wandte sich jeder zum Gehen, während Dean versuchte, die Löcher in seinem Schneemann wieder zu füllen.
„Das war das lustigste Training seit langem", bemerkte Caitlin, als sie zusammen mit Julie fast das Schloss erreicht hatte. „Vielleicht war das Klettern ziemlich hart, aber im Grunde ist es eine ziemlich geniale Idee, das muss ich Potter lassen."
„Eine solch geniale Idee, die mich beinahe umgebracht hat. Ich dachte wirklich, ich würde umkippen, so anstrengend war das", erwiderte Julie.
„Du hast eine Menge Muskeln abgebaut, natürlich war es hart für dich", bemerkte Caitlin. „Und Patty war sehr langsam, weil sie angefangen hat, genauso viel zu Essen wie Felisha, was viel zu wenig für eine Sportlerin ist!" Julie sah ihre Freundin verwirrt an, denn sie konnte sich kaum vorstellen, wie diese wissen konnte, wie viel Patty aß.
„Ist ja auch egal. Jetzt muss ich erstmal duschen!"
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Normalerweise war ein einfacher Dienstag kein Grund, um früh am Morgen mit einem Lächeln im Gesicht aufzuwachen. Doch James fühlte sich anders, obwohl es nur ein neuer Tag war — in einem neuen Lebensjahr. Es war der Tag, auf den James schon so lange gewartet hatte: Sein siebzehnter Geburtstag! In der Klischee-Situation dachte man, man würde sich anders fühlen, tat es aber nicht, doch James fühlte sich tatsächlich anders. Es war als wäre eine Last von ihm abgefallen, als wären alle Stringe gerissen und er war frei. Er hatte das Gefühl, er könnte sein Leben nun in die eigenen Hände nehmen, dass ihn niemand stoppen könnte und so sprang er schon um sechs Uhr hellwach aus seinem Himmelbett und zog sich energiegeladen an.
Elliot und Duncan schnarchten leise vor sich hin, während Max' zugezogenen Vorhänge darauf hindeuteten, dass auch er noch schlief. Ledeglich Cliff war bereits auf den Beinen, was James allerdings nicht verwunderte, denn Cliff war der Stereotyp eines Vertrauensschülers.
James schnappte sich seine Schultasche und schlich aus dem Gemeinschaftsraum. Er hatte zwar keine Hausaufgaben übrig, die er in der Zeit erledigen konnte, doch er brannte darauf, neue Ideen und Übungen für das nächste Quidditchtraining zu entwerfen. Er gab sich Mühe, damit sich nicht alle wiederholte und doch alle Fähigkeiten seines Teams gleichmäßig trainiert wurden, was einiges an Arbeit bedeutete. So grübelte er Stunden über seinem Pergament herum und hatte tatsächlich einige gute Ideen aufgeschrieben, bis schließlich ein sehr bescheiden eingepacktes Geschenk auf sein Pergament gelegt wurde. James sah verwirrt und doch glücklich auf und sah seinen besten Freund an, wie er sich noch verschlafen die Augen rieb.
„Alles Gute zum Geburtstag!", meinte Max, wobei sein Glückwunsch von einem Gähnen begleitet wurde. James sah seinen Freund amüsiert an und bedankte sich, ehe er das Geschenk in die Hand nahm und es auspackte. Er fand eine seltsame Kugel vor, die er so noch nie gesehen hatte, ebenso wenig wusste er, wofür sie gut sein sollte.
„Danke, Alter!", meinte James glücklich und sah Max ernst an. „Was bei Merlin ist das?" Max' Lippen zuckten verdächtig.
„Etwas, das Robert mir an meinem Siebzehnten geschenkt hat und mir in einer bestimmten Sache die Augen geöffnet hat. Du wirst noch früh genug herausfinden, worum es sich dabei handelte, du musst es nur immer bei dir tragen", antwortete Max und James spürte, wie er seinem Freund am liebsten den Hals umgedreht hätte, schließlich wollte er wissen, was es mit der Kugel auf sich hatte.
„Und jetzt solltest du dir deinen Geburtstagskuchen von den Hauselfen holen", fuhr Max fort. „Und ich brauche dringend etwas Kaffee!"
„Passiert, wenn man erst nach zwei Uhr Nachts zurück in den Schlafsaal kommt", bemerkte James und setzte ein wissendes Grinsen auf. Er wusste nicht genau, wo sich Max noch so lange rumgetrieben hatte, doch er konnte sich gut vorstellen, dass eine gewisse Halbfranzösin eine gewisse Rolle spielte. Max sagte zu James' Kommentar nichts, sondern verhielt sich eher so, als hätte er es gar nicht gehört. Und so gingen die beiden zusammen in Richtung Große Halle.
Es waren mittlerweile so einige Schüler auf dem Weg zum Frühstück und es wunderte James sehr, dass doch so viele Schüler ihn beglückwünschten, dabei kannte er sie kaum. Am Anfang des Schuljahres, ging es ihm um jeden einzelnen Schüler, er wollte so viele wie möglich kennen, damit so viele wie möglich ihn kannten, weswegen er Namen und Geburtstage von fast jedem Schüler auswendig gelernt hatte. Von den Namen waren noch einige in seinem Gedächtnis hängengeblieben, doch die Geburtstage hatte er schon wieder vollkommen vergessen.
Ein paar Erstklässlerinnen aus Hufflepuff überreichten ihm stolz jeweils ein kleines Geschenk und eine Karte, was ihn wirklich unangenehm berührte. James wusste nicht mehr, wie er reagieren sollte, es fühlte sich keineswegs bestätigend und gut an, nein, es war oberpeinlich, weswegen er froh war, dass niemand sonst auf solche Gedanken gekommen war. „Danke", meinte er leicht verlegen, woraufhin die Erstklässlerinnen kichernd von dannen zogen. Max warf James einen amüsierten Blick zu, ehe sie nebeneinander die Große Halle betraten. Die verzauberte Decke zeigte, dass der Himmel vollkommen klar war und James wünschte sich, dass das bis zum Quidditchtraining am Abend auch so bleiben würde.
„Mann, ich wünschte, ich wäre jetzt zu Hause und könnte Lily und Albus unter die Nase reiben, dass ich jetzt außerhalb der Schule zaubern darf!"
„Da kannst du noch fünf Monate warten", bemerkte Max und ließ sich auf der Bank nieder und griff sofort nach der Kaffeekanne. Sobald James sich auf die Bank fallen gelassen hatte, erschien ein Geburtstagskuchen direkt vor seinem Frühstücksteller. Soweit James sich erinnerte, hatten die Hauselfen seit seinem dritten Schuljahr die Anweisung, jedem Schüler an seinem Geburtstag einen Kuchen zu backen, weshalb nahezu jeden Tag an irgendeinem Tisch ein Kuchen zu finden war. Und seltsamerweise waren es immer dieselben Schüler, die während des Frühstücks ihre Plätze verließen und versuchten ein Stück Kuchen zu erschleimen.
„Oh, Alles Gute zum Geburtstag, James!", meinte Jack Rees, welcher im Vorbeigehen den Kuchen gesehen hatte. James nickte dem Hufflepuff kurz zu, ehe dieser sich an seinen Tisch setzte. Jack war der kleine Bruder von Lucas und spielte ebenso Quidditch, wobei Jack anders als Lucas nicht als Hüter antrat, sondern als Sucher. James hatte Jacks Sucherfähigkeiten immer etwas belächelt, denn es gab mit Abstand bessere Sucher, wie Patty und Chelsea Lufkin, die Sucherin von Ravenclaw, bewiesen.
„Du machst dich besser daran, den Kuchen zu essen", meinte Max, der nach einigen Schlucken Kaffee schon deutlich wacher aussah. James schnitt sich ein Stück von dem Kuchen ab und schob ihn dann zu Max rüber, welcher sich scheinbar nicht darum zu kümmern schien, wie ungesund diese Art von Frühstück doch war und sich gleich drei Stücke auf den Teller lud. Auf James' kritischen Blick, verteidigte er sich: „Ich brauche eine Menge Zucker, um den Tag zu überleben!"
„Ihr führt euch echt auf wie Mädchen!", ertönte eine James nur allzu bekannte Stimme neben ihm. Wenig später erblickte er Lilys rote Haare und sah ihr dabei zu, wie sie sich ebenfalls Kuchen auf den Teller lud. „Man sollte doch meinen, alle Jungen würden fressen wie die Tieren, insbesondere wenn sie sowieso jeden Tag Qudditch spielen, aber nein, ihr müsst einen auf Mädchen machen und bei dem kleinsten Gramm fett in eurem Essen den Schwanz einziehen." Lily verdrehte die Augen und James spürte, wie er wütend wurde, denn er konnte es ganz und gar nicht ab, wenn seine kleine Schwester versuchte, ihn vor allen bloßzustellen.
„Man muss es ja nicht gleich übertreiben", rechtfertigte sich James, woraufhin Lily nur lachte.
„Ach was, der Winter ist die perfekte Jahreszeit, um es zu übertreiben, da sieht dich doch sowieso niemand ohne zwei Kilo Klamotten an, außer natürlich du entscheidest, mal wieder einen auf Playboy zu machen", erwiderte Lily. James war sprachlos, er starrte seine kleine Schwester mit offenem Mund an. Woher wusste sie, dass er in der Vergangenheit eine Menge One Night Stands gehabt hatte? Oder viel besser: Wieso warf sie ihm das alles inmitten der Großen Halle an den Kopf?
„Wie dem auch sei, Sissy", sprach sie als sie sich zum Gehen wandte. „Alles Gute übrigens!" Es dauerte ganze zwei Minuten, bis James auffiel, dass sie ihn gerade indirekt transsexuell genannt hatte und das war der Moment, in dem er am liebsten seine Gabel genommen und sie Lily hinterhergeschleudert hätte, doch er beließ es dabei, seine Gabel in seinen Kuchen zu stechen und sich ein großes Stück in den Mund zu schieben. Es blieben ihm sowieso nur wenige Minuten, bis er sich auf den Weg in den Nordturm machen musste, welcher zu seinem Leidwesen ziemlich weit weg war.
James hasste es, wenn ihm im Turmzimmer die parfümierte Luft entgegenschlug und ihn die Wärme in dem Raum fast zum schmelzen brachte. Professor Wilson war glücklicherweise nicht allzu schlimm, denn ihr Klassenzimmer war nur etwa zweimal die Woche unerträglich, um die Verbindung von ihren Schülern mit deren inneren Auge zu stärken. Um ehrlich zu sein, fand James, das Wahrsagen ziemlich großer Schwachsinn war, aber es gefiel ihm auf eine gewisse Weise auch wieder, weil man Vorhersagen auf alles Mögliche anpassen kann.
Professor Wilson stürzte sich auf James, als er die Strickleiter hinauf geklettert kam, um ihm ihre herzlichsten Glückwünsche auszurichten. Ihr Lächeln war ziemlich geheimnisvoll, was James sehr verstörte, denn bis auf die Glückwünsche sagte Professor Wilson nur: „Deine Arbeit wird sich bald auszahlen." Und dabei wusste James nicht einmal, wofür er arbeitete und konnte nur hoffen, dass er bald deutlich bessere Noten mit nach Hause bringen oder sein Quidditchteam erfolgreich sein würde. Ganz vielleicht bedeutete das auch, dass Gryffindor dank ihm nur recht wenig Punkte verloren hatte und zum ersten Mal, seit James nach Hogwarts ging, nicht den Hauspokal verlor.
James ließ sich auf eines der Kissen fallen und zog sogleich sein Notizbuch für Wahrsagen hervor. Er war sich immer unsicher, wie er es doch bezeichnen sollte, denn es war nicht wirklich ein Tagebuch, aber auch kein Traumtagebuch, noch bestand es aus Schulnotizen. Es war einfach eine Sammlung aus Träumen, Ereignissen, Vorhersagen und Gedanken, die James jeden Tag aufs neue mit Worten füllen musste. Er hatte Probleme damit, mit all den Vorhersagen, die noch nicht eingetreten waren, auf dem neusten Stand zu bleiben, denn es gab teilweise welche aus dem September, die zweihundert Seiten tief in seinem Notizbuch verborgen waren.
„Ihr braucht einen Partner, mit dem ihr Sternkarten studieren werdet und die Zukunft anhand der Sterne ablesen sollt", erklärte Professor Wilson, nachdem alle Schüler eingetroffen waren und Platz genommen hatten. James sah sich lustlos im Klassenzimmer um, denn wie erwartet, war wirklich niemand anwesend, mit dem er freiwillig zusammenarbeiten würde.
„In der letzten Nacht habe ich in meine Kristallkugel geschaut und eure Partner gesehen", verkündete Professor Wilson und James vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Wenn es schon derartige anfing, dann konnte es ja nur damit enden, dass er mit Julie zusammenarbeiten musste, denn so war es doch immer wenn das Schicksal entschied. James sah dabei zu, wie Felisha einer Hufflepuff zugeteilt wurde, ein Ravenclaw und eine Slytherin zu einem Team gemacht wurden, ehe Professor Wilson ihm natürlich Julie auf den Hals jagte und Thommy mit einer Hufflepuff als Partnerin versah. Julie sah nicht sehr erfreut aus und warf Thommy einen wehleidigen Blick zu, was James aus irgendeinem Grund wütend machte. Wahrscheinlich, weil er gerne jemanden hätte, mit dem er wirklich arbeiten wollte, doch in dieser Klasse schaute er sich nur im Raum um und hatte den Wunsch, allein zu arbeiten, anstatt irgendjemanden zu seinem Partner zu wählen.
Julie kam mit einem Arm voller Sternkarten auf James zu und lud sie vor seinen Füßen ab, ehe sie sich ein Kissen zu sich zog und sich ihm gegenüber setzte. Und schon starrte sie die erste Karte an, fuhr mit dem Finger über bestimmte Sternzeichen und Laufbahnen von Planeten und besah sich Dinge, die James nicht im Traum zu beachten eingefallen wären.
„Soweit ich das erkennen kann, hat Mars im Moment eine seltsame Laufbahn", meinte Julie nach einigen Minuten und zog eine ältere Karte hinzu, um ihre Beobachtung zu überprüfen. James sagte das ganze so gut wie gar nichts, bis es ihm auf einmal wie Schuppen von den Augen fiel: Die Zukunft in den Sternen war nichts oberflächliches, es war die Zukunft der Welt und wenn Mars auf einmal seine Laufbahn verließ, dann konnte das nur mit Krieg zu tun haben.
„Mars ist der Kriegsgott, also bedeutet das, dass uns Krieg bevorsteht?", vermutete James, doch Julie zog nur ihre Stirn kraus und las weitere Karten, sowie welche aus dem Jahre 1941. Wieder einmal dauerte es einen kurzen Augenblick, bis James verstand, warum sie gerade Karten aus jenem Jahr studierte: Wenn es wirklich Krieg bedeuten würde, müsste man ähnliche Formationen in den Sternkarten zur Zeit des Zweiten Weltkrieges finden können.
„Mars hatte zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges nur eine starke magische Aura, das hatte nichts mit der Umlaufbahn zu tun. Ich denke eher, dass es darauf hindeutet, dass wir uns in einer heiklen Situation befinden, die zu einem zerstörerischen Krieg führen könnte."
„Rebellen in Südfrankreich", sprach James aus, was Julie scheinbar ebenso gedacht haben. Synchron seufzten die beiden und vergruben ihre Gesichter in ihren Händen, nur um sich dann perplex anzuschauen.
„Diesem Thema kann man ja wirklich nirgendwo entkommen", meinte Julie schließlich und James war fast verwundert darüber, dass dies wie der Anfang einer freundlichen Konversation klang.
„Ich weiß, es ist ja schon schlimm genug, dass der Tagesprophet damit voll ist, aber meine Mutter muss mir natürlich auch jede Woche Neuigkeiten dazu berichten, und als wäre das nicht zu viel, kennt Professor Goldstein auch kein anderes Thema mehr", beschwerte sich James. Es fühlte sich seltsam an, normal mit Julie zu reden, obwohl er die Streitigkeiten keineswegs vermisste.
„Nicht zu vergessen, all diese Prophezeiungen zu dem Thema", fügte Julie hinzu und wandte sich wieder den Sternkarten zu. James suchte krampfhaft nach Worten, doch die wollten nicht kommen. Zu gern hätte er sein Gespräch mit Julie aufrechterhalten, doch es war schwieriger, als mit so vielen anderen Menschen. Er wusste nicht genau, woran es genau lag, aber es fühlte sich an, als läge eine Glaswand zwischen ihnen, die nicht einfach zu durchbrechen war. Mit Max waren lange Gespräche einfach, es gab einfach nie einen Punkt, an dem das ganze stoppte, denn von einem Thema fanden James und Max immer die Brücke zum nächsten, ohne es überhaupt zu wollen. Doch mit Julie waren keine Überleitungen vorhanden, er kannte sie nicht genug, um zu wissen, für welche Themen sie sich interessierte, vielleicht war es das, doch er wusste es nicht.
James sah Julie dabei zu, wie sie weitere Sternkarten betrachtete, die während anderen Kriegszeiten oder kurz zuvor gezeichnet wurden. James hätte ihr zu gerne geholfen, doch er hatte bei Sternkarten einfach keinen Durchblick, schließlich hatte er nicht umsonst seine ZAG Prüfung mit einem Mies abgeschlossen, wobei er zugeben musste, dass er an den meisten Stellen nur geraten hatte und scheinbar einige gute Treffer gelandet hatte.
Den Rest der Stunde, verbrachten James und Julie, ihre Entdeckungen in Worte zu fassen, wobei James versuchte, sich so gut wie möglich einzubringen, um seine mangelnde Arbeit wieder wett zu machen. Julie hatte den Schluss gezogen, dass die Sterne auf eine harte Zeit hindeuteten, in der kein Krieg herrschte, aber auch kein Frieden. Das Schicksal würde entscheiden, wozu es führen würde, wie einige Beispiele bewiesen hatten.
„Ihr seid fertig, nehme ich an?", hakte Professor Wilson nach, als Julie und James ihre Pergamentrollen zu ihr einreichten. Beide nickten synchron und ein seltsames Lächeln schlich sich auf die Lippen der Professorin. „Gut, gut!" Sie warf einen Blick auf die restlichen Schüler, die alle noch angestrengt über Sternkarten gebeugt saßen und runzelte die Stirn. „Ich würde mal behaupte, ihr seid den Hausaufgaben gerade so entkommen", verkündete sie, wobei wenige Sekunden das Signal ertönte, welches die Stunde für beendet erklärte. James wandte sich zum gehen, während Professor Wilson ihren Schülern erklärte, dass sie ihre Aufgabe zur nächsten Stunde vollendet haben sollten. Er kletterte die Strickleiter hinab und war froh, der erdrückenden Luft zu entkommen. Er war schon so weit, dass er in den nächsten Korridor einbiegen wollte, als ihn eine Stimme zurückhielt.
„Alles Gute zum Geburtstag übrigens", meinte Julie, ehe sie ihn überholte und schnellen Schrittes in Richtung des nächsten Klassenzimmers ging. James wiederum verharrte einige Sekunden stocksteif, ehe er langsam seinen Weg fortführte. Nie zuvor hatte Julie ihm zu seinem Geburtstag gratuliert, er wusste nicht einmal, woher sie den Tag kannte.
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