31. Zu weit weg
»Was machen wir jetzt?« Weidenteich sah sich hinter die Schulter, aber da war niemand. Seufzend drehte sie sich zu Tupfenherz um, der gerade dabei war, sich das Fell zu putzen. Sie standen am Beginn des Lärchenwaldes und waren allein. Farnblatt schien ihnen nicht gefolgt zu sein. Bestimmt war sie zurück ins Lager gegangen und wartete auf ihre Rückkehr. Sie wussten ja, dass sie zurückkehren würden; früher oder später. »Du musst doch irgendeinen Plan gehabt haben, als wir hierher gegangen sind.«
»Ich denke nach.« Tupfenherz leckte sich die Pfote und fuhr sich damit über die Ohren. »Und das hier ist der beste Ort, um nachzudenken.«
»Du glaubst nicht daran, oder?«
»Dass du deine Mutter bist?«, er sah kurz auf, »hörst du dir eigentlich selber zu? Das klingt schon nicht richtig.«
»Ich meinte den SternenClan.«
»Um den geht es gerade überhaupt nicht. Warum sollten sie deine-«
»Aber ich erinnere mich an die Zeit davor. Ich erinnere mich an Dinge, die-« Sie verstummte. Tränen liefen ihr über die Wangen, ohne dass sie wusste, wieso sie weinte; und selbst wenn sie es wusste, sie wollte es nicht wahr haben.
Tupfenherz schwieg - das erste mal in seinem Leben, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Sie sah auf, blinzelte die Tränen weg und erhob sich.
»Und ich erinnere mich daran, wer die Katzen getötet hat. Und jetzt werde ich ihn dafür...«, sie überlegte kurz, »... anklagen. Ich werde allen sagen, wer es war, und dann werde ich-«
»Hörst du mir eigentlich zu?« Der Kater war aufgesprungen. Mit gebleckten Zähnen musterte er sie, starrte ihr in die Augen und - wandte sich ab. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anfauchen. Es ist nicht deine Schuld, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist«, er seufzte, »und es tut mir leid, dass es so gekommen ist. Aber bitte...«
Sie wich zurück. »Du hast mir gar nichts zu sagen«, sagte sie und war selbst erstaunt darüber.
»Weidenteich, bitte...« Er stellte sich vor sie. »Hör mir zu, Weidenteich...«
»Ich heiße nicht Weidenteich. Ich bin nicht Weidenteich. Ich war noch nie Weidenteich. Mein Name ist Haselstreif. Lass mich durch.«
»Haselstreif ist tot.«
»Ich lebe aber noch.«
Sie versuchte, an ihm vorbeizukommen, aber er stellte sich ihr in den Weg. »Also bist du nicht Haselstreif.«
»Dann bin ich eben tot. Jetzt lass mich durch.«
»Du bist nicht tot. Du atmest, du fühlst, du denkst, also lebst du. Du bist Weidenteich, ob du es nun willst oder nicht, und ob in dir jetzt irgendein Geist ist oder nicht. Du bist Weidenteich und ich möchte nicht, dass du dich in Gefahr begibst, nur, um-«
»Weidenteich weiß nicht, wie es ist zu sterben. Kein Lebender weiß das. Nur ich. Ich habe es gefühlt, damals. Im Heilerbau. Also bin ich nicht Weidenteich, sondern Haselstreif, und du lässt mich jetzt durch, damit-«
Diesmal ließ er sie gehen. Offenbar hatte er eingesehen, dass er sie nicht aufhalten konnte - zumindest nicht mit Gewalt. »Glaubst du denn, der SternenClan hat dir ein zweites Leben gegeben, um es noch einmal wegzuwerfen?«, rief er ihr nach.
Aber sie war schon zu weit weg, um es noch zu hören.
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