25. Unbenannt

Er hatte ein tiefes Schnurren, tief und melodisch, mit diesem Hauch von Bedrohlichkeit darin - das Schnurren eines Kriegers. Eines großen Kriegers; von Schatten einmal abgesehen war er vielleicht der größte Krieger, den der Clan je gehabt hatte. »Ihr schafft das schon. Ich weiß, wie sich das anfühlt«, schnurrte er. »Es wird eine schöne Zeit, glaubt mir. Die Schönste eures Lebens. Ab heute seid ihr frei.«

Weidenpfote musterte ihn. Sonderlich frei waren ihr die Krieger in ihrem Clan eigentlich nie vorgekommen - nicht, dass das ein Problem gewesen wäre. Geborgenheit wog wichtiger als Freiheit; das war schließlich das, was sie von Einzelläufern unterschied.

Oder von Schatten.

Sie warteten, bis sich die Katzen um sie herum versammelt hatten. Es dauerte eine Weile, obwohl alle gewusst hatten, dass es heute sein würde; alle, bis auf die Schüler. Selbst die Jungen schienen vorbereitet: Vom Rand der Kinderstube aus schauten drei kleine, aufmerksame Fellknäule zu ihnen herauf. Bussardjunges, Milanjunges und Merlinjunges hießen sie - der kleine Riese, die findige Kätzin und der niedliche Winzling. Sie hatten ihre Namen kurz nach Weidenpfotes Besuch bekommen, und Tupfenherz hatte dem ganzen Clan erklären müssen, was ein Merlin überhaupt war: »ein ungefähr amselgroßer Raubvogel, wendig und intelligent«, hatte er gesagt, »der kleinste Raubvogel, den es gibt«.

Er war ein wenig unheimlich, dieser Merlin. Nachdem er in seinen ersten Tagen ungewöhnlich gesprächig gewesen war, hatte Merlinjunges kaum noch etwas gesagt - er musterte alles, mit seinen übergroßen Augen, und beobachtete und lauschte, aber er sagte nichts mehr. »Er brütet etwas aus«, hatte Tannenblüte am Anfang noch gewitzelt, und alle hatten gelacht, aber je länger das Kleine schwieg, desto weniger Katzen lachten über die Witze.

Er beobachtete sie, von seinem kleinen Platz aus. Ganz still und reglos saß er da und beobachtete sie, als könnte er direkt in ihren Kopf schauen.

Wolfsstern erhob sich. »Diese Schüler haben hart trainiert. Sturmwolke, tritt vor.« Die schwarze Kriegerin trat vor. Kurz sah sie ihrer Schülerin in die Augen, dann richtete sie ihren Blick auf Wolfsstern. »Glaubst du, dass Hellpfote die Gesetze der Krieger erlernt hat und ihren vollen Kriegernamen verdient?«

Sturmwolke neigte den Kopf. »Ja.«

»Dann tritt vor, Hellpfote.« Wolfsstern nickte ihr aufmunternd zu. Ein paar Katzen um sie herum reckten sich, um sie besser sehen zu können, oder lächelten still und stolz, als sie vortrat. »Ich bitte unsere Kriegerahnen, auf diese Schülerin herabzuschauen. Sie hat sich bemüht, ein starkes, schnelles Clanmitglied zu werden, und ist eine loyale junge Kätzin geworden. Hellpfote, von diesem Tag an wird dein Name Hellblatt lauten. Wir alle kennen deinen Ehrgeiz und dein Temperament, halte deinen Namen in Ehren.«

Hellblatt - das konnte sich nur jemand wie Sturmwolke ausdenken, jemand, der wirklich gar keine Ahnung von Logik oder Klang hatte. Weidenpfote presste die Lippen zusammen. Hoffentlich hatte Wolfsstern bei ihrem Namen ihren Mentor zu Rate gezogen. Tupfenherz hatte mehr Gespür für so etwas. Hoffentlich.

Bitte nicht Weidenblatt. Oder, noch schlimmer, Weidenbaum. Beim SternenClan.

»Hellblatt! Hellblatt!« Der Name raunte durch das Lager. »Hellblatt!«

In diesem Moment fiel ihr Spatzenflügel auf, der ihr aufgeregt zuwinkte, und sie zuckte erleichtert mit den Schnurrhaaren. Er stand hinter ihr. Er würde auch hinter ihr stehen, wenn sie Weidenbaum heißen würde.

... ein kleiner Trost.

»Nun bitte ich den SternenClan, auf diese Schülerin herabzuschauen. Sie hat hart trainiert und ist eine liebevolle, sanftmütige Kätzin geworden, die sich zu einer fabelhaften Jägerin entwickelt hat«, Wolfsstern lächelte ihr ermutigend zu, »Weidenpfote, tritt vor. Kraft des SternenClans wird dein Name ab diesem Tag an Weidenteich lauten. Halte ihn in Ehren.«

Weidenteich? Sie schloss die Augen, unschlüssig, wie sie diesen Namen finden sollte. Weidenteich. Klang ein bisschen so wie eine Ortsbeschreibung. Andererseits, so schlimm war das vielleicht gar nicht. Weidenteich. Nein, das klang seltsam. Nicht unbedingt unangenehm, aber seltsam.

»Weidenteich!« Unzählige Stimmen schallten durch das Lager. »Weidenteich! Weidenteich!«

Mit einer gebieterischen Geste brachte Wolfsstern den Clan zum Schweigen. Statt etwas Weiteres zu sagen, wandte er sich zu Farnblatt, neigte den Kopf vor der Heilerin und trat zurück.

Farnblatt erhob sich. »Ich habe eine weitere Verkündung zu machen.« Sie schnippte mit dem Schwanz. »Sturmpfote, komm her.«

Ein wenig überrascht stand der kleine Schüler auf, sah sich kurz um, ob auch wirklich er gemeint wäre, und schlich vor zu seiner Mentorin.

»Ich bin überzeugt davon, dass du jetzt bereit bist, ein vollständiger Heiler zu werden. Du bist wirklich sehr vernünftig«, sie überlegte kurz, »und sehr klug und kannst dir Dinge gut merken. Ich rufe also den SternenClan auf, auf dich herabzublicken, du hast schließlich hart gearbeitet, und ab heute heißt du Sturmlicht.« Totenstille. Sie hielt inne. »Versprichst du, diesen Namen in Ehren zu halten? Versprichst du es beim SternenClan?«

Der graue Kater blinzelte. Es war ihm anzusehen, dass er sich das Ganze anders vorgestellt hatte, und dass er sich nicht ganz sicher war, ob er diese Veränderung als gut oder als schlecht bezeichnen sollte. »Ja«, sagte er leise. »Natürlich.«

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