23. Wer sonst?

Sturmwolke peitschte mit dem Schwanz. Schnee stob auf. »Ich hasse die Blattleere«, fluchte sie.

»Ich auch.« Hellpfote knurrte leise. »Diesen ganzen Schnee. Und Beute gibt es auch kaum.« Sie warf Weidenpfote einen langen Seitenblick zu. »Erst recht nicht, wenn sie von irgendwelchen Katzen vertrieben wird.«

»Im Haselhain gibt es immer Beute.« Die Kriegerin schüttelte sich ein paar Schneeflocken vom Pelz. »Du musst nur genau genug hinschauen.«

»Und leise genug sein«, ergänzte Hellpfote.

Sturmwolke warf ihr einen scharfen Blick zu, wandte sich ab und sah sich um. »Hellpfote, du gehst in Richtung Weite. Ich schaue hier, ob es Beute gibt. Und Weidenpfote ... du kannst bei den Klippen suchen.«

Weidenpfote zuckte mit den Ohren.

»Wir treffen uns bei Sonnenhoch wieder im Lager. Aber geht nicht zu weit weg, Steinpelz hat neulich von Falken berichtet.« Sie hielt kurz inne. »Obwohl das bei Steinpelz nichts heißen muss.«

Steinpelz war oft hier. Meistens, sogar - die älteren Krieger ließ Wolfsstern gern an diesem Ort jagen, die, die gut jagen konnten, zumindest - Buchenpelz, zum Beispiel, oder Wolfsstern. Schüler eigentlich nicht. Sie vertrieben mehr Mäuse, als sie fingen.

Eigentlich war sie auch noch nicht so weit, hier zu jagen. Seit sie mit Buchenpelz trainierte, wurde sie besser, ja; aber seit Buchenpelz sie jedes mal zwang, nach dem Training eine ganze Maus in sich hineinzustopfen, wurde sie auch langsamer. Und sie wusste nicht, welche Entwicklung davon schneller sein würde: das Dickwerden, oder das Jagenlernen.

Aber gut. Lektion eins: Mäuse fangen sich nicht von allein. Mit einem Seufzer stand sie auf, schüttelte sich und tappte in Richtung Klippen. Die Gegend dort war ein wenig kahl, vor allem in der Blattleere, aber der Schnee war mittlerweile dick genug, um sich darin verstecken zu können. Und sie war wirklich gut darin geworden, sich im Schnee zu verstecken, seit Buchenpelz ihr nicht mehr erlaubte, im Kiefernwald zu jagen, sondern sie an das Steinfeld der Flachen Stelle zwang. Dort gab es keine Deckung - noch weniger als hier sogar. Ein Rascheln ließ sie innehalten. Sie blieb stehen und prüfte die Luft.

Ein Vogel. Vorsichtig ließ sie sich in ein Jagdkauern fallen und entfernte sich schleichend von der Patrouille, immer auf den Vogel zu, ganz langsam. Ihre Pfoten knirschten leise im Schnee. Behutsam, fast lautlos, setzte sie eine Pfote vor die andere, drückte sich auf den Boden, schob sich geräuschlos über den Boden, ohne den Vogel - eine Taube! - aus dem Blick zu lassen - Buchenpelz würde stolz sein, wenn sie das hier zurückbrachte - eine Taube! - war die nicht zu groß? - Alle würden sie stolz sein, wenn sie mit einer Taube ins Lager zurückkehrte.

Sie schob den Gedanken beiseite. Nicht denken. Angespannt fixierte sie ihr Ziel. Zubeißen. Nur ans Zubeißen denken. Nur an das Zubeißen denken. Sie spannte die Muskeln an - zögerte. Die Taube pickte auf dem Boden herum, schien sie gar nicht zu bemerken. Jetzt. Sie zögerte. Noch nicht. Sie war noch zu weit weg. Vorsichtig machte sie noch einen-

Zu laut. Der Vogel flatterte auf, sie stieß sich ab - zu spät. Im nächsten Augenblick sah sie ihn davon-

Ein grauer Blitz aus dem Nichts. Er riss sie zu Boden, verschwand wieder im Schnee.

Sturmpfote? Weidenpfote fing an zu zittern. Plötzlich war es unglaublich kalt geworden.

Nur widerstrebend konnte sie sich dazu durchringen, auf den Kater zuzugehen. Es war auch eher ein Schleichen als ein Gehen - er erschrak beinahe, als sie ihn erreicht hatte. »Danke«, sagte sie.

Sturmpfote zögerte einen Moment, dann zuckte er mit den Ohren. In einer nicht wirklich flüssigen Bewegung schob er ihr den Vogel zu. »Bitte«, sagte er, dann sagte eine Weile keiner von beiden etwas.

Sie hatten lange nicht mehr gesprochen - eigentlich seit dem Vorfall auf dem Quer nicht mehr, er war ihr aus dem Weg gegangen und sie hatte ihn nicht noch einmal gesucht. Und der Wald war groß; jemanden zu finden, den man nicht suchte, war unwahrscheinlich. Und jemanden zu finden, den man versuchte nicht zu finden, war unmöglich.

»Du bist besser geworden, im Jagen«, sagte er plötzlich, bemerkte dann, was er gesagt hatte, und schüttelte sich. »Ganz schön kalt hier.«

Schweigen.

Er wandte sich ab. »Wie auch immer. Ich glaube, Farnblatt bringt mich um, wenn ich nicht...«

»Warum bist du hierher gekommen?«

Sturmpfote wich aus. »Ich? Das ... ich hatte dich hier gesehen, wie du die Taube...«

»Ich weiß, dass du das gesehen hast. Sonst hättest du sie nicht gefangen.« Sie schnippte mit dem Schwanz. »Meine Frage ist: Wieso bist du überhaupt hier in der Nähe.«

Er hielt inne. Einen kurzen Moment über sah er ihr in die Augen, dann wich er aus. Seine Stimme war ruhig. »Farnblatt hat mir aufgetragen, Gänseblümchen zu suchen. Unser Vorrat geht zuneige.«

»Bei den Klippen.« Sie kniff die Augen zusammen. »In der Blattleere.«

Stille.

»So eine schlechte Ausrede habe ich noch nie gehört.«

Sturmpfote sah ihr in die Augen. Sie sah zurück.

Mit einem Seufzer gab er auf. »Ich bin dir gefolgt. Ich wollte wissen, wo du hingehst. Seit ein paar Tagen verhältst du dich seltsam.«

»Natürlich verhalte ich mich seltsam! Mein bester Freund spricht nicht mehr mit mir!« Sondern beobachtete sie heimlich - das war ja fast so schlimm wie-

»Ich bin dein bester Freund?« Sturmpfote blinzelte. Weidenpfote neigte den Kopf.

»Wer denn sonst?«

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