Kapitel 8. Im Fluss
Du bist dir auch für nichts zu schade, was? Es kostete ihn größte Mühe und Anstrengung, diesen Gedanken nicht zu sehr an sich heran zu lassen – Mühe und Anstrengung, die er gut für das Unternehmen benötigt hätte, das er vor sich hatte und das da lautete: spitzeln. Und schleichen. Und, vor allem, um alles bei den Feldern, auf keinen Fall entdeckt werden.
Ein jungenhafter Einfall. Eine Schnapsidee. Völliger Wahnsinn. Das wusste er ja.
Aber manchmal musste man einfach verrückt sein, und manchmal hieß das, der dümmsten, einfältigsten und lächerlichsten Idee der Welt ... nun ja, eine Chance zu geben. Und wenn das bedeutete, durch feindliches Territorium zu schleichen, nur um heimlich zuzuhören, wie eine Schülerin von ihrem Mentor zusammengefaltet wurde – dann eben das. Was soll's.
Die tiefgrünen Kartoffelblätter raschelten leise im Wind, als er sich auf die trockene Erde drückte und die vernarbten Ohren spitzte. In der Ferne grollte ein herrannahender Sturm, doch für ihn, für den Moment, lag der Wind günstig, er war im Schatten, Worte und Geruch wurden an ihn herangetragen. Sonst hätte er sich die ganze Aktion auch schenken können.
»-du denn da?! Dem SchattenClan einfach-«
Er verstand nicht alles, näher wagte er sich allerdings auch nicht heran. Doch die Fetzen, die er hörte, waren bereits überaus aufschlussreich.
Darüber, wie kindisch und lachhaft die ganze Situation eigentlich war. Wie alt war er jetzt? Zehn Blattwechsel? Elf? Zwölf? Die Zahl danach? Und er kam immer noch nicht darüber hinweg, etwas nicht zu wissen. Ha! Erwachsen und alt werden waren wirklich nicht dasselbe.
»-nur dabei gedacht?! Jetzt grins' nicht so. Das wird noch-«
Vorsichtigst riskierte der schwarze Kater einen Blick über die Pflanzen hinweg. Die Schülerin stand mit dem Rücken zu ihm, deshalb konnte er ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, dafür jedoch umso detaillierter Grauschweifs Wut und Enttäuschung. Sicherheitshalber senkte er den Kopf wieder. Grauschweif sah nicht sonderlich gut und sein Gehör ließ bereits etwas nach, doch in dieser Situation wollte er auf keinen Fall zusätzliches Risiko eingehen. Eine Dummheit war genug. Man musste es ja nicht noch schlimmer machen, als es sowieso war.
»-und überhaupt, was hat dir Kleejunges erzählt?«
Die Antwort verstand er leider nicht, doch Grauschweif schien sie etwas zu beruhigen. Sehr aufschlussreich. Schlitzohr musste schnurren, unterdrückte es jedoch augenblicklich. Cleveres Kätzchen. Hat uns alle an der Nase herumgeführt. Keine schlechte Quote für eine Schülerin.
Aber das hieß auch, dass er vollkommen unnötigerweise hier war. Angespannt grub er die Krallen in die Erde und begann, zurückzuschleichen, immer Grauschweifs Pfoten im Blick behaltend.
Die sich auf die SchattenClan-Grenze zu bewegten und ihm den Weg abschnitten. Beinahe hätte er aufgefaucht – jetzt musste er einen Umweg über den Fluss machen. Aber vielleicht war das sowieso ganz praktisch, das Wasser würde seinen Geruch überdecken und seinen heimlichen Ausflug so gut wie ungeschehen machen.
Also drehte er sich um und preschte los. So leise und schnell wie nur möglich über die Felder, die Ackerlinien entlang und mit einem letzten Satz das Feld hinab auf das Ufer. Hinein in den Fluss und-
»Schlitzohr!«
Es war so klar. Seufzend wandte er sich um – und riss die Augen auf, als es nicht Grauschweif war, der ihn entdeckt hatte.
Es war Ascheregen. Gut, natürlich; auf Grauschweif hatte er ja geachtet. Und natürlich gibt es mehr Katzen im WindClan als die zwei Pappnasen, denen du nachspionierst.
»Ascheregen. Was für ein Zufall.« Er setzte den Mitleidsblick auf - bei ihr zog das manchmal. Überhaupt hatte er Glück. Ascheregen hatte eine Schwäche für schwarze Kater, und es gab keinen schwärzeren Kater bei den Feldern als Schlitzohr; abgesehen davon war sie Älteste, und er auch, da konnte man sich das ein oder andere durchgehen lassen. Offiziell beriet man vielleicht unterschiedliche Clans, unterstützte grundverschiedene Anführer und arbeitete gegeneinander ... aber in Wahrheit kannten sie sich doch besser als die meisten Clan-Gefährten. »Dich in deinem Territorium zu treffen.« Er lachte nervös, tauchte eine Pfote ins Wasser und trat von einem Bein aufs andere.
Ihre Augen folgten jeder seiner Bewegungen. »Durchaus ein sonderbarer Zufall«, sagte sie, musterte ihn gedankenverloren, zuckte dann zusammen und sah ihm in die Augen. »Das ist eine recht missliche Lage für dich. Ich frage mich, wie du da wieder herauskommen willst.«
»Wahrscheinlich nach vorne laufen?« Er machte einen Schritt nach vorn. Seine Pfoten plantschten auf dem Wasser, und ein schwaches Grinsen schlich sich auf das Gesicht der Ältesten.
Gewonnen. Der Rest würde einfach sein.
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