10. Kapitel

In Panik rannte Möwenpfote weiter. Doch der Hund holte mehr und mehr auf. Inzwischen war der Kater so verzweifelt, dass er auf eine Kiefer zusprang. Er krallte sich in die Rinde und zog sich nach oben. Aber der Schüler rutschte ab und schlitterte ein Stück nach unten. Er konnte das triumphierende Glitzern in den Augen des Hundes sehen und glaubte, seine letzte Stunde habe geschlagen. Das Tier setzte zum Sprung an.

Plötzlich kam eine bläuliche Gestalt aus dem Dickicht geschossen und rammte dem Hund den Kopf in die Flanke.

Meerkalle!

Zwei weitere Katzen sprangen aus dem Gebüsch.

Schattenblüte und Krähenpfote!

Möwenpfote sprang erleichtert von dem Baum herunter. Zu viert kreisten sie den Hund ein. Dieser kniff ängstlich den Schwanz zusammen. "Macht eine Lücke!", befahl Schattenblüte. Möwenpfote und Meerkalle traten zur Seite und der Hund ergriff jaulend die Flucht.

"Ihr seid genau im richtigen Moment gekommen. Danke, Meerkralle. Du hast mich gerettet", keuchte der grau-weiße Kater.

Der Mentor neigte den Kopf. "Das ist doch selbstverständlich."

"Wir sind ja nirgendwo mehr sicher", jammerte Schattenblüte. "Erst wird einer unserer Patroullien von Füchsen angegriffen und jetzt jagt uns ein Hund!"

"Der Hund roch nach Zweibeiner. Wahrscheinlich ist er nur kurz entbüxt. Ich denke, er wird keine große Gefahr mehr sein", miaute nun Krähenpfote.

"Sehr gut gerochen. Aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein", mahnte Schattenblüte. "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte Meerkalle nun an Möwenpfote gewandt. Dieser nickte. "Gut. Unsere Frischbeute ist dort hinten. Hast du auch etwas gefangen?"

"Natürlich!", rief der Schüler empört. "Wartet, ich hole sie."

Er rannte zurück zu dem Ort, an dem er seine Beute vergaben hatte. Er buddelte sie aus und lief dann wieder zu seinen Clangefährten. In Krähenpfotes Maul baumelte ebenfalls ein Eichhörnchen, Meerkalle trug zwei magere Mäuse und Schattenblüte hatte einen Star gefangen.

"Guter Fang", lobte Meerkralle und der junge Kater reckte stolz die Brust. Die Katzen machten sich auf den Weg zurück ins Lager. Als sie es erreichten, legten sie ihre Beute auf dem spärlichen Frischbeutehaufen ab, auf dem sich erst ein kleiner Fisch und eine Wühlmaus befanden. "Möwenpfote, du versorgst Kroksublume und du Krähenpfote die Ältesten. Ich werde Rosenstern sicherheitshalber mal von dem Hund berichten", ordnete Meerkralle an.

Die beiden Schüler nickten und machten sich mit einer Maus und einem Eichhörnchen auf den Weg zu den verschiedenen Bauen. Möwenpfote zwängte sich durch die Kinderstube. Drinnen befand sich nur Krokusblume. "Hallo", miaute der grau-weiße. Die Königin, die im einem weichen Nest lag, blickte hoch. "Hallo, Möwe", begrüßte sie ihn.

"Ich bringe dir etwas zu fressen. Hast du Hunger? Wie geht es dir?"

"Mir geht es soweit ganz gut. Und ja, ich habe Hunger."

Der Schüler legte die Wühlmaus vor der roten Kätzin ab.

"Vielen Dank", maunzte Krokusblume.

Der Kater nickte freundlich und verließ dann den Bau. Draußen hielt er nach Krähenpfote Ausschau. Er entdeckte seinen Bruder neben Glanzpfote, mit der er sich den Fisch teilte. Möwenpfote seufzte. Seiner Meinung nach verbrachte der schwarze Kater etwas zu viel Zeit mit der Heiler-Schülerin. Andrerseits war es ganz normal, dass sich zwei Katzen aus einem Clan Beute teilten. Trotzdem beschlich den grau-weißen Schüler ein ungutes Gefühl, wie er die beiden so dicht nebeneinander sitzen sah...

"Was machen wir heute?", wollte Möwenpfote am nächsten Morgen von seinem Mentor wissen. "Wir feilen deine Kampftechniken noch etwas aus", antwortete Meerkalle. Kämpfen! Der Tag fing schon mal gut an. Die zwei Katzen liefen durch den Wald. Nach eine Zeit bogen sie ab und verließen das Dickicht. Sie gingen weiter bis sie schließlich die BlattClan-Grenze erreichten. Hier gab es eine kleine Wiese, die sich gut zum trainieren eignete.

"Nun, sag mir erstmal was die wichtigste Regel bei einem Kampf ist", verlangte Meerkralle.

"Töte niemals einen anderen Krieger so lange es zu vermeiden ist", antwortete der Schüler sofort. Der bläuliche Kater nickte zufrieden. "Gut. Dann lass uns anfangen." Ohne Vorwarnung stürzte sich der Mentor mit eingezogenen Krallen auf den jungen Kater. Dieser schaffte es gerade noch auszuweichen, sodass Meerkralle ihn nur streifte.

Er wappnete sich für den nächsten Angriff, der sofort kam. Diesmal konnte Möwenpfote jedoch nicht mehr ausweichen. Der bläuliche Kater stieß ihn um und sprang auf ihn. Der grau-weiße bearbeitete mit seinen Hinterpfoten den Bauch des Angreifers, sodass dieser schließlich von ihm ablassen musste. "Gut gemacht. Du hast gute Reaktionen. Aber vergiss nicht, das du auch mal angreifen musst. Nachdem du mir ausgewichen bist, hättest du es tun können", erklärte der Mentor.

Der Schüler nickte aufmerksam. "Ich möchte dir einen neuen Trick zeigen", miaute Meerkralle. Aufgeregt spitzte der Kater die Ohren. "Man kann ihn jedoch nicht immer anwenden und er geht nur bei großen Katzen", fuhr der kräftige Kater fort.

"Du bist kleiner, aber dafür wendig, Möwenpfote. Nutze das."

"Und wie?", wollte er wissen.

Sein Mentor deutete mit der Schwanzspitze auf einen kleineren umgefallenen Baumstamm. Zwischen dem Boden und dem toten Baum war eine Lücke.

"Stell dir vor, der Baum dort ist der Angreifer, zum Beispiel ein Dachs. Dachse sind recht groß. Tu so als würdest du direkt auf ihn zu rennen. Schau zu."

Er stürzte auf den Stamm zu. Kurz vor ihm stoppte er und schlüpfte unter ihm durch. Schnell wie der Blitz fuhr Meerkralle über die Rinde, die die Flanke des "Dachses" darstellen sollte. "Hast du das gesehen und verstanden?", wollte der Mentor wissen. Möwenpfote nickte ehrfürchtig. "Gut. Versuch du es."

Die beiden übten noch eine Weile, bis der Schüler den Kampfzug ganz gut beherrschte. "Das reicht für heute. Gehen wir zurück ins Lager", meinte Meerkralle schließlich. Sie liefen zurück, über die Wiese und durch den Wald, bis sie die Lichtung erreichten. Krähenpfote war nirgends zu sehen. Aber er entdeckte Glutpfote, die sich ziemlich verloren umschaute.

Zielstrebig ging der junge Kater auf sie zu. "Hallo, Glut. Wollen wir uns eine Maus teilen?", fragte er sie. Die orangene Kätzin begann zu strahlen. "Gerne!", maunzte sie. Die zwei Katzen liefen zum Frischbeutehaufen. Möwenpfote wählte eine Spitzmaus aus. Zusammen ließen sie sich neben der Kinderstube  auf dem weichen Gras nieder.

"Und was hast du bisher so gemacht?", wollte Möwenpfote wissen. "Ich kenne das Territorium jetzt so gut wie meine Schwanzspitze! Tüpfelherz hat mir alles gezeigt!", prahlte die junge Schülerin. Der ältere begann zu schnurren. "Ich bin mir sicher, Tüpfelherz ist eine gute Mentorin", lobte er seine Mutter. "Das ist sie", bestätigte Glutpfote. "Und was hast du so gemacht?"

"Ich habe einen neuen Kampfzug gelernt", sagte der Schüler stolz und erinnerte sich an den Tag, an dem Sonnenpfote dasselbe zu ihm gesagt hatte, nur das er nun der, mit mehr Erfahrung war. Die Augen seiner Baugefährtin begannen zu leuchten. "Kann ich ihn sehen?", fragte sie neugierig. "Klar." Möwenpfote richtete sich auf und schaute sich nach einem geeigneten Ort um, an dem er Glut den Trick zeigen konnte, als plötzlich ein markerschütternder Schrei ertönte, der jedes einzelnes Haar seines Fells sträuben ließ.

Wer denkt ihr, hat geschrien? Und warum?

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